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Wieder neue Werkstatt geplant: Kirchenbau soll Werkstatt für seelisch Behinderte werden

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Foto: Irina Tischer

Oldenburg (kobinet) Die Bemühungen für einen inklusiven Arbeitsmarkt mit einer entsprechenden Bezahlung scheinen ein Kampf gegen Windmühlen zu sein. Nicht nur, dass die Übergangsquoten aus Werkstätten für behinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt immer noch unter einem Prozent pro Jahr liegen, es werden auch immer wieder neue Werkstätten für behinderte Menschen errichtet, bzw. diese sogar massiv modernisiert. Vom Auftrag der UN-Behindertenrechtskonvention, das Exklusionssystem Werkstatt zu inklusiven Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt umzuwandeln, bleibt in weiten Teilen Deutschlands ungehört - es werden sogar immer wieder neue Werkstätten gebaut. Diesen Schluss kann man ziehen, wenn man die Schlagzeile eines aktuellen Berichts der Evangelischen Zeitung liest. Diese lautet: "Kirchenbau soll Werkstatt für seelisch Behinderte werden".

„Die evangelische Versöhnungskirche der Oldenburger Kirchengemeinde Ohmstede soll eine Werkstatt für Menschen mit seelischen Beeinträchtigungen werden. Die Kirchengemeinde und die ‚Gemeinnützigen Werkstätten Oldenburg‘ stellten am Mittwoch das neue Konzept vor. Die Gemeinde will das Sakralgebäude im nächsten Jahr wegen zurückgehender Mitgliederzahlen aufgeben und entwidmen“, heißt es im Bericht der Evangelischen Zeitung.

Link zum Bericht vom 20. November der Evangelische Zeitung

Bei den verschiedenen Veranstaltungen mit Lesungen aus dem Roman „Zündeln an den Strukturen“ mit Ottmar Miles-Paul hat sich in der letzten Zeit gezeigt, was alles möglich ist, wenn Inklusion auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gewollt und gefördert wird. In der Region Kaiserslautern wurden beispielsweise mittlerweile über 130 behinderte Menschen mit Hilfe des Budget für Arbeit auf Stellen des allgemeinen Arbeitsmarkts vermittelt. Inklusionsbetriebe zeigen, dass die sozialversicherungspflichtige und faire Beschäftigung behinderter Menschen möglich ist. Doch immer wieder werde die Schublade Werkstatt aufgemacht und nach althergebrachten Lösungen gegriffen. Das scheint für die Leistungserbringer der Wohlfahrt immer noch sehr attraktiv und einfach zu sein, kritisiert Ottmar Miles-Paul derartige Entwicklungen. Vor allem kritisiert der Behindertenrechtler das lange Zögern der Ampelkoalition bei der anvisierten Reform des Werkstättensystems. Außer viel Gerede sei hier nichts passiert und werde wohl auch nichts mehr nach dem Zerplatzen der Ampelregierung kommen. Leidtragende seien behinderte Menschen, die nicht für 1 bis 2 Euro in den Werkstätten malochen wollen und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten wollen.

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M. Guenter
24.11.2024 19:12

Hmm,
ich verstehe die Aufregung nur teilweise.
Klar sollte eine Vollinklusion Ziel sein, aber mal ganz ehrlich, dafür ist die Gesellschaft noch nicht bereit – geschweigedenn sie könnte den Preis dafür zahlen.
Klar kann man sich den Part schönrechnen, sind ja nur schlappe 7,5 Milliarden pro Jahr, wenn jeder mit Vollzeit in der WfbM Mindestlohn erhält und über ein Budget für Arbeit 75% der Lohnkosten durch den Steuerzahler erstattet werden. Nur dummerweise kämen auf die Kosten noch Unterstützungskosten hinzu und die beziehen sich bei einem großen Teil der Leistungsberechtigten auch auf Sachleistungen, die man eben in einem normalen Betrieb nicht einfach so nebenher abbilden – weder die Leistung, noch das es Erbringer dafür gibt – kann!
BTW: Das BTHG ist ein Leistungsrecht, welches aus der Perspektive und anhand der Bedarfe von Menschen mit Körperbehinderung geschrieben wurde – das ist nett für mich, weil ich der Gruppe angehöre, dennoch wird hier vieles als Protonormal unterstellt, was die Lebenswirklichkeit anderer Gruppen, sei es aus dem Bereich Sucht, psychische Erkrankung oder kognitiver Beeinträchtigung ganz anders wahrgenommen wird – oder gar nicht, aber das legitimiert den Paternalismus von Körperbehinderten ebenfalls nicht!
Zu Thema:Ich finde das gut einen Bau der Kirche in eine Werkstatt umzuwandeln – in meinem Tätigkeitsbereich hat dies schon einmal ein Träger getan und – oh Wunder – die Leistungberechtigten sind total happy damit, gute Akustik, kein Werkshallencharakter und statt auf der grünen Wiese mitten im Sozialraum…