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Körperkult und Behinderung: Neues Buch von Udo Sierck

Cover des Buches Körperkult und Behinderung von Udo Sierck
Cover des Buches Körperkult und Behinderung von Udo Sierck
Foto: AG Spak

Hamburg (kobinet) "Der zu beobachtende Kult um den makellosen Körper widerspricht der angeblichen Akzeptanz“ gegenüber Beeinträchtigungen, schreibt Udo Sierck in seinem vor Kurzem erschienenen neuen Buch "Körperkult und Behinderung“ (AG SPAK Bücher Neu-Ulm 2023, € 19,50). Der Journalist Christian Mürner hat das Buch gelesen und für die kobinet-nachrichten eine Rezension geschrieben.



Rezension von Christian Mürner

Körperkult und Behinderung

Neues Buch von Udo Sierck

„Der zu beobachtende Kult um den makellosen Körper widerspricht der angeblichen Akzeptanz“ gegenüber Beeinträchtigungen, schreibt Udo Sierck in seinem vor Kurzem erschienenen neuen Buch „Körperkult und Behinderung“ (AG SPAK Bücher Neu-Ulm 2023, € 19,50).

Körperkult meint den übertriebenen Umgang mit der physischen Erscheinung, hauptsächlich bezogen auf Schönheit und Hässlichkeit. Wobei gerade diese Leitbegriffe keine objektiven Eigenschaften beschreiben, sondern jeweils versuchen, individuelle oder gesellschaftliche Normen festzulegen und durchzusetzen.

Dabei geht es um die Geschichte und Gegenwart zwischen Faszination und Erniedrigung. Doch gibt es nicht einfach nur einen Zwiespalt zwischen Anpassung und Selbstbehauptung, sondern es geht vielmehr um eine Auseinandersetzung zwischen problematischen Gleichzeitigkeiten.

Udo Sierck zitiert eine Aussage des englischen Philosophen Francis Bacon (1561-1626), der schreibt, dass eine Person, die „etwas Unabänderliches an seiner Gestalt hat, das Verachtung erregt“, trage „zugleich einen beständigen Sporn in sich, dem Gespött auszuweichen und sich davon zu befreien“. Sierck kommentiert prägnant: Dies „lässt sich auch als Kompliment für die Willenskraft der Verspotteten lesen, obgleich Bacon es nicht so gemeint hat“.

Detailliert zeigt Udo Sierck auf, wie es sich bei dem Phänomen Schönheit versus Hässlichkeit um völlig flexible Kriterien handelt, die ineinander übergehen können, aber dennoch oft fatale Konsequenzen haben. Er präsentiert ein breites Spektrum an biografischen Belegen und literarischen Quellen zum Thema – von der „Schönheit der Hinkenden“ bis zur „Schönheitschirurgie“, von Freaks-Shows bis zur Barbie-Puppe im Rollstuhl, vom Prothesen-Marketing bis zu den „Sonderveranstaltungen“ der Paralympics und Modeschauen. Es wird offenkundig, dass das „Verhältnis von Schönheit und beeinträchtigten Körpern“ nicht „harmoniert“, wie Sierck aus seiner gelungenen, klaren Zusammenstellung folgert.

Bemerkenswert ist ein Satz im letzten Abschnitt, der überschrieben ist mit „Persönliche Anmerkungen“: „Ich bin eine Körpersensation.“ Zwar macht Udo Sierck Andeutungen, wie diese Bemerkung zu verstehen ist, etwa wenn ein Taxifahrer ihn als Betrunkener einschätzt und nicht mitnimmt. Aber er beschreibt bewusst die Körpersensation nicht und macht damit deutlich, warum viele der zuvor im Buch zitierten Beschreibungen scheitern und weshalb alternative Perspektiven gegenüber Stereotypisierungen Aufmerksamkeit brauchen.