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Wer echte Partizipation will, muss auch ausreichende Mittel zur Verfügung stellen

Ottmar Miles-Paul am Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor in Berlin
Ottmar Miles-Paul am Pariser Platz
Foto: Michael Gerr

Berlin (kobinet) Viel ist in diesen Tagen beim Global Disability Summit in Berlin die Rede von Partizipation, von Begegnung auf gleicher Augenhöhe, von der Verwendung von 15 Prozent der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit für Maßnahmen für die 15 Prozent behinderter Menschen in dieser Welt. Und dass die Maßnahmen barrierefrei und inklusiv sein müssen, statt dass weitere Sonderwelten geschaffen und gefördert werden. So weit so gut. Diejenigen, die das wollen, müssen jedoch auch dafür sorgen, dass die Bedingungen für eine echte Partizipation mit entsprechenden finanziellen Ressourcen unterlegt werden. So wie es jetzt zum Beispiel in Deutschland läuft, kann sich kaum eine Selbstvertretungsorganisation ernsthaft an entwicklungspolitischen Programmen und Maßnahmen beteiligen. Denn die Ehrenamtsressourcen sind mit dem mühsamen Einsatz für Barrierefreiheit und Inklusion in Deutschland schon längst ausgereizt. Davon ist kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul überzeugt und plädiert in seinem Kommentar dafür, dass die guten Absichten auch mit einer guten Förderung der Partizipation von Selbstvertretungsorganisationen in der Entwicklungszusammenarbeit verknüpft werden müssen. Denn sonst ist außer Spesen nicht viel gewesen.

Kommentar von kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul

Tausende behinderte Menschen bzw. Akteur*innen der Behindertenpolitik und Regierungsvertreter*innen sind derzeit zu Gast in Berlin beim Global Disability Summit. Das ist gut und wichtig. Dass die Amman-Berlin Erklärung hoffentlich verabschiedet wird, ist ebenfalls gut. Wie all das jedoch zustande gekommen ist und wie es um die Partizipation behinderter Menschen und dabei vor allem der Finanzierung hierfür aussieht, ist weniger gut. Denn allein schon an der Vorbereitung des Global Disability Summit wird deutlich, wie miserabel das Kräfteverhältnis zwischen professionellen Hilfsorganisationen und Selbstvertretungsorganisationen ist. Während die einen durch Förderprogramme und Spenden weitgehend abgesichert sind, nehmen die meisten behinderten Menschen, die sich für eine inklusive Entwicklungszusammenarbeit und barrierefreie und inklusive Förderprogramme einsetzen, ehrenamtlich an entsprechenden Sitzungen teil. Und dies, obwohl es im eigenen Land schon genug zu tun gibt, weil die Entwicklung in Sachen Barrierefreiheit und Inklusion eine Schnecke zu sein scheint, die zuweilen sogar Rückwärtsschritte einlegt.

So ist es kein Wunder, dass Deutschland in Sachen Partizipation und Entwicklungsprogrammen, die entscheidend von behinderten Menschen selbst mitgetragen werden, ein Entwicklungsland ist. Förderprogramme sind nämlich für Selbstvertretungsorganisationen, die ihr know how einbringen damit echte Inklusion und Barrierefreiheit gefördert wird, äusserst unattraktiv, denn welche Organisation kann neben dem Engagement noch entsprechende Eigenmittel aufbringen. Und diejenigen, die für Inklusion streiten, sind leider oft schlecht im Spendensammeln und Betteln.

Wenn Deutschland die Entwicklungszusammenarbeit zukünftig also wirklich inklusiv und partizipativ ausrichten will, dann müssen die zuständigen Ministerien ein paar Schippen draufleben. Der Global Disability Summit konnte mit viel ehrenamtlichem Engagement von denjenigen Verbänden, die eh schon auf dem Zahnfleisch gehen, gerade noch so mitgeschultert werden. Dafür einzutreten, dass geförderte Maßnahmen durch eine gute und qualifizierte Beratung und Unterstützung behinderter Menschen und echte Partizipation geprägt werden, das funktioniert nur bedingt. Während im Bundesministerium für Arbeit und Soziales bereits 2017 ein Partizipationsfonds für Selbstvertretungsorganisationen eingerichtet wurde, scheint dies im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ein Fremdwort und unmöglich zu sein. Das macht dann leider keinen Geschmack darauf, sich kompetent, engagiert und langfristig für eine inklusive und barrierefreie Entwicklungszusammenarbeit zu engagieren.

Wer also echte Partizipation behinderter Menschen in der Entwicklungszusammenarbeit will, wer echte Inklusion und wirkliche Barrierefreiheit will, bekommt das nicht zum Nulltarif oder 0-8-15 Förderprogramme, die für Selbstvertretungsorganisationen nicht passen. Hier gilt es also ein paar Schippen draufzulegen, soll der Global Disability Summit in Deutschland und in anderen Ländern nicht sang- und klanglos verhallen. Dass Selbstvertretungsorganisationen an einer internationalen Zusammenarbeit sehr interessiert sind, dies zeigt die Präsenz beim Global Disability Summit in Berlin. Und gerade die weltweite Behindertenbewegung hat immer wieder vom Austausch und von der gegenseiten Unterstützung profitiert. Nun gilt es also, die entsprechenden Mittel für eine inklusive und barrierefreie Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung zu stellen, denn gerade die internationale Zusammenarbeit verursacht wesentlich höhere Kosten, als wenn man sich hierzulande für eine Veranstaltung trifft.

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Gerhard Karpiniec
04.04.2025 09:59

Um es kurz zu sagen, wir haben zu viel Geld und Verschwenden dies in PR und „Information“ anstatt in realen Projekten dies vorbildlich einzusetzen.
Gerade in der 75 jährigen EZA-Arbeit hat sich der eherne Grundsatz pervertiert, der auf fast jeder Webseite einer EZA-NGO zu finden ist: „Hilfe zur Selbsthilfe“. Es gibt immer mehr EZA-NGO´s welche versuchen mit Förderungen und Spenden immer größer zu werden als in reale Projekte zu investieren um „Hilfe zur Selbsthilfe“ zu realisieren. Wir sollten endlich eine FEHLERANALYSE dieser 75 jährigen suboptimalen Arbeit starten.
Gerhard Karpiniec
Münchendorf/Österreich