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Kassel (kobinet) Zum 4. Advent hat die kobinet-nachrichten ein Wunschzettel einer Mutter eines behinderten Kindes in Sachen schulische Inklusion erreicht. Sie will nicht, dass ihr Namen genannt wird, weil das evtl. Nachteile für ihr Kind zur Folge haben könnte. Diesem Wunsch kommen die kobinet-nachrichten nach, auch wenn dies wohl eine der stärksten Anzeichen sind, dass etwas nicht stimmt, wenn Menschen sich nicht trauen, ihre Situation zu schildern, weil sie befürchten, dass sie dann Nachteile haben.
Mein Wunschzettel
Unser Sohn wird bald die Schule hinter sich lassen. Ich habe mir viele Gedanken gemacht, woran die Inklusion scheitert und wer oder was unserem Sohn das Leben so schwer gemacht hat. Dazu habe ich bereits einen Text über Nixklusion geschrieben. Leider muss ich feststellen, dass ausgerechnet die Personen, die ihm eigentlich helfen sollten, oft Steine in den Weg gelegt haben. Und das sind die Sonderpädagogen. Wie sagte doch ein schlauer Mensch mal zu mir: Die wurden für die Sonderschule ausgebildet und nicht für Inklusion. Ja, das stimmt leider! Und das merkt man leider auch. Jedenfalls die, die ihm über den Weg gelaufen sind. Ausserdem auch in ihrer Art völlig antiquiert und rückständig. Deshalb hier mein Wunschzettel bzw das, was ich anderen Schülern mit besonderem Unterstützungsbedarf wünsche:
Sonderpädagogen, die…
– die Schüler nicht durch die defizitäre Brille anschauen, sondern die Stärken sehen. Ihm ist es oft passiert, dass minimalste Fehler angekreidet wurden, die bei Regelschülern durchgewunken wurden. Auch hat man oft sein Schriftbild bemängelt, das bei weitem besser war als das von einigen Mitschülern ohne Förderbedarf!
– keine Behinderten-Gruppen bilden, sondern wirkliche Inklusion leben. Bei ihm war es oft so, (sogar an mehreren „inklusiven“ Schulen) dass die Schüler mit Förderbedarf separat unterrichtet wurden und oft gar nicht in die Klasse durften. Auf Nachfrage erfuhr man dann, dass die Förderschüler den Unterricht nicht stören sollten. Dabei gab es in der Klasse Regelschüler, die dauernd des Raums verwiesen wurden, weil sie laut und aggressiv waren. Die aber trotzdem am Unterricht teilnehmen durften.
– Schülern mit Förderbedarf nicht permanent sagen, was sie alles nicht können und den Sonderstatus immer wieder erwähnen. Und nicht versuchen, möglichst vielen Schülern einen Stempel „Sonderpädagogischer Förderbedarf“ aufdrücken. Die ihn teilweise gar nicht brauchen.
– Schülern mit Beeinträchtigungen (und deren Eltern) nicht immer mitteilen, dass sie doch eigentlich auf die Sonderschule gehören und hier falsch sind.
– Eltern nicht als Gegner sehen und ihnen gegenüber ihre Macht demonstrieren, sondern mit ihnen auf Augenhöhe agieren und Informationen über den Schüler und seine Art zu lernen oder seine Besonderheiten oder auch Stärken annehmen.
– Lehrer nicht von den Schülern mit Förderbedarf separieren. Unser Sohn hatte unterm Strich sehr wenig Kontakt zu den Lehrern, die beeinträchtigten Schüler waren oft in einer Parallel-Welt mit Sonderpädagogen in der Schule. So wird der Behinderten-Status zementiert.
– Lehrer auch mit den beeinträchtigten Kindern arbeiten lassen, ohne sich einzumischen. Uns ist es oft passiert, dass die Lehrer auf dem kleinen Dienstweg mit dem Schüler tolle Lösungen erarbeitet haben und von den Sonderpädagogen zurückgepfiffen wurden. Weil sie angeblich keine Ahnung hätten oder die Sonderpädagogen sich übergangen fühlten.
PS: Und über den Etikettenschwindel, mit dem Sonderpädagogen und ihre „Gutachten“ Schülern die Zukunft versauen, wurde ja auch schon oft genug berichtet.
Ich selbst erlebe immer wieder, dass Kinder sehr neugierig sind und oft interessiert auf andere kinder zugehen (können). Egal ob diese Kinder eine Behinderung haben, eine andere Sprache sprechen, anders aussehen oder andere Essensgewohnheiten haben uvm.
Oft versichern sich Kinder jedoch erst die Reaktion der Erwachsenen, wenn sieI ihre Neugier vorsichtig zeigen, ausdrücken, erfragen… ich erlebe sehr häufig, dass bei einer ablehnenden Reaktion der Vertrauensperson (meist Eltern, Lehrer, Erzieher, etc.) es schwierig wird, den Kindern den Mut zu geben, offen für mich als Behinderte Person oder einfach meine Hilfsmittel wie Rollstuhl, Langstock, Smartphone oder auch meine Wünsche an das Kind leicht vermitteln zu können.
Kinder sind offen. Vertrauen aber auf Ihre Bezugspersonen und Lehrkärfte.
Solange ausgebildete Verantwortliche für Menschen mit Behinderungen das Grundgesetz vor allem die § 1 und § 3 der Gleichberechtigung nicht berücksichtigen und uns in Bildungseinrichtungen, in der Öffentlichkeit, in der Freizeit oder auf Ämtern nicht unvoreingenommen und fair behandeln, wird sich leider auch nichts ändern.
