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Berlin (kobinet) Das Zeitgeschichtliche Forum Leipzig zeigt Fotos von Martin Jehnichen aus den Jahren 1988 bis 1990. Als Student aus Westdeutschland war er mittendrin bei den Protesten am 40. Gründungstag der DDR und fotografierte das brutale Vorgehen der Staatsmacht. Wie so viele Protestler wurde Jehnichen geschlagen, verletzt und festgenommen. Aufgrund seines bundesdeutschen Passes kam er aber rasch frei und wurde des Landes verwiesen. Nach dem Fall der Mauer kam er zurück und lebt bis heute in der Leipziger Südvorstadt.
Jehnichens belichtete Filme vom 7. Oktober 1989 wurden beschlagnahmt. Erhalten blieben zum Teil unscharfe und verwackelte Aufnahmen, die mit einer kleinen Leica-Kamera „aus der Hüfte geschossen“ worden sind. Die Leica war nur schwer zu öffnen . Für die Kuratorin Henrike Girmond bilden diese Aufnahmen das „Herzstück“ der Ausstellung.
Die sehenswerte Schau im barrierefreien Haus spiegelt Alltag und Verfallserscheinungen des sozialistischen Staates, Aufbegehren im Herbst 1989 und Umbruchsphänomene des Jahres 1990 bis zum Beitritt der DDR zur BRD wider. Von Bertolt Brecht stammt der Ausstellungstitel „Die Widersprüche sind unsere Hoffnung“. Sie liegen zwischen Anspruch und Wirklichkeit, Aufbegehren und Repression, Hoffnung und Enttäuschung,
Martin Jehnichen, 1962 in Karlsruhe geboren und in Tübingen aufgewachsen, verbringt als Kind die Ferien oft bei den Großeltern im sächsischen Freiberg. 1988 nutzt der Student für Fotodesign und visuelle Kommunikation in Bielefeld, die Chance auf ein Austauschsemester in Leipzig an der Hochschule für Grafik und Buchkunst.
„Trotz der familiären Bindungen ist für Martin Jehnichen der Studienaufenthalt eine Reise in eine fremde Welt. Seine Fotos zeigen einerseits Empathie und Sympathie für Land und Leute, bezeugen andererseits den „Blick von außen“ klassischer Reportage-Fotografie, die Besonderheiten und Widersprüche aufdeckt“, erfährt der Besucher aus einem Faltblatt der Ausstellung.
Ende 1989 gründet Jehnichen mit Mitstreitern die Foto-agentur „transit“ in Leipzig. Inzwischen Mitglied der laif-Agentur für Fotos und Reportagen, ist Martin Jehnichen nach wie vor als Fotograf sowie im Bereich visuelle Kommunikation aktiv.