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Ankündigungskolumne: Sonnenaufgang im Westen, Morgenröte des Golden Age für Milliardäre

über den Wolken, nur eine felsige Bergspitze, kalt, geht die Sonne auf
Kein "Frühstück der Milliardäre" zum 20. Januar in Deutschland, wie es die AfD verlangt, fordert der Kolumnist und "Grönland den Grönländern".
Foto: Aurélien-Barre In neuem Fenster öffnen via Pixabay In neuem Fenster öffnen

Staufen (kobinet) In circa zweimal 72 Stunden oder in gut sechs Tagen übernehmen zwei gemeingefährliche Hinterwäldler, Hillbillys, ein alter und ein junger, das Kommando im Weißen Haus. Der junge ist ein Hillbilly von Geburt und der sozialen Herkunft nach; der alte, von Hause aus ein milliardenschwerer Immobilienzocker, hat den Hillbilly-Ungeist vom Recht der Starken, die das Gesetz in die eigene Hand nehmen, in die nationale Politik eingeführt. – Wäre dies ein klassischer Western, träte irgendwann der Sheriff aus der Tür und man sähe, wie er ein Plakat an die Jailhouse-Wand schlägt. Darauf das Konterfei zweier Hillbillys, darunter in fetten Lettern WANTED! - Die Gesuchten sehen Trump und Vance zum Verwechseln ähnlich. Aber leider ist dies kein klassischer Western und, wie der Kolumnist fürchtet, auch keine Verschwörungserzählung.

Was kümmert das uns Behinderte?

Da dies also kein klassischer Western ist, machen sich die beiden Hinterwäldler nun daran, den Rest von dem zu schleifen, was einmal „Demokratie in Amerika“ hieß und schon vor ihnen zu einer Big-Money-Oligarchie verkommen ist. Doch sind die beiden, der Räuberhauptmann und sein Vize mitsamt ihrer Milliardärsentourage und einem faschistoiden Mob in der Hinterhand („proud boys“ und andere Sturmabteilungen) wirklich willens und imstande, in den USA ein diktatorisches Regime zu errichten und gesellschaftlich eine neue Form faschistischer Herrschaft zu etablieren? Wie in Max Frischs Drama „Biedermann und die Brandstifter“ verkündet Brandstifter Trump ganz offen, dass er vom ersten Tag seiner Präsidentschaft an „wie ein Diktator regieren“ werde – und ähnlich wie in Frischs Theaterstück glauben biedere amerikanische Wähler, ob sie den neuen Führer bzw. Leader selber gewählt haben oder nicht, er habe lediglich gescherzt, das mit dem Diktator sei ein Witz gewesen. Und wenn nicht, gebe es ja noch die vielbeschworenen „checks and balances“.

Was kümmert uns Behinderte das alles? Ich behaupte mal, selbst die Behindertencommunity in den USA ist erst einmal nicht in Trumps Feind-Fokus. Das Gros behinderter Menschen in den USA gehört wahrscheinlich nicht zum Segment der gut abgesicherten Middleclass, ernährt sich aber auch nicht von gebratenen Katzen und Hunden, was Trump verabscheut. Und daher müssen sie nicht fürchten, von ihm außer Landes gebracht zu werden. Sie haben folglich vorerst „nur“ die Kollateralschäden der allgemeinen gesellschaftlichen Verrohung zu fürchten, wie sie sozial Abgehängte und politisch Ohnmächtige generell am empfindlichsten treffen. – Gilt Vergleichbares auch für Deutschland? Wenn Alice Weidel die Kanzlerschaft antritt und Höcke ein Ministeramt bekommt. In einem Land, in dem bereits einmal explizit „unwertes Leben“ staatsbürokratisch seiner industriellen Vernichtung zugeführt wurde. Oder wird sich das absehbare Bündnis aus neoliberalen „Voranbringern“, „Sicherheit und Ordnung Schaffenden“ und „Saustallausmistern“ darauf beschränken, Behinderte, Unproduktive, Leistungsschwache und sonstige überflüssige Existenzen mit Maßnahmen „wohltemperierter Grausamkeit“ zu überziehen? Wie dies in unserer präfaschistischen Zeit sich bereits allenthalben abzeichnet, angefangen bei der Drohung mit Transferleistungskürzungen im aktuellen Wahlkampf. Sollten wir Behinderte uns hierzulande daher nicht besser bei politisch brisanten Fragen (wie z.B. Krieg und Kriegsvorbereitung) wegducken? Ab und zu mehr Barrierefreiheit verlangen und auf die UN-BRK verweisen, dieses „Dranbleiben“ wird man uns gerade noch nachsehen und daraus keinen Strick drehen.

