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Staufen (kobinet) Der neue Goldstandard demokratischer Wehrhaftigkeit und Kriegstüchtigkeit. Sicherheit + Verteidigung = Veteranentum + Rheinmetall = elementare Eckpfeiler unserer Demokratie. – Rheinmetall gleich Waffenschmiede, Veteranentum gleich bereits erfolgter erfolgreicher Waffengebrauch bei Feindberührung. Aufgestellt hat diese Superformel wehrhafter Demokratie der unbekannte Fußballer Fatzke, Verteidiger auf dem Spielfeld wie auf dem Schlachtfeld sind ihm Europameisterschaft und Veteranentag gleich wichtig.
An diesem 15. Juni geht (parallel zur beginnenden EM) die Nullnummer des kürzlich parlamentarisch beschlossenen Veteranentags unspektakulär, quasi als Rohrkrepierer, über die Bühne. Gefeiert mit Pauken und Trompeten, Marschmusik und Zapfenstreich, Kanonendonner, was weiß ich, wird erst ab nächstem Jahr. Wie nötig wir schlappe BundesrepublikanerInnen (und von unsereins soll sich keine und keiner auf seine Behinderung herausreden) das kriegsertüchtigende Tammtamm haben, bezeugte jüngst eine repräsentative Leseprobe. Neun von zehn LeserInnen verlesen sich noch immer regelmäßig beim Wort „Veteranentag“. Sie lesen „Veterinärstag“ und maulen dementsprechend, was brauchen wir einen Veterinärstag, den Tierärzten geht es gut und die Maul- und Klauenseuche ist seit langem auf dem Rückzug. Dass dafür eine andere Seuche längst im Anzug ist, die Erschlaffungs- und Schlappmacherseuche, die unsere Wehrkraft zersetzt und ein echtes Sicherheitsrisiko darstellt, dringt überhaupt nicht in ihr Bewusstsein. Darum bedarf es schon zur heutigen Veteranentags-Nullnummer einer echten soldatischen Willkommenskultur, gemäß dem Marschbefehl: Gediente vortreten, Schlappschwänze und Schlaffmösen zurück ins Glied und aus der Schusslinie. – Näheres dazu in der nachfolgenden Kolumne.
Tucholsky hatte Unrecht: Soldaten sind keine Mörder
Der seinerzeit nicht unumstrittene und von der auch damals verbreiteten pazifistischen Seuche befallene Publizist der Weimarer Republik Kurt Tucholsky lag vollkommen falsch mit seiner skandalösen Behauptung, „Soldaten sind Mörder“. So wenig wie ein Dachdecker, der das Dachdeckerhandwerk beherrscht, damit automatisch auch ein Dach deckt, so wenig morden Soldaten und Soldatinnen sofort drauflos, nur weil sie das Mordhandwerk beherrschen. Ganz davon abgesehen, dass die Beherrschung des soldatischen Tötungshandwerks den letztendlichen Zweck verfolgt, Leben zu retten, wie unsere Außenministerin und zahllose andere Spitzenpolitiker zu betonen nicht müde werden. Und wie uns dies, die Erfüllung des soldatischen Lebensrettungsauftrags, der Krieg in der Ukraine und in Palästina, im Heiligen Land, christlich abendländisch gesprochen, tagtäglich plastisch vor Augen führt. Man braucht also nur hinschauen, um im Bilde zu sein, Soldaten und Soldatinnen sind Lebensretter und keine Mörder, alles andere wäre eine böswillige Tatsachenverdrehung.
Und für den Fall, dass beim Lebensrettungsunternehmen Krieg doch auch hin und wieder der eine oder andere feindliche Kombattant aus dem Weg geräumt werden muss (Zivilisten werden bekanntlich systematisch verschont), für diesen kriegerischen Ausnahmefall handeln die Soldaten und Soldatinnen der Bundeswehr nach dem woken Trainingsprogramm: Zuverlässig zielen und achtsam Töten. – Einfach drauflos ballern, womöglich wahllos, wäre zudem Materialverschwendung und falls vorsätzlich auch noch strafbar nach Paragraph So-und-So der Materialschonungsdienstpflicht. Doch will ich nicht weiter in die Einzelheiten gehen als inkompetenter Zivilist und Kolumnist, der ohne jede eigene soldatische Leistung Tag für Tag seine ihm vom staatlichen Wehretat garantierte Friedensdividende einstreicht.
