
Foto: Hans-Willi Weis
Staufen (kobinet) Wofür steht nochmal das Kürzel VdK? Für „Verband deutsche Kriegstüchtigkeit“? Ich glaube. Hat nicht der Verbandsvorstand jüngst erklärt: Wenn „Soziales, Wirtschaft und Verteidigung einen Dreiklang bilden, dann ist Deutschland stabilisiert“. Mit „Verband“ ist natürlich der Mullwickel gemeint, den Leute um den Kopf tragen, die solche Erklärungen von sich geben. Die Mullbinde soll verhindern, dass ihnen ihr Restverstand nicht auch noch wegfliegt, wenn die anfliegenden Langstreckenraketen aus allen Himmelsrichtungen ihnen um die Ohren fliegen.
Fliegende Untertassen
Ich fürchte nur, wer einen Dreiklang-Stuss wie die VdK-Spitze auf ihre Verbandsmitglieder loslässt zu einem Zeitpunkt, da nüchterne Analysten nurmehr darüber uneins sind, ob der Dritte Weltkrieg unmittelbar bevorsteht oder nicht schon begonnen hat – dass Realitätsverleugner dieses VdK-Kalibers, sobald ihnen das in Ost und West angehäufte Verteidigungsmaterial um die Ohren fliegt, uns versichern werden, es handle sich um fliegende Untertassen höherer außerirdischer Intelligenzen, die zu einem weltweiten Dreiklangkonzert sowohl die Air Base Ramstein anfliegen als auch den den Roten Platz in Moskau. – Von einem Verbandsvorstandsverstand wie dem vdk-schen Schachmatt gesetzt, verstehe ich jedes Verbandsmitglied, das mir sagt, pardon, ich tu mich gerade schwer, mein Kopf ist leer, bin doch auch bloß ein einfacher Verbandssoldat. So wie unser
Verteidigungsminister Pistorius, der neulich sagte, er sei nur ein einfacher Parteisoldat (seiner SPD, das Kürzel steht für Soldatenpartei Deutschlands, glaube ich).
Wie kann ein Verband seine Herkunft derart verleugnen?
Das Kürzel steht natürlich nicht für „Verband deutsche Kriegstüchtigkeit“. Vielmehr für den größten Sozialverband Deutschlands mit 2,2 Millionen Mitgliedern. Woher rührt dann aber der dritte Buchstabe im Verbandsnamen, das ominöse K ? Hätte man eigentlich längst streichen müssen, dieses verschämte Überbleibsel, das mitnichten für Kriegstüchtigkeit steht. Es steht für „Kriegsbeschädigte, Kriegshinterbliebene und Sozialrentner Deutschlands“ – dabei wird einem einmal mehr bewusst, wie irre dieses aktuelle Verteidigungsgefasel des heutigen Verbandsvorstands doch ist. Gegründet wurde der Kriegsversehrtenverband 1950, kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs von Kriegsüberlebenden, um die Interessen von Kriegsbeschädigten, Witwen und Waisen zu vertreten. Und die derzeitigen Nachlassverwalter dieses Verbandes entblöden sich nicht, von einem Deutschland stabilisierenden Dreiklang von Sozialem, Wirtschaft und Verteidigung zu schwafeln, ohne ein Sterbenswort darüber verlauten zu lassen, dass die Welt in diesem Augenblick im Begriff ist, in den nächsten großen Krieg zu schlittern.
Doch die Frage in ihrer die Gemüter erhitzenden Zuspitzung einmal beiseite gelassen, ob nämlich Rüstung und immer mehr Waffen für Sicherheit sorgen oder einer erneuten Weltkriegskatastrophe nicht eher Vorschub leisten. Und sie stattdessen auf die realpolitische Feststellung herunterkühlen, jeder Staat müsse halt Gelder für seine Verteidigung aufbringen. Dies unterstellt, was heißt das unter den gegenwärtigen gesellschaftlichen und politischen Bedingungen? Wer eins und eins zusammenzählen kann und die Realität nicht ausblendet, weiß, hier und heute bedeutet dies, Umverteilung von der Sozialkasse in die Kriegskasse, euphemistisch Verteidigungsetat genannt. Davor die Augen zu verschließen und als Sozialverband der eigenen, von dieser Umverteilung am heftigsten betroffenen Klientel etwas von einem harmonischen Ausgleich zwischen sozialer
Gerechtigkeit, Wirtschaft und Verteidigung vorzuschwadronieren, ist eine Frechheit und beleidigt den Verstand. Für wie dumm oder naiv halten diese Verbandsoberen ihre Mitglieder?
