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„Inklusiv ausgeklammert“ oder „die inklusive Toilette“

Stephan Laux sitzt auf einem Steinhaufen vor einem Tunnel in kurzem Hemd und Hosen
Stephan Laux
Foto: Stephan Laux

eine kurze Kolumne mit vielen Klammern () So, das Fest der Liebe ist ja jetzt vorbei. Die Nächstenliebe steht nicht mehr ganz so weit oben auf der Prioritätenliste. Obwohl, bis 31.12. noch manche Geldbörse einen Spalt weit (den kleinen Spalt, durch den der Messias ein- und wieder austritt von Hans Willi Weis) geöffnet sein wird. Bis dahin kann man die Spende noch in der Einkommenssteuererklärung für das Jahr 2023 angeben. Aber Weihnachten haben wir hinter uns gebracht. Die Menschheit im Allgemeinen und die Kolumnisten im Besonderen. Milde war gestern. Ab heute brauchen sie ihre bösen Zungen nicht mehr zu zügeln und dürfen unangenehme Fragen stellen.



Wie z.B. die, ob ich als nicht behinderter Mensch eine Behindertentoilette benutzen darf? Komme ich in einen Gesetzeskonflikt, wenn ich nicht eine entsprechende Kennzeichnung in meinem Behindertenausweis vorweisen kann? Und wie lautet diese Kennzeichnung?

Als ich einmal mit Bewohner*innen eines Wohnheimes der Behindertenhilfe, bei einem Restaurantbesuch, neben einem der Bewohner am Urinal der Herrentoilette stand, machte mich ein anderer Gast darauf aufmerksam, dass das Restaurant auch über eine Behindertentoilette verfüge!

Also gibt es Behindertentoiletten auch deswegen, um behinderte Menschen von konventionellen Toiletten fernzuhalten? Auf Autobahnraststätten benutze ich (ohne mir über rechtliche Konsequenzen bewusst zu sein) gerne die Behindertentoilette. Die sind meistens (nach meinem, rein subjektiven Eindruck) am saubersten. Und ist diese Behindertentoilette in dem Moment, in dem ich sie, als nicht (oder nicht ausreichend) behinderter Mensch, (ob nun legal oder illegal) benutze, eine inklusive Toilette? (!)

Im Landkreis Rhön-Grabfeld, (darauf machte mich mein Kumpel Ralph Milewski aufmerksam) fand am 03. Dezember (also in der Vorweihnachtszeit und am Tag der behinderten Menschen) die erste inklusive After-Work-Party statt. Laut Pressebericht ein voller Erfolg, mit ausgelassener Stimmung. Und mit viel Prominenz unter den Teilnehmenden. Neben Würdenträgern der ortsansässigen Sondereinrichtungen auch Vertreter des Landkreises. Und (glauben sie es, oder lassen sie es sein) der leibhaftige Nikolaus mitsamt dem Aschenbrödel! Der tiefere (oder gar inklusive) Sinn dieser Party (und der Gästeliste) erschloss sich mir auch beim Betrachten des Pressefotos nicht (wobei ich wetten würde, dass der Großteil der fotografierten Menschen Verwandte und Begleiter der behinderten Menschen waren). Es sei denn, solche inklusiven After-Work-Partys dienen dazu, behinderte Menschen von konventionellen After-Work-Partys fernzuhalten.

Ich (und sicher auch Hans-Willi Weis), als glühender Anhänger des Neoliberalismus, stellte mir After-Work-Partys ja mehr im Umfeld des Banken- und Börsenviertels von Frankfurt vor. Da, wo auf den Weihnachtsfeiern der Deutschen Bank und anderer börsennotierter Big Player, Manager auf ihre jährlichen Boni anstoßen.

Das wäre doch ein schöner Aufhänger für eine Fortsetzung von Ottmar Miles-Paul wunderbaren Reportage Romans „Zündeln an den Strukturen“! Helen Weber und ihre Freunde stürmen die Weihnachtsfeier der Deutschen Bank! Oder die der Deutschen Bahn oder die des Focus (obwohl die ja in Berlin sitzen).

Verzeihung!

Jetzt ist wohl die nachweihnachtliche (postadventöse) Phantasie mit mir durchgegangen. Liegt vielleicht am zu fetten Essen, während der Feiertage (Cholesterinschock). Es ginge auch eine Nummer kleiner. Hier mein Alternativvorschlag:

Helen Weber und ihre Freunde verschaffen sich Zugang zur Weihnachtsfeier des Landratsamtes Rhön Grabfeld. Von dort aus locken (entführen) sie Aschenbrödel und den Nikolaus in ein Wohnheim der Behindertenhilfe und halten die beiden, in einem Doppelzimmer (unter den üblichen Bedingungen: Frühstück um 7.30 Uhr, tagsüber WfbM, abends puzzeln, usw.) fest. Ihre Forderungen für eine Freilassung (Enthospitalisierung) sind:

1. Sofortige Umsetzung des BTHG (und zwar so wie es gemeint war)

2. Stufenweise Abschaffung der Wohnform „Leben im Heim“ (weil‘s so im BTHG steht)

3. Einführung der 4-Tage-Woche, bei vollem Lohnausgleich für Beschäftigte der Eingliederungshilfe

4. Die Benutzung einer Behindertentoilette durch nicht behinderte Menschen ist und bleibt straffrei (okay, das ist eine rein egoistische Forderung des Kolumnisten)

5. … und dann sehen wir mal weiter …

Also ich würde den Fortsetzungsroman schon mal vorbestellen!

Frohes, neues Jahr (trotz alledem)

Stephan Laux Dezember 2023