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Neue Thüringer Bauordnung legt Rückwärtsgang ein – Barrierefreies Bauen wird erschwert

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Foto: Irina Tischer

Erfurt (kobinet) Der Thüringer Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen Joachim Leibiger hat mit Unverständnis auf die beabsichtigte Novellierung der Thüringer Bauordnung reagiert. Der für das Gesetzgebungsvorhaben zuständige Infrastrukturausschuss habe Kritik und Warnungen des Beauftragten, von Verbänden und der Architektenkammer Thüringen offensichtlich nicht zur Kenntnis genommen und den Weg frei gemacht für eine Verabschiedung durch das Plenum in dieser Woche. "Thüringen benötigt aufgrund des demografischen Wandels wie kein anderes Bundesland barrierefreie Wohnungen. Der nun im Landtag zur Abstimmung stehende Gesetzentwurf bewegt sich trotz dieser Tatsache und der aus der UN-Behindertenrechtskonvention folgenden Verpflichtungen in die entgegengesetzte Richtung", kritisiert Joachim Leibiger.



„Anstatt die Barrierefreiheit als Standard in neu gebauten Wohnungen zu etablieren, wie dies beispielsweise Nordrhein-Westfalen macht, müssen in Thüringen zukünftig nur ein Bruchteil neuer Wohnungen und diese nur barrierefrei zugänglich, aber nicht nutzbar sein. Rollstuhlgeeignete Wohnungen müssen im Gegensatz zu heute überhaupt nicht mehr gebaut werden. Wieder aufgenommen wurde die Regelung, aufgrund eines ‚unverhältnismäßigen Mehraufwands‘ auf das barrierefreie Bauen verzichten zu können. In der letzten Novellierung vor 10 Jahren erkannte man die gesellschaftliche Notwendigkeit sowie den Mehrwert vom barrierefreien Bauen und strich diese Ausnahmeregelungen. Der sogenannte unverhältnismäßige Mehraufwand wird gerechtfertigt mit schwierigen Geländeverhältnissen, ungünstiger vorhandener Bebauung oder mit der Sicherheit von Menschen mit Behinderungen. Gerade Letzteres ist völlig aus der Zeit gefallen und blanker Zynismus. Für Thüringerinnen und Thüringer mit Behinderungen oder ältere Menschen ist dies eine Zumutung. Ich bin maßlos enttäuscht“, betonte der Landesbehindertenbeauftragten von Thüringen.

Die Thüringer Bauordnung lege damit in Sachen Barrierefreiheit den Rückwärtsgang ein und erschwere das barrierefreie Bauen. „Ich kann nur an alle Abgeordneten im Thüringer Landtag appellieren, noch einmal ihr Abstimmungsverhalten zu hinterfragen und Änderungen am Gesetzestext zu verlangen“, führt Joachim Leibiger aus.

Hintergrund:

Die Thüringer Bauordnung ist das wichtigste Gesetz für das Bauen in Thüringen. Anforderungen gelten nur für Neu- und Umbauten. Vorhandene Bausubstanz fällt unter den sogenannten Bestandsschutz. Dieser besagt, dass vorhandene Gebäude nicht umgebaut werden müssen, wenn sich die baurechtlichen Vorgaben geändert haben.

Link zur Stellungnahme der Architektenkammer Thüringen