Die Mutigen und Aufmüpfigen unter uns, die dennoch nicht die Klappe halten, dürfen schon einmal auf die Thronbesteigungskolumne am 20. Januar gespannt sein. Darin erweise ich pflichtschuldig dem neuen Führer des Freien Westens mit ein paar lyrischen Ergüssen meine Ehrerbietung, in englischer Sprache, damit er sie sich nicht noch von seiner künstlichen Intelligenz übersetzen lassen muss. Dann gehe ich aber auf den weitaus interessanteren Fall ein, auf seinen Vice Vance (klingt wie Firlefanz, ist aber keiner). Bei ihm handelt es sich nämlich um einen gebildeten Hillbilly und das sind die schlimmsten unter den Hinterwäldern. Was allein dadurch dokumentiert wird, dass hiesige Feuilletonisten Vance noch vor wenigen Jahren anlässlich seiner Hillbilly-Autobiographie für die darin ausgebreitete Hillbilly-Mythologie auffallend unkritisch (oder muss man sagen erschreckend unkritisch) sachliche und literarische Anerkennung gezollt haben. Und Scholz (kein gleichnamiger Journalist, nein, unser Scholzomat) will sogar Tränen darüber vergossen haben!

P.S. Seitdem der Scholzomat seinen spektakulären Gefühlsausbruch öffentlich bekannt hat, hat wiederum die CDU ein Wahlkampfproblem. Kiesewetters Vorhersage, Scholz werde noch vor dem Wahltag nach Moskau zu Putin fliegen, um einen schmutzigen Friedensdeal auszumauscheln, löst bei den Wählern kein Panikzittern mehr aus. Denn Scholz ist dazu gar nicht in der Lage. Würde ihn Putin wieder an dem langen ovalen Kreml-Tisch Platz nehmen lassen (an dem die Gesprächspartner einander beinahe aus den Augen verlieren, der Tisch ist einfach eine tischlerische Fehlkonstruktion sowjetischer Bauart) und wenn ihm Putin dann sein Klagelied auftischt vom Ende der Sowjetunion als „größter geopolitischer Katastrophe“ Russlands, das jetzt nicht auch noch einen Nato-Aufmarsch an seiner Grenze verträgt, wer würde nach den scholzomatischen Tränen bei der Vance-Lektüre mit Gewissheit vorhersagen, dass Scholz nicht erneut zu heulen anfängt und unverrichteter Dinge nach Hause geschickt wird? – Doch Schluss jetzt, am kommenden Montag gehts weiter.

Lesermeinungen

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Ralph Milewski
13.01.2025 16:16

Wenn gesellschaftliche und politische Rückschritte drohen, wird man oft gezwungen, den aktuellen Zustand – so unvollkommen er auch sein mag – als das Ziel zu betrachten, das es zu verteidigen gilt. Dies ist eine gefährliche Dynamik, da sie echten Fortschritt hemmt und die eigentlichen Forderungen und Visionen auf ein Minimum reduziert. Statt nach vorne zu blicken, steckt man Energie in den Kampf, um nur den Status quo zu bewahren. Das ist eine problematische, aber oft unvermeidliche Reaktion in Krisenzeiten – leider!

Deine Beobachtungen zur gesellschaftlichen Verrohung und deren Auswirkungen auf die Schwächsten, einschließlich der Behinderten-Community, sind alarmierend, aber auch notwendig. Es bleibt die Frage, wie wir diesen Entwicklungen etwas entgegensetzen können, ohne uns in bloßen Abwehrkämpfen zu verlieren.