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Über 190 Verbände fordern Schutz vor Diskriminierung für behinderte Menschen in Migrationspolitik

Kleines Mädchen mit einer Gehhilfe
Kleines Mädchen mit einer Gehhilfe
Foto: privat

Berlin (kobinet) Die jüngsten Gesetzesverschärfungen im Asyl- und Einbürgerungsrecht verletzen nach Ansicht des Berliner Zentrum für selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen (BZSL/BNS) die körperliche Unversehrtheit und Demokratiefähigkeit von Geflüchteten und Migrant*innen mit Behinderungen. Daraufhin wurde am 15. März 2024 ein Brandbrief mit politischen Forderungen an die Integrationsministerkonferenz gerichtet, der von über 190 Fachverbänden und 80 Einzelpersonen unterzeichnet wurde. Das Ziel sei, mit einem vielfältigen Bündnis ein langfristiges Signal für die "unsichtbare und vergessene Gruppe von Geflüchteten und Migrant*innen mit Behinderungen“ zu setzen. Die Unterzeichnung ist noch bis zum 5. April 2024 per E-Mail an [email protected] möglich. Alle Informationen und barrierefreien Übersetzungen des Briefes gibt es auf der BZSL-Website.

Anlässlich der drastischen Gesetzesverschärfungen im Migrationsrecht hat das Berliner Zentrum für Selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen (BZSL) im Berliner Netzwerk für besonders schutzbedürftige geflüchtete Menschen (BNS) mit Unterstützung des Dachverbands der Selbstvertretungsorganisationen behinderter Menschen Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) einen bundesweiten Brandbrief initiiert. Innerhalb von nur knapp zwei Wochen wurden über 270 Unterzeichnungen von diversen Fachverbänden und Einzelpersonen gesammelt und es werden laufend weitere Unterzeichnungen entgegengenommen. Der Brandbrief mit seinen politischen Forderungen wurde am 15.03.2024 den zuständigen Minister*innen und Senator*innen für Integration im Zuge der 19. Integrationsministerkonferenz übermittelt.

Hintergrund der Initiative sind die jüngsten Gesetzesverschärfungen des Asylbewerberleistungsgesetz und Staatsangehörigkeitsgesetz, die der Bundesrat am 2. Februar 2024 billigte. „Insbesondere wurden die Rechte und Belange von Geflüchteten und Migrant*innen mit Behinderungen (einschließlich chronischer Erkrankungen, psychischer Beeinträchtigungen, Älterer mit Pflegebedarf) und ihren pflegenden/assistierenden Angehörigen missachtet. Die Aberkennung ihres notwendigen Bedarfs an Sozialleistungen, der für die Schaffung einer gleichberechtigten Grundlage unerlässlich ist, verletzt ihre körperliche Unversehrtheit und Demokratiefähigkeit“, so die Beraterin des BZsL Gina Schmitz.

Besonders dramatisch erleben die BNS-Fachstellen die Situation für geflüchtete Kinder und Jugendliche mit Behinderungen, die nun drei Jahre lang einer eklatanten Unterversorgung ausgesetzt sind: „Die existenzbedrohlichen Ausmaße der bisherigen Restriktionen erleben wir schon seit Jahren – die jetzigen Verschärfungen haben jedoch eine derart besorgniserregende Dynamik entwickelt, dass sofortige Handlungsmaßnahmen notwendig sind, um das Grund- und Menschenrecht auf ein gesundheitliches und soziokulturelles Existenzminimum nicht zu gefährden. Wir fordern daher eine schriftliche Stellungnahme im Zuge der Integrationsministerkonferenz, spätestens bis zum 5. April 2024“, so Nicolay Büttner, zuständig für die politische Arbeit im BNS.

Trotz dieser alarmierenden Entwicklungen erleben das BZSL und BNS den großen Zuspruch des Brandbriefes als ermutigend: „Es ist das erste Bündnis dieser Art, das aus der Selbstvertretung und Basis-Ebene („Grassroots“) ins Leben gerufen wurde. Wir freuen uns besonders, dass sich so viele Selbstvertretungsvereine im Bereich Behinderung und Migration/Flucht zusammengeschlossen haben“, so der Selbstvertreter Badran Ramadan.

Doch auch andere Akteur*innen wie etwa Menschenrechtsorganisationen, Wohlfahrtsverbände, Träger von sozialen Dienstleistungen, Berufsverbände, ärztliche und psychotherapeutische, juristische und wissenschaftliche Akteur*innen sowie weitere soziale Organisationen auf Bundesebene (44), Landesebene (80), regionaler Ebene (68) und als Einzelperson (82) haben sich solidarisiert und zu einem vielfältigen Bündnis beigetragen.

„Wir hoffen, dass dieses Bekenntnis nun zu einer Mobilisierung von Politik und Verwaltung beiträgt und ein langfristiges Signal für die Anerkennung und Bekämpfung der Diskriminierungserfahrungen der so häufig unsichtbaren und vergessenen Gruppe von Geflüchteten und Migrant*innen mit Behinderungen setzt“, ergänzt Gina Schmitz.

Link zum kobinet-Bericht vom 28. Februar 2024 zum Brandbrief