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Berlin (kobinet) In Berlin müssen derzeit behinderte Menschen, die ihre Assistenzkräfte selbst anstellen und organisieren, um selbstbestimmter leben zu können, darum kämpfen, dass ihre Assistent*innen genau so viel Geld bekommen, wie deren Kolleg*innen, die bei ambulanten Diensten arbeiten. Ende des Jahres laufen die hart erkämpften Verträge für einen gleichen Lohn aus und der Kostenträger scheint sich trotz Protesten nicht zu bewegen. Dies hat zur Folge, dass Assistent*innen bei behinderten Arbeitgebenden bis zu 20 Prozent weniger verdienen. Arnd Hellinger, der selbst von dieser starren und unverständlichen Haltung der Behörde betroffen ist, hat nun einen Kommentar zum Thema für die Berliner Behindertenzeitung verfasst, den er auch den kobinet-nachrichten zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt hat.
Kommentar von Arnd Hellinger
„Vertragstreue“, „Sicherheit“, „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“…
Wer kennt diese Schlagworte nicht, wenn es darum geht, wichtige eigene Wünsche an einen Job bzw. eine/n Arbeitgebende/n zu umschreiben? Den Zuständigen bei Abgeordnetenhaus, Senatssozialverwaltung und LAGeSo scheinen sie irgendwie entfallen zu sein – jedenfalls, wenn es um das Arbeitgebendenmodell in der Persönlichen Assistenz geht.
Nachdem das LAGeSo nämlich zunächst mehr als ein Jahr lang die Umsetzung des zwischen der Gewerkschaft ver.di und dem Arbeitgebendenverband AAPA geschlossenen Tarifvertrags – der beinhaltet primär die Eingruppierung Persönlich Assistierender in die Entgeltgruppe „EG5“ des Landes-Tarifvertrags (TV-L Berlin) – hintertrieb, indem zum Beispiel von Budgetnehmenden eingereichte Kalkulationen immer wieder als „nicht genehmigungsfähig“ oder „mit Fragen behaftet“ zurückgewiesen wurden, bewilligte die Behörde zwar im Spätsommer 2023 diese Tarifanpassung, befristete sie aber gleichzeitig bis 31, Dezember 2023. Neue Zielvereinbarungen könnten den Mitteilungen zufolge nur auf Basis der „EG3“ angeboten und abgeschlossen werden – für die bei Budgetnehmenden unmittelbar beschäftigten Assistierenden hätte dies nominell Einkommenseinbußen von etwa 20 Prozent zur Folge. Real dürfte der Verlust durch die allgemein bekannt hohe Inflation der letzten beiden Jahre aber noch deutlich spürbarer ausfallen.
Das Ganze passiert in Zeiten, in denen es Budgetnehmenden durch den generellen Fachkräftemangel ohnehin schon zunehmend schwer gemacht wird, geeignete Mitarbeitende zu finden. Haben die nämlich bei Einrichtungsträgern, Krankenhäusern oder ambulanten (Pflege-)Diensten angeheuert, sollen sie nämlich „selbstverständlich keinerlei Einbußen hinnehmen“ müssen…
Wie war das noch mit „Vertragstreue“, „Sicherheit“ und „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“?
Übrigens: Das Recht auf selbstorganisierte Assistenz ergibt sich eigentlich unmittelbar aus Art. 3 Abs. 3 Nr. 2 des Grundgesetzes wie auch aus der Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.
Und unsere Landesbehindertenbeauftragte sagt zu alledem: Nichts, gar nichts.