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Keine Wahlwerbung! (für den Inhalt dieser Kolumne sind ausschließlich die jeweiligen Parteien verantwortlich)

Ist die deutsche Politik im Arsch?
Ist die deutsche Politik "im Arsch"? An den rechten und linken Rändern schon. Meint Michi Schmitt, Illustrator aus Thalheim im Westerwald-
Foto: Michael Schmitt

Villmar - Weyer (kobinet) Wahlwerbung ist bei den kobinet Nachrichten ein Tabu! Deshalb gibt Stephan Laux in seiner neuen Kolumne auch keine Wahlempfehlung ab. Er schildert lediglich seine in keinem Falle objektiven Beobachtungen im aktuellen Bundestagswahlkampf und versucht sie sozialpolitisch zu deuten.

Früher habe ich mal Wahlprogramme gelesen. Das ist mir heutzutage zu anstrengend. Ich bin schon mit den überlebensgroßen Gesichtern auf den Wahlplakaten überfordert, die mich auf dem Weg zur nächst größeren Stadt anstarren. Und von den Schlagzeilen, denen ich mich nicht entziehen kann. Genauso von politischen Diskussionen in meiner Stammkneipe. All das möchte ich hier mal zusammenfassen. Meine Sympathie für den deutschen Ordnungssinn gebietet es mir alphabetisch vorzugehen. Deshalb komme ich nicht umhin, ausgerechnet mit dem ‚A‘ zu beginnen.

AfD: Wenn Hitler Kommunist war, ist die AfD dann eine kommunistische Partei? Hätte Hitler Windkraftanlagen abgebaut? Die deutschen wahrscheinlich nicht. Aber die im Rest Europas. Und die hätte er wahrscheinlich bombardiert und nicht abgebaut. Um nicht von ausländischer Energie abhängig zu sein.

AfD sozialpolitisch: In meiner Stammkneipe habe ich mich mal getraut zu bemerken, dass ich Migration nicht für das Problem halte, sondern für einen Teil der Lösung. Seitdem bin ich dort nicht mehr ganz so gerne gesehen. Vielleicht weil ich mich reingesteigert habe? „Wir werden noch für jeden nicht abgelehnten Asylbewerber dankbar sein, der uns den Allerwertesten abwischt und uns pflegt. Für jeden syrischen Arzt, der uns die Prostata abtastet. Für jede iranische Kardiologin, die uns den Herzschrittmacher einstellt. Für jeden pakistanischen Paketzusteller und Pizzaboten. Und für jeden afghanischen Müllmann, der uns anschließend den so verursachten Müll abholt.“

Der Fachkräfte- und der Mangel an Arbeitskräften, welche die Arbeiten erledigen, die keinen akademischen Abschluss oder besonders viel Sitzfleisch für einen Bürostuhl voraussetzen, werden beeinträchtigte und ältere Menschen besonders hart treffen.

BSW: Das ist doch jetzt eine kommunistische Partei, oder doch eher eine postsowjetische? Ob Frau Wagenknecht wohl die neuen Bundesländer an Putin abtreten würde, wenn die dann mit russischem Gas versorgt werden? „Selten ein Schaden, wo auch ein Nutzen“ pflegte meine Mutter immer zu sagen.

BSW sozialpolitisch: Wenn es einer Partei, die ein Programm hat, das sich im Prinzip auf eine Person bezieht, gelingt auf Anhieb in 3 Landtage einzuziehen, sollte das nicht auch Ansporn für die Behindertenbewegung sein, sich politisch zu organisieren? BOMP (Bündnis Ottmar Miles Paul) wäre ein zünde(l)nder Name. BRK (Bündnis Raúl Krauthausen) würde zu zweideutig rüberkommen. Die Abkürzung könnte mit der UN-Behindertenrechtskonventionn Verbindung gebracht werden. Wenn man von rund 10 % schwerbehinderter Wahlberechtigter ausgeht, die selbstverständlich alle das Zentralorgan der neuen Partei, die kobinet Nachrichten lesen, könnte man bei der Wahl schon fast koalitionsfähig abschneiden. Sollte dieser Fall eintreten, würde ich für den Posten des Außenministers zur Verfügung stehen. Wegen meines hervorragenden diplomatischen Geschicks.

