
Foto: Gemeinfrei, public domain
Ampfing / Berlin (kobinet) Während in dieser Woche sowohl bei der Werkstatträtekonferenz der SPD-Bundestagsfraktion als auch bei einem Dialog im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) nach Wegen für eine, auch aufgrund der Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention notwendige, Reform des Werkstättensystems gesucht wurde, wird dieses System durch die Förderung für den Bau einer neuen Werkstatt für behinderte Menschen in Bayern weiter zementiert. 3,8 Millionen Euro stellt das Land Bayern für eine neue Werkstatt für Menschen mit Behinderung zur Verfügung und verfestigt damit das bestehende System weiter. Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf hat die Förderzusage am 20. September im oberbayerischen Ampfing übergeben. Es entstehen 90 Werkstattplätze für Menschen mit psychischer Erkrankung, heißt es auf bayern.de vonseiten der Bayerischen Staatsregierung.
Die Bayerische Sozialministerin Ulrike Scharf betonte zur Förderung der neuen Werkstatt: „Arbeit ist sinnstiftend und schafft soziale Kontakte! Menschen mit Behinderung haben hier die Möglichkeit, ihr Potential zu entfalten, Fähigkeiten und Talente einzubringen. Das ist für alle ein großer Gewinn und die Förderung des Werkstätten-Neubaus ist mir ein großes Anliegen! Teilhabe und sozialer Zusammenhalt haben im Freistaat Bayern Priorität. Berufliche Inklusion ermöglicht ein selbstbestimmtes Leben. Ein Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung muss selbstverständlich sein!“ Der Freistaat fördert den Neubau mit 3,8 Millionen Euro. Ziel ist es, Menschen mit Behinderung eine Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen und ihre Familien zu entlasten. Die Stiftung Ecksberg ist die älteste Einrichtung für geistig behinderte Menschen in Bayern und bietet insgesamt etwa 1.000 Arbeitsplätze. Betreut und gefördert werden Menschen mit geistiger Behinderung, Mehrfachbehinderung und psychischer Behinderung in Wohnheimen, Wohngruppen und Behindertenwerkstätten. So liest sich dei Presseinformation der Bayerischen Staatsregierung.
Link zur Presseinformation des Bayerischen Staatsregierung zur Förderung der neuen Werkstatt
„Wer Zweifel daran hat, dass eine Reform des Werkstättensystems schnell vollzogen werden muss, der braucht sich nur hin und wieder die ‚Jubelmeldungen‘ aus Bayern für die weiteren millionenschweren Förderungen des Aussonderungssystems anzuschauen. Mit den Diskussionen bei der Staatenprüfung Deutschlands zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und den Abschließenden Bemerkungen des Ausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen hat die Behindertenpolitik in Bayern an dieser Stelle soviel zu tun wie ein Fisch mit einem Fahrrad“, erklärte Ottmar Miles-Paul, Sprecher der LIGA Selbstvertretung. Vor allem im Lichte der am 14. September 2023 erfolgten Veröffentlichung einer Studie des BMAS zum Werkstattentgelt und zu Alternativen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei die Entwicklung in Bayern ein Schlag ins Gesicht all derjenigen, die sich für echte Inklusion engagieren. Statt neue Sondereinrichtungen zu fördern und zu bauen, sollte das Geld in Alternativen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt investiert werden, fordert Ottmar Miles-Paul.
Der Behindertenrechtler Ottmar Miles-Paul hat vor kurzem einen Roman mit dem Titel „Zündeln an den Strukturen“ über die Situation in Werksätten für behinderte Menschen und über Alternativen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt veröffentlicht. Damit will er die Probleme aus der Sicht behinderter Beschäftigter aus der Werkstatt deutlich machen, die mit diesem System unzufrieden sind. Das Ironische ist, dass, wie im Roman, auf der einen Seite zwar intensiv nach inklusiven Beschäftigungsmöglichkeiten gesucht wird, auf der anderen Seite aber die Millionen von Euro weiter in die Sonderwelten fleißen. Der Journalist Christian Mürner hat dazu gerade erst eine Rezension des Romans im NEWSLETTER BEHINDERTENPOLITIK NR. 93 mit dem Titel „Ein Roman als Brandbeschleuniger?“ veröffentlicht, der als Beiheftung von BIOSKOP Nr. 103 erschienen ist.