Mein persönlicher Rettungsanker, Musik und Meditation
Im Ernst, von Tag zu Tag beschleicht mich mehr der Eindruck, die gesellschaftlich und politisch Tonangebenden verhalten sich in einer Mischung aus Frivolität und Ignoranz, als wären sie komplett irre. Und die große Masse der ihrem Wahnwitz Ausgelieferten lässt sich widerstandslos wie eine Herde Lämmer zur Schlachtbank führen, heiße sie nun Krieg oder Klimakollaps. – Um in Anbetracht eines besinnungslosen Taumels am Abgrund nicht in Depression zu fallen, helfen mir persönlich einstweilen zwei Rettungsanker. Die Musik und die Meditation.
Zum Beispiel Musik von Schostakowitsch. Vielleicht spricht sie mich momentan auch deshalb besonders an, weil er in einer Zeit gelebt und überlebt hat und komponierte, die noch einen Tick irrer und mörderischer gewesen ist als die, in die wir augenblicklich hineinschlittern. Seine Musik war ihm nicht zuletzt in ihrem emotionalen Ausdrucksspektrum ein seelisches Überlebensmittel und seinem Geist war sie ein Immunschutz gegen den ihn umgebenden Wahnsinn. So empfinde ich es auch beim Hören seiner Musik. Und mir scheint, sie ist „unkaputtbar“, noch die ziemlich abgenudelte Jazz-Suite versetzt mich auf der Stelle mit den ersten Takten in eine schwebende Leichtigkeit, gleich einer mich schwerelos der Dummheit, dem Lärm und Geschwätz der Welt enthebenden Levitation. (Eine Annäherung, biographisch und musikalisch bietet das Hörbuch von Jürg Handstein, „Schostakowitsch, doppeltes Spiel, eine Hörbiographie“, gelesen u.a. von Ulrich Matthes)
Musik besteht aus Ton und Stille. Die Meditation, der andere Rettungsanker, setzt ganz auf die Stille. Die den Meditierenden oder die Meditierende in der gestillten Mitte des rasenden Wirbelsturms wie eine heilsame Hülle umfängt. Ausprobieren. – Okay, damit höre ich auch schon auf, werd mich nicht auf meine alten Tage noch in einen Ratgeber-Fuzzi verwandeln. Bloß dies eine noch: Weil ich die VdK-VorständlerInnen echt hart angegangen bin, ihren Deutschland stabilisierenden Dreiklang aus Pflegenotstand, Profitmaximierung und Panzerkettenrasseln oder kurz Pflege, Profit und Pistorius. Und denen doch Verena Bentele vorsitzt, eine von uns Behinderten. Ich unterstelle ihnen keinerlei Arglist, sie sind überzeugt, das Richtige zu tun und ich bin halt in der Sache anderer Meinung als sie. Bei solchem Dissens die Andersdenkenden nicht zu verachten und zu hassen – auch dabei unterstützt einen die Meditation. Erst mit Verachtung und Hass, nicht schon mit Kritik, selbst einer leidenschaftlich vorgetragenen, beginnt jener Krieg im Kopf, woraus dann, kommen genügend kriegerische Köpfe zusammen, am Ende Weltkriege entstehen. Dem vorzubeugen, in dem man in der meditativen Stille in sich ein Gefühl des Wohlwollens aufsteigen lässt, auch den Andersdenkenden, politischen Gegnern und selbst Feinden gegenüber, dabei hilft speziell die buddhistisch inspirierte „ Liebende Güte Meditation“.
P.S. Erfahren von der VdK Vorstandserklärung habe ich aus dem Newsletter der Neuen Norm. Der bringt jedes mal auch eine reichhaltige Auslese von Nachrichten, Kommentaren und Kolumnen aus den kobinet nachrichten. Leider werden dabei meine Kriegs- bzw. Antikriegskolumnen regelmäßig aussortiert. – Wenn Sozialhelden an Erschöpfung leiden, fühle ich mit und habe dafür Verständnis. Wenn sie jedoch der Leserschaft ihres Newsletter die abweichende Meinung anderer Stimmen aus der Behindertencommunity vorenthalten, so habe ich dafür kein Verständnis.
Zueignen möchte ich diese Kolumne dem Behinderten-und Friedensaktivisten Daniel Horneber, 35 Jahre jünger als ich. Seine konsequent antimilitaristische Haltung bestärkt mich in dem Gefühl, dass meine mit der seinigen übereinstimmende Position nicht etwa einen beginnenden Altersstarrsinn entspringt.