Mein Wunsch für 2025:
Nachschulung für alle Beschäftigten aus öffentlichen Steuergeldern sollten bitte alle das Grundgesetz der BRD auffrischen, damit es konsequent von allen Mitarbeitern umgesetzt werden kann.
Inklusion auf dem Papier – Trennung in der Praxis
Das dies Problem auch in der Regelschule / inklusiven Schulen besteht, war mir so nicht bewusst, passt aber zum Gesamtbild.
Diese Erkenntnis hat mich nachdenklich gemacht. Ich bin davon ausgegangen, dass Regelschulen zumindest eine bessere Basis für echte Inklusion bieten. Doch die Erfahrungen, die im Wunschzettel geschildert werden, zeigen das Gegenteil: Inklusion wird versprochen, doch in der Umsetzung bleibt sie häufig eine Illusion. Selbst in sogenannten „inklusiven“ Schulen wird weiter separiert – nur geschickter verpackt.
Diese Entwicklung ist kein Einzelfall, sondern spiegelt ein Grundproblem wider, das sich durch viele Bereiche zieht: Sonderlösungen, die als Fortschritt verkauft werden, aber in Wahrheit alte Strukturen der Ausgrenzung fortführen. Ob in der Schule, auf dem Arbeitsmarkt, im Wohnbereich oder im Sport – überall gibt es diese Parallelsysteme, die Menschen mit Behinderungen in eigene Schubladen stecken.
Wie im Artikel beschrieben, werden Kinder mit Behinderungen in Regelschulen häufig in Sondergruppen abgeschoben, aus dem Unterricht genommen oder von Sonderpädagogen betreut, die sie vom Rest der Klasse trennen. Damit wird der vermeintliche Fortschritt zur Farce. Physisch anwesend, aber sozial isoliert – das ist keine Inklusion, sondern Integration mit neuen Schlagworten.
Die Wurzel des Problems liegt scheinbar im System selbst. Lehrer werden kaum auf Inklusion vorbereitet, Sonderpädagogen oft für Sonderschulen ausgebildet und Eltern als Störfaktoren betrachtet, statt als Partner einbezogen zu werden. Diagnosen und Gutachten dienen häufig mehr der Absicherung des Systems als der Förderung der Kinder.
Die Konsequenzen sind, wie man sieht, gravierend: Kinder mit Behinderungen lernen früh, dass sie „anders“ sind. Sie wachsen mit dem Gefühl auf, nicht dazuzugehören. Dies zieht sich durch ihr weiteres Leben, wo sie in Sonderarbeitsverhältnissen, betreutem Wohnen oder eigenen Sportveranstaltungen erneut separiert werden.
Wirkliche Inklusion kann nur gelingen, wenn diese Sonderstrukturen abgebaut werden. Stattdessen braucht es:
Solange Sonderwege als Lösungen verkauft werden, bleibt Inklusion ein leeres Versprechen. Was wir brauchen, ist keine „schönere Ausgrenzung“, sondern ein echtes Umdenken – in Schulen und darüber hinaus.
PS: Vielleicht sollte Jan Böhmermann das nächste Mal dieses Thema ausführlicher behandeln, anstatt seinen Fokus auf Wahllokale zu setzen, zu denen es immerhin als Alternative die Briefwahl gibt!
KRitik …. Kritik … Kritik …. Was ich mir wünsche, dass dahinter auch Lösungen stehen, denn Politiker*innen hören nur auf Kritik, wenn denen eine Lösung gegenüber gebracht wird. Schade, dass das niemand versteht.
Die Einleitung des Beitrags war etwas verwirrend …. Quellenschutz als Stichwort ….
Ja, Kritik – wohl zurecht. Vielleicht sollten Politiker einfach mal das einlösen, was sie vorher versprochen haben. Wie wäre es damit? Die genannten Probleme zeigen doch, dass viele Versprechen, die Politiker zur Inklusion gemacht haben, bisher nicht eingehalten wurden. Vielleicht wäre ein guter Anfang, wenn sie endlich das umsetzen würden, was sie vor der Wahl so überzeugend angekündigt haben. Wie wäre es, wenn Taten endlich den Worten folgen würden?
ergänzend merke ich hierzu noch an, dass bereits 1973 (!!!) der Deutsche Bildungsrat die integrative Beschulung von Kindern mit und ohne Behinderung empfohlen hat und somit erstmals das Dogma einer bloß an Sonderschulen orientierten sonderpädagogischen Förderung gebrochen wurde, das davon ausging, dass behinderten Kindern und Jugendlichen mit besonderen Maßnahmen in abgeschirmten Einrichtungen am besten geholfen werden könne.
gut gekontert Ralph!
Lösungen gibt es bereits. Deutschland ist aber eben kein Land bei dem eine Regierung entscheidet, sondern wir müssen zwischen Kommunalrecht und Bundesrecht unterscheiden.
Daraus ergibt sich die logische Abfolge dessen, was machbar ist und was nicht.
Bildungspolitik ist immer Kommunalpolitik. Bundespolitische Rahmen sind zwar möglich, aber aufgrund der im Grundgesetz verankerten Hoheitspolitik der Bundesländer, im Bereich der Bildung nur schwer machbar.
Der klassische Blick über den Tellerrand, fehlt häufig, denn gerade im Bereich der Bildung, wäre es gut zum Nachbarn zu schauen. Wenige Bundesländer haben für inklusive Bildung bereits gute Lösungen und diese erfolgreich umgesetzt. Der Kampf dahinter, hat den damaligen Aktivisten allerdings jahrelange Proteste, bis hin zu Großdemos, abverlangt.