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Ludwigsburg (kobinet) Immer mehr behinderte Menschen haben Schwierigkeiten Assistent*innen zu finden, so auch Antonio Florio aus dem Landkreis Ludwigsburg. Im Interview mit kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul schildert er unter anderem, dass er vor kurzem 500 Euro für eine Anzeige in der Zeitung investiert hat, auf die keine einzige Rückmeldung auf die ausgeschriebene Assistenzstelle bei ihm bekam. Antonio Florio wünscht sich u.a., "dass wir im Arbeitgebermodell nicht für jeden Cent, den wir mehr an unsere Assistenz bezahlen wollen, unendlich streiten müssen, bzw. in manchen Fällen sogar dafür einen Rechtsstreit bestreiten müssen." Vor allem dürfe es keine Benachteiligung derjenigen geben, die ihre Assistenz selbst beschäftigen, im Vergleich zur Beschäftigung in ambulanten Diensten.
kobinet-nachrichten: Seit über 20 Jahren setzen Sie sich für die Selbstbestimmung behinderter Menschen ein und geben Ihre Erfahrungen mit der Organisation persönlicher Assistenz immer wieder weiter. Wo und wie engagieren Sie sich genau?
Antonio Florio: 2004 gründete mein Freundeskreis einen Verein für mich, der mich moralisch in meinem Rechtsstreit mit dem Kostenträger unterstützte. Mein Rechtsstreit ging von 2004 bis 2006. Nach dem Rechtsstreit stellte sich die Frage, was passiert mit dem Verein. Aus dem Freundeskreis wurde der Verein Selbstbestimmt Leben im Landkreis Ludwigsburg. 2009 folgte daraufhin unsere erste Veranstaltung. Gleichzeitig haben mich die Mitglieder zum ersten Vorsitzenden des Vereins gewählt. Es folgten weitere Veranstaltungen bzw. als Vorsitzender habe ich die Events jedes Jahr zur Regel gemacht. Mein Bekanntheitsgrad stieg und somit auch die Einladungen als Referent zum Thema Persönliche Assistenz. Seit 2019 bin ich zudem noch Lehrbeauftragter an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg.
kobinet-nachrichten: Neben der Kompensation Ihrer körperlichen Beeinträchtigungen benötigen Sie aufgrund Ihrer Sprechbehinderung auch Assistenz in diesem Bereich. Was müssen Sie dabei berücksichtigen bzw. wo treten hier besondere Herausforderungen auf?
Antonio Florio: Die Sprechbehinderung im Umgang mit Assistenz und die damit verbundene Arbeit ist eine tägliche Herausforderung, welche nie aufhört. Die Assistenz gleicht meine Sprechbehinderung damit aus, indem sie meine Sätze eins zu eins wiederholt. Theoretisch hört sich das nicht allzu schwer an, in der Praxis sieht es anders aus. Nehmen wir das Beispiel Lehrbeauftragter an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg. Mein Seminar gestalte ich als Kompaktseminar. Das heißt, es gibt vier Termine mit ca. 6 Stunden Seminar. In dieser Zeit übersetzt meine Assistenz jeden Satz eins zu eins. Das ist eine Herausforderung für die Assistenz, für mich und für die Studierenden. In meinem Team habe ich derzeit 2 Assistent:innen mit denen ich solche Termine wahrnehme.
Die Herausforderung besteht darin, neue Assistenzkräfte mit der „Fähigkeit“, mich zu verstehen und meine Sätze genauso wiederzugeben, zu finden.
In der Assistenz sagen wir oft, die Assistenz ersetzt meine Arme und Beine. Das ist auch vollkommen richtig. Doch bei mir kommt noch die Sprache hinzu, insofern ersetzt die Assistenz, im weitesten Sinne, auch meine Stimme.
Diese Tatsache ist, glaube ich zumindest, in der Assistenzarbeit noch nicht sehr verbreitet. Wenn sich Bewerber:innen bei mir melden und ich meine Sprechbehinderung erkläre und die damit verbundene Arbeit, sind diese Bewerber:innen oftmals leider nicht mehr interessiert. Das macht mir sehr viel Sorgen, da mein Engagement in der Behindertenbewegung von dieser Fähigkeit abhängig ist!
kobinet-nachrichten: Der Personalmangel macht auch nicht vor der Persönlichen Assistenz Halt. Wie sind Ihre Erfahrungen im Raum Ludwigsburg mit der Suche von geeigneten Assistenzkräften genau?
Antonio Florio: Um ehrlich zu sein, gestaltet sich die Assistenzsuche im Raum Ludwigsburg sehr schwierig, um nicht zu sagen, momentan unmöglich. Vor ca. 6-8 Wochen schaltete ich in der Ludwigsburger Zeitung eine Stellenanzeige zur Persönlichen Assistenz, die mich 500 Euro gekostet hat. Auf diese Stellenanzeige bekam ich keine Resonanz.
kobinet-nachrichten: Was ist für Sie bei der Assistenzorganisation besonders wichtig, damit Sie Arbeitskräfte halten bzw. neue finden können?
Antonio Florio: Die Löhne für die Assistenz müssen dringend angepasst werden. Wir im Arbeitgebermodell müssen in die Lage versetzt werden, mit Assistenzdiensten, die ihre Löhne erhöht haben, konkurrieren zu können. Wenn Assistenzdienste 2 Euro mehr und dann noch Zuschläge bezahlen, haben wir im Arbeitgebermodell ein großes Problem. Wichtig ist mir jetzt zu betonen, dass das keine Kritik gegen die Assistenzdienste ist, das ist für die jeweiligen Mitarbeiter:innen sehr gut, wenn sie höhere Löhne erhalten. Das Problem ist nur, dass wir im Arbeitgebermodell dadurch noch mehr Probleme mit der Assistenzsuche haben.
kobinet-nachrichten: Wenn Sie zwei Wünsche frei hätten, welche wären dies?
Antonio Florio: Dass wir im Arbeitgebermodell nicht für jeden Cent, den wir mehr an unsere Assistenz bezahlen wollen, unendlich streiten müssen, bzw. in manchen Fällen sogar dafür einen Rechtsstreit bestreiten müssen.
Der zweite Wunsch passt nicht ganz zum Thema aber wir sollten endlich anfangen die Inklusion ab dem Kindergarten zu beginnen! Wenn wir das nicht bald umsetzen, werden wir in den nächsten Jahrzehnten immer noch über die Inklusion reden.
kobinet-nachrichten: Vielen Dank für das Interview.