CDU: Wäre ich Mitglied in der CDU (was Gott verhindern möge) würde ich den Antrag stellen, das ‚C‘ im Parteinamen zu streichen. Das ist total sperrig und überflüssig. Eine Partei mit dem Namen „DU“ wäre bedeutend volksnäher und mindestens so inhaltslos wie mit ‚C‘. Ohne das ‚C‘ könnte man sich auch deutlicher von den Kirchen abgrenzen, die unter einem erheblichen Mitgliederschwund leiden.

CDU sozialpolitisch: Mein Vater (Jhg. 1929) war CDU-Mitglied. Er wählte diese Partei, weil er ein guter Katholik war. Also wegen des ‚C‘ im Namen. Für die jüngeren unter den Leser*innen: Das ‚C‘ steht für christlich. Das hat in meiner Erinnerung etwas mit Nächstenliebe zu tun. Mein Vater ist schon lange verstorben.  Wenn er das sozialpolitische Reden und Handeln von Friedrich Merz und Jens Spahn von dort oben irgendwie mitbekäme, würde er sich nicht im Grab umdrehen. Er würde rotieren.

FDP: „Bürokratie runter. Netto rauf!“ steht auf den Wahlplakaten unter dem Konterfei Christian Lindners, der übrigens immer noch so aussieht und schaut wie das Model einer Calvin Klein Werbung.

Mit „Bürokratie runter!“ meint er nicht den Antrag auf Bereitstellung von Assistenzleistungen. Damit meint er die Steuererklärung von Leuten wie er selbst. Die soll gefälligst endlich auf einen Bierdeckel passen. Und da soll draufstehen: „Ich erkläre meine Steuer, bezahle aber keine!“ Liebe Grüße, Elon Musk.

FDP sozialpolitisch: Dazu fällt mir nur ein: „Wer als behinderter Mensch FDP wählt, ist selbst schuld!“ Ich sag’ nur, Marco Buschmann. Denn mit „Netto rauf!“ meint auch der nicht das Blindengeld, das persönliche oder das Budget für Arbeit. Auch nicht die Rente und die Löhne in Werkstätten für beeinträchtigte Menschen. Genau! Sie ahnen es. Er meint den Bierdeckel! Den Rest regelt der Markt!

Grüne: Wer Zuversicht als Wahlslogan ausgibt, sollte auf den dazugehörigen Wahlplakaten auch den entsprechenden Gesichtsausdruck beherrschen. Ich bin gespannt, wie lange es dauert, bis die BILD Zeitung diesen Wahlslogan umdefiniert? So wie das erneuerbare Energien-Gesetz. Das hieß nach kürzester Zeit „Habecks Heizungshammer“. Ich tippe mal auf „Sozialromantik“.

Grüne sozialpolitisch: Da will dieser Kinderbuchautor doch tatsächlich Multimillionäre zur Finanzierung des Sozialsystems heranziehen. Ich habe schon einen Titel für dieses Märchen: „Als die selbst ernannte Elite plötzlich soziale Verantwortung übernehmen sollte.“

Die Linke: Sollte man eine Partei aus Mitleid wählen? Oskar Lafontaine hat eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Erst die SPD und dann die Linke. Bei der SPD war er beleidigt, der Linken hat er aus Liebe zu seiner Frau den Gnadenschuss verpasst. Da kann einem die Partei schon leidtun.

Auch die Silberlocken Mission löst bei mir eine Art Putzigkeitsreflex aus. Ähnlich wie bei misshandelten Hundewelpen.

Die Linke sozialpolitisch: Politik vom Schwächsten her zu denken, das wäre schon sozial. Behindertenpolitik scheint kein griffiges Wahlkampfthema zu sein. Zur Linken würde es passen.

Sonstige: Damit meine ich die kleinen Parteien, die voraussichtlich an der 5-Prozent-Hürde scheitern werden. Im Falle der FDP erfreulich, für die Linke eher bedauerlich. Tritt eigentlich dieses Jahr die Tierschutzpartei an?

