Fladungen (kobinet) Die Suche nach einem geeigneten Fotocoaching gestaltete sich für mich als Rollstuhlnutzer und ambitionierten Fotografen schwieriger als erwartet. Dabei ging es mir nicht um Sonderwege oder spezielle Programme, sondern um ein Angebot, das meine Bedürfnisse berücksichtigt, ohne mich auf meine Behinderung zu reduzieren. Mein Erfahrungsbericht zeigt, dass der Weg zu echter Gleichberechtigung in der Kunstwelt noch weit ist.
Der Ausgangspunkt
Ich suchte 2023 nach einer Möglichkeit, mein fotografisches Wissen zu vertiefen und gezielt an meinen Fähigkeiten zu arbeiten. Ein Einzelcoaching schien mir der richtige Ansatz, um meine individuellen Fragen zu klären und meine Fertigkeiten auszubauen. Meine Anfrage bei einer renommierten Fotoschule in Eisenach wurde zunächst positiv aufgenommen. Doch schnell wurde klar, dass die Barrieren nicht nur räumlicher Natur waren.
Die Antwort – herablassend und ableistisch
Statt auf meine konkreten Wünsche einzugehen, wurde ich letztlich mit einem Vorschlag abgespeist, der nicht nur arrogant und ignorant wirkte, sondern mich regelrecht auf eine Behinderung reduzierte. Ich solle mich auf „Generative Fotografie und KI“ konzentrieren – ein Bereich, der mit meinen fotografischen Interessen nichts zu tun hat. Die Begründung? Meine „besondere Perspektive“ als Rollstuhlfahrer mache mich prädestiniert für „alternative“ Ansätze. Der Vorschlag, meine Arbeiten im Freilichtmuseum Fladungen zu präsentieren, verstärkte den Eindruck, dass meine Fotografie nicht für die allgemeine Kunstwelt geeignet sei, sondern in einen speziellen Rahmen gepresst werden müsse. Davon abgesehen fragte ich nach einem Coaching und nicht nach der Ausrichtung einer Ausstellung:
Leider sind unsere Konzept die wir für möglich halten bezüglich Sinn und Machbarkeit noch sehr wenig.
Meine Empfehlung bisher ist:
- Verwirklichung Ihrer Bildvisionen aus Ihrer besonderen Perspektive mit Generative Fotografie und KI
- Zu der Ausstellung gibt es einen Katalog
- Nach Fertigstellung von ca. 10 Bildern Präsentation im Freilichtmuseum Fladungen
- Wenn gewünscht, stehe ich zur Kartierung zur Verfügung
Was ist Generative Fotografie?
Generative Fotografie ist ein Ansatz, bei dem Bilder mithilfe von Algorithmen, Software und künstlicher Intelligenz (KI) erstellt oder verändert werden. Statt durch klassische Fotografie entstehen Werke oft durch digitale Prozesse, die Bilddaten manipulieren oder neu generieren – also am Schreibtisch und am Computer! Obwohl dieser Bereich spannende kreative Möglichkeiten bietet, unterscheidet er sich grundlegend von klassischer Fotografie, wie ich sie praktiziere. Generative Fotografie ersetzt dabei klassische Elemente wie Licht, Objektive oder Kameratechnik durch rechnergestützte Verfahren und Programmierung.
Sie fragen also nach einem Fahrtraining im Sportwagen, und der Coach empfiehlt Ihnen doch besser, mit der Playstation oder Xbox zu spielen! So fühlt sich das an!
Ableismus im Detail
Der scheinbar wohlmeinende Ton konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass mir in Wirklichkeit die Fähigkeit abgesprochen wurde, klassische Fotografie auf hohem Niveau zu betreiben. Statt mich als ambitionierten Fotografen ernst zu nehmen, wurde ich auf eine Behinderung reduziert und in eine vorgefertigte Schublade gesteckt. Die angebotene Lösung wirkte nicht wie ein ernsthafter Versuch, meine fotografischen Fähigkeiten zu fördern, sondern wie ein Versuch, mich in ein vorgefertigtes und wenig anspruchsvolles Konzept abzuschieben. Das Angebot spiegelte die Vorstellung wider, dass ich mit klassischer Fotografie überfordert sei und mich besser auf vereinfachte, digitale Methoden konzentrieren sollte. Diese Herangehensweise war nicht nur ableistisch, sondern auch herablassend.
Was hätte anders laufen können?
Ein respektvoller Ansatz hätte ehrlich gesagt: „Es tut uns leid, aber wir können keine Barrierefreiheit herstellen.“ Das wäre fair gewesen. Stattdessen empfahl man mir, weil ich eine Behinderung habe, doch besser auf Fotografie zu verzichten und mich stattdessen mit Computergrafiken und KI zu beschäftigen. Das ist nicht nur arrogant, sondern auch respektlos.
Ein respektvoller Umgang hätte vorausgesetzt:
- Zuhören: Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit meinen Zielen und Bedürfnissen.
- Flexibilität: Ein Angebot, das bestehende Formate anpasst oder neue Wege findet.
- Barrierefreiheit: Die Bereitschaft, Räume und Zugänge zu schaffen, statt Ausschlüsse zu akzeptieren.
- Anerkennung: Fokus auf meine Arbeit, nicht auf eine Behinderung.
Fazit: Zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Die Erfahrung zeigt, wie tief ableistische Denkmuster selbst in gut gemeinten Angeboten verankert sind. Sie unterstreicht die Notwendigkeit, Barrieren nicht nur zu benennen, sondern aktiv abzubauen. Echte Gleichberechtigung bedeutet nicht, Sonderlösungen zu schaffen, sondern bestehende Strukturen so zu gestalten, dass sie für alle zugänglich sind.
Mein Appell: Künstlerinnen und Künstler mit Behinderungen wollen nicht auf ihre Einschränkungen reduziert werden. Sie brauchen Räume, in denen ihre Kunst im Mittelpunkt steht – nicht ihre Lebensumstände. Die Kunstwelt muss lernen, Barrieren nicht als unveränderliche Realität zu akzeptieren, sondern als Herausforderung, die es zu überwinden gilt. Nur so kann sie ihrem eigenen Anspruch auf Vielfalt und Offenheit gerecht werden.
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