Soldatisch professionelle Lebensrettung: Zuverlässig zielen und achtsam töten
Zurück zum eigentlichen Anlass, zum Stein des Anstoßes, zum Casus Belli oder wie soll man sagen, manchmal fehlen einem einfach die Worte. Für diesen doch im Grunde freudigen Anlass, die Feier des bundesrepublikanischen Veteranentags, wie er bei den in soldatischer Traditionspflege und Heldenverehrung unbefangeren Angelsachsen, Engländern und Amis, seit eh und je bedenkenlos gefeiert wird. Dort lassen sie sich die Feierlaune durch pazifistische Hemmschwellen nicht verderben, das Freudenfest der Kriegsheimkehrer und Altgedienten wird barrierefrei abgefeiert. Gleichviel mit wie vielen Blessuren und was für Auszeichnungen und Orden geschmückt die Helden Einzug halten in die heimatliche Arena. Eben noch mitten im lebhaften Kampfgeschehen eines Schlachtfeldes, kehren sie an eine nicht minder bewegte Heimatfront zurück, die sie mit Ehrungen und Konfetti überhäuft. Und selbst dieses Höchstmaß an öffentlicher Anerkennung hindert nicht, dass viele der gefeierten Kriegsheimkehrer zuhause in Trübsinn verfallen, alkoholisiert und traumatisiert etwa vor Supermärkten herumlungern und in den USA täglich zirka 22 der Bemitleidenswerten Selbstmord begehen (wie unlängst einem Radiofeature zu entnehmen). In Wahrheit möchte man sie schütteln und mit den Worten zur Besinnung bringen, aber das ist doch alles ein schreckliches Missverständnis! Macht euch nicht zu Opfern, ihr seid Täter, Helden, tätige Helden, heldenhafte Täter! – Alles gutgemeinte Zureden hilft jedoch denen nicht, welche die PTBS, die posttraumatische Belastungsstörung, fest und unerbittlich im Griff hat. Da muss psychologisch geschultes Fachpersonal ran, anders geht es nicht.
So etwas kann man nicht anstehen lassen und mehr noch muss ihm vorgebeugt werden. Letzteres hat sich wohl Prinz Harry gesagt, als ihm die glorreiche Idee der „Invictus Games“ kam. Man tauft die Kriegsversehrten, die Kriegsinvaliden, einfach mal um in „Unbesiegbare“. „Invalid“, was im Deutschen wie im Englischen soviel wie „wertlos“ bedeutet, wird zu „invictus“, also unbesiegt und gleich sieht die Welt viel besser aus. Kopf hoch! Und wenn aus dieser Umbenennung auch noch heitere Spiele werden, Paralympics der Kriegskrüppel sozusagen, dann ist die Welt endgültig wieder in Ordnung. Eine Welt, in der Krieg und Kriegsversehrtheit so selbstverständlich gehören wie das Amen in der Kirche.
Die wichtigsten Daten zu Prinz Harrys Invictus Games
Eine wichtige Information für potentielle BewerberInnen und ansonsten für alle, die Sport, Spiel und Spannung lieben. Die Datenzusammenstellung hat Daniel Horneber besorgt, ein Behindertenaktivist in mittleren Jahren, der, so könnte man ihn missverstehen, seine behinderungsbedingt mangelhafte Kriegstüchtigkeit durch die Nützlichkeit einer militarismuskritischen Recherchetätigkeit kompensiert. – Unter der Überschrift „Warum die Invictus Games nicht Inklusiv sind und nie wieder stattfinden sollten“ schreibt Daniel Horneber:
Die Invictus Games wurden von Prinz Harry, Duke of Sussex, 2014 ins Leben gerufen. Sie sind eine paralympische Sportveranstaltung für im Krieg verletzte Soldat*innen. Sie sind also eine militaristische Propagandaveranstaltung für die Held*innen der Kriege des Westens und dessen Verbündeten. Verletzte Soldat*innen der Bundeswehr nehmen seit Anfang an daran teil.
Zur Geschichte vergangener Invictus Games: Die ersten Invictus Games fanden vom 10.–14. September 2014 in London mit 400 Teilnehmer*innen aus 13 Nationen statt. Die teilnehmenden Länder waren: Afghanistan, Australien, Dänemark, Deutschland, Estland, Frankreich, Georgien, Italien, Kanada, Niederlande, Neuseeland, Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten. In Orlando/USA fanden vom 8.-12. Mai 2016 die zweiten Invictus Games statt. 487 Teilnehmer*innen waren in Orlando am Start. Neben den bereits in 2014 teilnehmenden Staaten kamen Jordanien und der Irak dazu. Die dritten Invictus Games wurden vom 23.–30. September 2017 in Toronto mit 539 Teilnehmer*innen durchgeführt. Es waren 17 Länder am Start, neben den bereits genannten Staaten nahmen noch Rumänien und die Ukraine teil. Die vierten Invictus Games fanden vom 20.– 27. Oktober 2018 in Sydney statt. 491 Sportler*innen aus 18 Ländern waren am Start, neu hinzu kamen Sportler*innen aus Polen. Die Invictus Games vom 16.–22. April 2022 in Den Haag: Über 500 Teilnehmer*innen aus 20 verschiedenen Nationen waren am Start.