Sonstige sozialpolitisch: Mich würde interessieren, ob Tiere in Deutschland mehr Rechte haben als behinderte Menschen. Das wäre doch mal eine kleine Anfrage der Linken wert, solange sie noch im Bundestag sitzt. Für unseren Familienkater Mikesch gilt dies in jedem Falle. Er hat bedeutend mehr Rechte als ich. Und die sind nicht einmal mit den üblichen Pflichten verbunden. Er muss sich weder an der Hausarbeit beteiligen, noch muss er sich die Pfoten abputzen, bevor er das Haus betritt.

SPD: Wann wird Besonnenheit zur Lethargie? Vielleicht ist der Übergang überhaupt nicht fließend. 16 Jahre Angela Merkel wirken auf mich, im Nachhinein, wie 16 Jahre Lethargie. Mit Angela Merkel als Spitzenkandidatin hätte die SPD eventuell eine Chance, ihre Umfragewerte zu verbessern. Eine Aktentasche in eine Handykamera halten kann die auch.

SPD sozialpolitisch: Wäre die SPD eine linke und soziale Partei, dann gäbe es weder „Die Linke“ noch das „BSW“. Und hätte es Gerhard Schröder nicht gegeben, fühlten sich die alten aufrechten Genoss*innen nicht hintergangen und verraten. Glück auf!

Während ich an dieser Kolumne arbeite, überschlagen sich die Ereignisse. Der Ton wird rauer. Selbst unter Aktivist*innen ist man zunehmend genervt. Auch meine Lunte wird stetig kürzer.

Ich stelle mir tatsächlich zum ersten Mal die Frage, ob die Lage eigentlich zu ernst ist, um sie satirisch zu kommentieren. Das wird schwierig, wenn Friedrich Merz den Trump übt und die FDP komplett aus dem Ruder zu laufen droht.

Dass behinderte Menschen mit der AFD nicht viel zu lachen haben werden, dürfte mittlerweile klar geworden sein. Dass die CDU sich dieser asozialen Partei noch mehr annähert und bei Gesetzesentwürfen auf deren Zustimmung baut, ist auch sozialpolitisch mehr als besorgniserregend.

Vielleicht bedeutet Haltung zu bewahren in diesen Zeiten auch, den Humor nicht zu verlieren.

Ich wünsche allen Leser*innen und mir, dass wir uns beides bewahren!

Stephan Laux Februar 2025

Lesermeinungen

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Silvia Hauser
07.02.2025 17:02

Die Karikatur finde ich unter der Gürtellinie und sexistisch. Inhaltlich weicht sie der Auseinandersetzung aus.
Wieso werden Antikriegspositionen lächerlich gemacht?

Stephan Laux
Antwort auf  Silvia Hauser
09.02.2025 16:20

Ja! Die Karikatur kann man tatsächlich so deuten. Wäre wohl bei Charlie Hebdo besser aufgehoben. Der inhaltliche Bezug liegt vielleicht beim Ton, der rauer wird?

Ralph Milewski
06.02.2025 18:14

„Dass behinderte Menschen mit der AFD nicht viel zu lachen haben werden, dürfte mittlerweile klar geworden sein. Dass die CDU sich dieser asozialen Partei noch mehr annähert und bei Gesetzesentwürfen auf deren Zustimmung baut, ist auch sozialpolitisch mehr als besorgniserregend.“

Lieber Stephan, auch wenn ich mich hier gerade wiederhole, ich tue es gern. Zu lachen gab es auch ohne AfD in der Vergangenheit nichts: Beim BTHG hatte ich Angst um mein persönliches Budget und meine Assistenz (Kostenersparnis und Bürokratisierung). Bei IPReG hatte ich Angst um mein Zuhause (Zwangseinweisung ins Pflegeheim). Bei der Corona-Pandemie hatte ich Angst um mein Leben (Triage, Priorisierung etc.). Und das sage ich hier ganz nüchtern und ohne Dramatisierung. Und Aussicht auf einen Lachanfall sehe ich in der Zukunft auch nicht – höchstens aus Verzweiflung

Stephan Laux
Antwort auf  Ralph Milewski
07.02.2025 16:22

„Vielleicht bedeutet Haltung zu bewahren in diesen Zeiten auch, den Humor nicht zu verlieren.“

Lieber Ralph,
klar dürfte aber auch sein, dass es mit der AfD nicht lustiger wird.