
Foto: LIGA Selbstvertretung
Berlin (kobinet) Schneller als ursprünglich erwartet beginnen heute, am 28. Februar 2025, die Sondierungsgespräche für eine mögliche Koalition zwischen der CDU, CSU und der SPD. Sowohl die CDU/CSU als auch die SPD schicken jeweils neun Verhandler*innen in diese Gespräche. Auch wenn bei den Sondierungsgesprächen, wie leider im Wahlkampf auch, die Behindertenpolitik eher ein Schattendasein führen dürfte, erhofft sich die LIGA Selbstvertretung von den Sondierungsgesprächen ein klares Signal, dass eine menschenrechtsbasierte Behindertenpolitik im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention mit konkreten Verbesserungen das zukünftige Regierungshandeln bestimmt. Dafür hat der Zusammenschluss von Selbstvertretungsorganisationen behinderter Menschen eine Reihe von Formulierungsvorschlägen für Koalitionsverhandlungen entwickelt.
Einem Bericht der tagesschau zufolge dürften für die SPD folgende Personen bei den Sondierungsgesprächen am Tisch sitzen: Die Parteichefs Lars Klingbeil und Saskia Esken, außerdem Verteidigungsminister Boris Pistorius und Arbeitsminister Hubertus Heil sowie Generalsekretär Matthias Miersch, Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, die beiden Ministerpräsidentinnen Manuela Schwesig und Anke Rehlinger und der Chef der NRW-SPD, Achim Post. „Für die Union sondieren CDU-Chef Friedrich Merz, der CSU-Vorsitzende Markus Söder sowie die Generalsekretäre Carsten Linnemann (CDU) und Martin Huber (CSU). Außerdem sitzen am Tisch: Unions-Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei, CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer, die stellvertretende CDU-Vorsitzende Karin Prien und die CSU-Politikerin Dorothee Bär“, heißt es vonseiten der tagesschau zur Zusammensetzung der Sondierungsgespräche.
Link zum tagesschau-Bericht vom 28. Februar 2025
Die LIGA Selbstvertretung hat Formulierungsvorschläge für die Koalitionsvereinbarung 2025 zu Inklusion und Teilhabe in Form eines Kleeblatt-Prinzips veröffentlicht. „Wir werden den Stillstand in der Behindertenpolitik der letzten Legislaturperiode überwinden und unsere Politik für Menschen mit Behinderungen konsequent nach den Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) ausrichten. Wir sehen Inklusion und Barrierefreiheit als Mehrwert für die ganze Gesellschaft. Wir werden deshalb in der kommenden Legislaturperiode vorrangig vier Themenbereiche ausgestalten und bei deren Verwirklichung eng mit den Organisationen der Menschen mit Behinderungen zusammenarbeiten“, heißt es u.a. in den Vorschlägen der LIGA Selbstvertretung. Diese vier Bereiche sind: „Barrierefreiheit“, „Gewaltschutz“, „Deinstitutionalisierung – von der Exklusion zur Inklusion“ und „Nicht-Diskriminierung“.
Im Folgenden dokumentieren die kobinet-nachrichten die Formuierungsvorschläge für den Koalitionsvertrag:
Formulierungsvorschläge der LIGA Selbstvertretung für die Koalitionsvereinbarung 2025 zu Inklusion und Teilhabe – „Das Kleeblatt-Prinzip“
Wir werden den Stillstand in der Behindertenpolitik der letzten Legislaturperiode überwinden und unsere Politik für Menschen mit Behinderungen konsequent nach den Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) ausrichten. Wir sehen Inklusion und Barrierefreiheit als Mehrwert für die ganze Gesellschaft. Wir werden deshalb in der kommenden Legislaturperiode vorrangig vier Themenbereiche ausgestalten und bei deren Verwirklichung eng mit den Organisationen der Menschen mit Behinderungen zusammenarbeiten:
1 Barrierefreiheit
Wir werden das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) novellieren und damit auch die privaten Anbieter*innen von Waren und Dienstleistungen zu Barrierefreiheit und angemessenen Vorkehrungen verpflichten. Wir werden dafür sorgen, dass die Regelungen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG), das ab Mitte 2025 die digitale Barrierefreiheit vorschreibt, zügig umgesetzt werden. Wir werden die Barrierefreiheitsregelung im Personenbeförderungsgesetz (PBfG, § 8) ohne Ausnahmen in den Nahverkehrsplänen umsetzen. Wir werden die Deutsche Bahn (DB) neben der Herstellung umfassender Barrierefreiheit in der Infrastruktur und dem Wagenbereich zu einer diskriminierungsfreien Ein- und Ausstiegshilfeleistung verpflichten. Wir werden den Aktionsplan für ein diverses, inklusives und barrierefreies Gesundheitswesen verbindlicher ausgestalten und weiterentwickeln.
2 Gewaltschutz
Wir werden für die Einrichtungen und Dienste der Behindertenhilfe einen effektiven Gewaltschutz mit einheitlichen Standards für Gewaltschutzkonzepte und Beschwerdestellen vorsehen und damit vorhandene Regelungen schärfen. Wir werden eine geschlechterdifferenzierte Gewaltschutzstrategie für behinderte Menschen erarbeiten und für umfassende Barrierefreiheit im gesamten Gewalthilfesystem sorgen. Wir werden die Zwangsbehandlungen und Zwangsmedikationen im Psychiatriebereich durch humane Alternativen ersetzen.
3 Deinstitutionalisierung – von der Exklusion zur Inklusion
Wir werden die Vorgaben des UN-Fachausschusses zum Abbau von Sonderstrukturen bei Arbeit, Wohnen und Bildung beachten und mit gezielten Maßnahmeplänen umsetzen. Wir werden deshalb zusammen mit den Bundesländern ein inklusives Schulsystem aufbauen, die sonderpädagogische Kompetenzen darin einbeziehen und die Förderschulen abbauen. Wir werden einen inklusiven Arbeitsmarkt fördern und eine Reform der Werkstätten für Menschen mit Behinderungen (WfbM) angehen, im Bereich der Entlohnung sowie des arbeitsrechtlichen Status und beim Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Wir werden das selbstbestimmte Wohnen in inklusiven Sozialräumen als Standard verwirklichen und es nicht aus Kostengründen einschränken.
4 Nicht-Diskriminierung
Wir werden das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz modernisieren, darin Barrierefreiheit, angemessene Vorkehrungen sowie ein Verbandsklagerecht verankern und der Antidiskriminierungsstelle ein Mandat für Einzelfallunterstützung geben. Wir werden die Nichtdiskriminierung im Bereich von Gesundheitsdienstleistungen zusätzlich in das AGG aufnehmen.
Wir verweisen für weitergehende Vorschläge auf unsere „10 Gebote für eine zukunftsfähige Behindertenpolitik“: http://liga-selbstvertretung.de/?p=1264
LIGA Selbstvertretung, Berlin 31. Januar 2025
Link zu den Formulierungsvorschlägen der LIGA Selbstvertretung