Fladungen (kobinet) Staatliche Charity statt nachhaltigem Wandel? Die Nachricht über den Inklusionsscheck NRW wirft viele Fragen auf – vor allem, ob solche Programme tatsächlich zur Förderung von Inklusion beitragen oder nur als symbolische Geste dienen. Seit seiner Einführung im Jahr 2019 scheint sich dieses System zunehmend als Ersatz für gesetzlich verankerte Ansprüche auf Barrierefreiheit und das Versprechen auf Inklusion zu etablieren. Dass die Zahl der bewilligten Schecks 2024 im Vergleich zum Vorjahr gestiegen ist, mag auf den ersten Blick positiv erscheinen. Doch ein genauerer Blick auf die geförderten Maßnahmen offenbart erhebliche Schwächen und macht deutlich, dass der Inklusionsscheck keine echten Lösungen bietet, sondern die bestehende Symbolpolitik fortschreibt und ein System einmaliger Projekte sowie inklusionspolitischer Rhetorik zementiert.
Zwischen Hilfe und Alibi – Was fördert der Scheck?
Der Inklusionsscheck soll mit einer Pauschale von 2.000 Euro vor allem kleinere Initiativen unterstützen. Laut Bericht wurden 376 Maßnahmen gefördert, von barrierefreien Webseiten bis hin zu inklusiven Sport- und Freizeitaktivitäten. Doch genau hier beginnt die Kritik:
- Einmalige Events statt langfristiger Strukturen: Viele geförderte Projekte, wie inklusive Feste oder Sporttage, schaffen zwar kurzfristige Begegnungen, tragen aber wenig zu dauerhafter Teilhabe bei. Sobald das Event vorbei ist, bleibt oft nichts zurück. Menschen mit Behinderung sind dann wieder auf sich allein gestellt.
- Barrierefreiheit als Ausnahme statt als Standard: Der Umbau von Eingängen oder die Anschaffung mobiler Rampen mag hilfreich sein, zeigt aber auch, wie weit wir noch von echter Barrierefreiheit entfernt sind. Solche Maßnahmen müssten längst selbstverständlich und gesetzlich verankert sein – nicht auf freiwillige Förderprogramme angewiesen. Mobile Rampen sind sinnvoll, da sie schnelle Lösungen für akute Barrieren bieten können. Dennoch ersetzen sie keine dauerhafte Barrierefreiheit. Dass solche Maßnahmen überhaupt erst per Scheck beantragt werden müssen, zeigt das grundlegende Problem: Barrierefreiheit sollte eine Selbstverständlichkeit sein und nicht von Förderprogrammen abhängen.
- Bildung und Kultur als Einzelfälle: Theaterprojekte und Workshops zur Gebärdensprache sind begrüßenswert, doch auch hier bleibt die Frage, warum diese Angebote nicht ohnehin Teil des regulären Schul- und Kulturprogramms sind.
Der größte Teil der Maßnahmen (ca. 70–80 %) ist einmalig und auf kurzfristige Aktionen oder Events ausgerichtet. Nur ein kleinerer Teil (ca. 20–30 %) ist wirklich nachhaltig und führt zu langfristigen Verbesserungen in der Barrierefreiheit, Teilhabe und Infrastruktur. Das zeigt, dass das System „Scheck“ nicht nur wegen der speziellen Beantragung fragwürdig ist, sondern auch, weil viele Maßnahmen nicht nachhaltig wirken und letztlich das bestehende System einmaliger Projekte und symbolischer Aktionen stützt.
Symbolische Erfolge – wo bleibt der Systemwandel?
Der Inklusionsscheck belohnt Einzelinitiativen, schafft aber keine Strukturen, die langfristig echte Inklusion ermöglichen. Projekte wie inklusive Freizeitangebote oder Kampfsportkurse für Menschen mit Behinderung bleiben isolierte Maßnahmen. Sie lindern Symptome, ohne die Ursachen anzugehen – nämlich systematische Ausgrenzung und strukturelle Barrieren in Bildung, Arbeit und Gesellschaft.
Besonders kritisch ist, dass solche Programme die Verantwortung von der Politik auf Vereine, Organisationen und Ehrenamtliche abwälzen. Anstatt Inklusion gesetzlich und finanziell verbindlich zu verankern, setzt man auf freiwillige Aktionen und kurzfristige Projekte. Das entlässt Staat und Kommunen aus der Pflicht und lässt Menschen mit Behinderung weiter von Sonderlösungen abhängig bleiben.
Ein Tropfen auf den heißen Stein – das Finanzierungsproblem
Der Inklusionsscheck NRW stellt jährlich 500.000 Euro bereit. Bei 2.000 Euro pro Projekt können maximal 250 Initiativen gefördert werden. Gemessen am tatsächlichen Bedarf ist das ein Tropfen auf den heißen Stein. Viele kleinere Initiativen gehen leer aus, während größere strukturelle Projekte gar nicht erst in Frage kommen.
Anstatt punktuell kleine Beträge zu verteilen, müsste in umfassende Programme investiert werden – von barrierefreien Schulen und Arbeitsplätzen bis hin zu einer inklusiven Stadtplanung.
Fazit:
Der Inklusionsscheck ist besser als nichts, verdient aber kein Lob. Er bietet kleinen Projekten die Chance, Barrieren abzubauen, doch genau hier liegt auch das Problem: Er bleibt ein Tropfen auf den heißen Stein. Es fehlt der politische Wille, Inklusion systematisch anzugehen. Statt langfristiger Lösungen gibt es einmalige Schecks, die zwar helfen, aber keine nachhaltigen Strukturen schaffen. Die spezielle Beantragung und die oft fehlende Nachhaltigkeit zeigen die Schwächen des Systems und zementieren die bestehende Symbolpolitik.