2023 fanden die Invictus Games nun leider in Düsseldorf statt, dort waren über 500 Sportler*innen aus 23 Nationen am Start. Ich bin sehr froh, dass diese Veranstaltung nicht ohne Proteste stattgefunden hat. Die Proteste wurden durch linke Organisationen der Friedensbewegung organisiert. Die Behindertenbewegung war aus meiner Sicht zu schwach vertreten. Warum die Behindertenbewegung niemals Militarismus tolerieren darf und für Abrüstung und Frieden auf die Straße gehen sollte, liegt auf der Hand. Krieg kann niemals zur Inklusion beitragen, denn Krieg ist eine der größten von Menschen gemachte Ursache von Beeinträchtigungen/Behinderung weltweit. Leider nimmt mit Kolumbien auch ein Land mit linker Regierung an den Invictus Games teil. Sport sollte aus meiner Sicht die Völkerfreundschaft fördern, aus diesem Grund fordere ich auch die Beendigung der Sportförderprogramme durch die Bundeswehr. Dies sollte meines Erachtens für Parasportler*innen ebenso wie für nicht behinderte Sportler*innen schon ab 2024 in Paris gelten.
KolumneleserInnen sei zur Vertiefung das Youtube mit Daniel Horneber empfohlen: „Invictus Games“ – Militarismus und Inklusion https://www.youtube.com/watch?v=NfQLMFkb6UM
Grenzenlos Bock auf einen Superjob
Lange habe ich darüber gegrübelt, welche Inschrift sich für eine zeitgemäß gestaltete goldene Ehrennadel für kriegsheimkehrende Veteranen und Veteraninnen der Bundeswehr am besten eignen würde. Und bin zum folgenden Inschriftsvorschlag gelangt: „Militärisch Auge um Auge haben wir auf Augenhöhe und im großen Stil Putins Attacken auf unsere Werte tapfer zurückgeschlagen, bis nichts mehr von ihnen übrig war.“ – Der Inschriftstext eignet sich vorzüglich zum Meditieren. Etwa darüber, was nach dem Zurückschlagen von unseren Werten noch übrig ist. Eine Übung in Nachdenken, die auch noch bei PTBS mit milder Verlaufsform praktizierbar erscheint.
Worüber ich noch nachgedacht habe, was würde denn vorbildliche Veteranen charakterisieren? Die Antwort fiel mir ein, als unser vorbildlicher Verteidigungsminister unlängst äußerte, „Ich habe noch immer Bock auf den Job“. Da es zum Soldatischen gehört, auf Kommando hin Losungsworte oder kurze Sätze zu brüllen, schlage ich zur Charakterisierung vorbildlichen Veteranentums für den nächstjährigen ersten echten Veteranentag dies vor: In Kompaniestärke antreten (die mit Prothese und Krückstock vorneweg) und von der schwarzrotgolden girlandengeschmückten Tribüne aus in die jubelnd-johlende Festversammlung brüllen, „wir haben noch immer Bock auf den Job“.
Post Scriptum: Schwarze Säcke
Unsere Eloge auf den deutschen Veteranentag hat sich eine kritische Ergänzung verdient. Auf der Jubelfeierbühne sind nicht alle Kategorien von Veteranen repräsentiert, es fehlen die Gefallenen, die noch im Tode Unbesiegten. Über deren Heimkehr unterrichtet exemplarisch eine Stelle aus Andrej Kurkows „Tagebuch einer Invasion“ am Beispiel des Kriegs in der Ukraine: „Begleitende Soldaten tragen schwarze Säcke mit den sterblichen Überresten der Toten in die Leichenhalle, damit Rechtsmediziner ihr Arbeit aufnehmen können. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, die Soldaten zu identifizieren, damit die sterblichen Überreste an Verwandte zur Beerdigung übergeben werden können. Wenn der Verstorbene Tätowierungen hatte, erleichtert das die Arbeit, aber die schwarzen Leichensäcke enthalten nicht immer den ganzen Körper eines Soldaten, oft sind nur die Knochen oder ein Schädel darin, manchmal nur Knochenfragmente. Verwandte von Kriegsvermißten geben DNA-Proben ab, damit die Behörden ihre verstorbenen Angehörigen leichter und schneller identifizieren können. Die Leichen werden eins zu eins ausgetauscht, ein toter ukrainischer Soldat gegen einen toten russischen.“ (S.312) – „Alle Straßen münden in schwarze Verwesung.“ Georg Trakls „Groddeck“ des Ersten Weltkriegs liegt in der heutigen Ukraine. Der derzeitige Krieg in der Ukraine mündet in schwarze Säcke.