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KASSEL (KOBINET) Die Minijob-Zentrale ist für viele behinderte Menschen, die ihre AssistentInnen selbst anstellen, ein Sorgenkind. Denn noch immer gibt es keine Lohnbuchhaltungs-Software für Anstellungsverhältnisse in Privathaushalten.
Kommentar von Gunther Neumann
Der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro wurde nun mit wenigen Ausnahmen flächendeckend beschlossen. Eigentlich ist das nicht einmal ein Grund zum Feiern, sondern eine überfällige Selbstverständlichkeit. Kritiker, u. a. die Zollbehörde, befürchten, dass durch den einheitlichen Mindestlohn die Zahl der illegal Beschäftigten steigt: Ostdeutsche Kleinbetriebe könnten angesichts des niedrigen Lohnniveaus damit überfordert sein, ihren Angestellten sofort so viel mehr zu zahlen. Bei Angestelltenverhältnissen in Privathaushalten, denken andere, könnten die sozialversicherungstechnischen Anforderungen nicht eingehalten werden. Das liegt an verschiedenen Faktoren.
„Bei erheblicher Pflegebedürftigkeit (Pflegestufe 3 aufwärts) ist es oft nötig, auch sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in einem Privathaushalt anzustellen, da kaum ein Angehöriger die Leistung zur Gänze selbst erbringen könnte – ohne sozialversicherungspflichtig Beschäftigte bliebe all zu oft die Heimeinweisung“, so Uwe Frevert vom Vorstand des Bundesverbandes der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL). Die Minijob-Zentrale wendet nun bei Anstellungsverhältnissen unterschiedliche Modalitäten an, je nachdem, ob es sich um ein reguläres Unternehmen oder um behinderte ArbeitgeberInnen im Privathaushalt handelt.
Bei regulären Angestelltenverhältnissen betragen die Anteile der Krankenversicherung, des Rentenbeitrags, der Steuer und der Unfallversicherung, die an die Minijob-Zentrale entrichtet werden, etwa 25 Prozent des Lohns. Bei Anstellungsverhältnissen in Privathaushalten werden von den behinderten ArbeitgeberInnen nur ca. 14 Prozent an die Minijob-Zentrale abgeführt. Jeder mittelgroße bis große Betrieb kann auf vielfältige Lohnbuchhaltungssoftware zugreifen, die automatisch auch die erwähnten ca. 25 Prozent Sozialkosten in der Gesamtkalkulation ausweist und abführt.
Eine Software, die auf Angestelltenverhältnisse in Privathaushalten zugeschnitten ist, lässt trotz steigender Zahlen privater ArbeitgeberInnen auf sich warten. Privathaushalte, die mehrere Angestellte für sich arbeiten lassen – meist auf Minijob-Basis – agieren im Prinzip wie Betriebe im Kleinen. Für Software-Hersteller sind sie jedoch keine interessante Kundengruppe. Eine Software-Erstellung würde sich angesichts des kleinen Interessentenkreises für professionelle Software-Produzenten nicht lohnen.
Resultat der fehlenden Software: Jeder Privathaushalt mit sozialversicherungspflichtig Angestellten für Kinderbetreuung, Garten, Haushalt oder Pflege muss im Grunde ein Lohnbuchhaltungsbüro mit der Buchhaltung beauftragen, und dort wird für teuer Geld der angesprochene 14 Prozent-Anteil „von Hand“ ausgerechnet, denn den Lohnbuchhaltern steht auch nur die Software mit dem 25 Prozent-Anteil zur Verfügung. Das Lohnbüro muss kalkulieren und rechnen, um dem Privathaushalt einen Kostenüberblick zu verschaffen. Für alle, die keine Lohnbuchhalter engagieren wollen oder können ist dies fast zwangsläufig der erste Schritt in die Illegalität.
Im Verein zur Förderung der Autonomie Behinderter (fab) in Kassel bietet die Verwaltung des fab behinderten Menschen, die sich für ein Persönliches Budget entschieden haben, eine Budget-Verwaltung an. Doch solche Angebote sind seltene Ausnahmen. Die Mehrheit der behinderten Menschen wird mit der Lohnbuchhaltung allein gelassen. (http://www.fab-kassel.de/verwaltung_persoenliches_budget.html)
Das Feld der Sozialversicherungsabgaben ist überreguliert, um praktikabel eine Beschäftigung in einem Privathaushalt zu gewährleisten. Beinahe monatlich wächst die Regelungsflut im Lohnbuchhaltungswesen, was das Feld nicht besser, aber komplizierter macht. Und die Minijob-Zentrale? Die Helferin in der Not, die Retterin der Kleinverdiener und der besserverdienenden privaten Arbeitgeber? Mit generöser Nonchalance nimmt sie die Meldungen zu den Sozialversicherungsbeiträgen und Abgaben an, und es muss nicht einmal bestätigt werden, dass die Angestellten überhaupt gearbeitet haben – bei regulären Betrieben der freien Wirtschaft. Die ohnehin der Renitenz verdächtigte Gruppe der behinderten ArbeitgeberInnen muss das sehr wohl, mit Datum und Unterschrift von ArbeitgeberIn und ArbeitnehmerIn bestätigen lassen. Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher, das wusste schon George Orwell.
Und weil einige gleicher sind als andere, wird den anderen, hier in den Privathaushalten, auch nicht gestattet, anders als mit einer Einzugsermächtigung der Minijob-Zentrale ihre Beträge zu zahlen. Wehe dem, der dagegen protestiert. Dann stellt sich schnell heraus, dass das, was da so menschlich als „Zentrale“ für Minijobs einher kommt, nichts weiter ist als eine Behörde preußischen Zuschnitts: Bei der Verweigerung der Einzugsermächtigung droht der Entzug der Anerkennung des Anstellungsverhältnisses in einem Privathaushalt, und dann steigen die Beiträge von etwa 14 Prozent auf 25 Prozent. Ein alter deutscher Verwaltungsrechtsgrundsatz lautet: „Wo kämen wir denn sonst hin, da könnte ja jeder kommen!“