Hannover (kobinet) Die drei letzten Spiele der Fußballnationalmannschaft haben intensive Diskussionen über den Zustand der deutschen Nationalmannschaft ausgelöst. Eine andere Geschichte, die damit zusammenhängt, lässt die Referentin des Projekts "Partizipation von Menschen mit Behinderung bei der Umsetzung der inklusiven Kinder- und Jugendhilfe“ des Bundesverband behinderter und chronisch kranker Eltern (bbe), Imke Bartels, nicht los. Am 9. Juni wurde ein Video veröffentlicht, bei dem zu hören ist, wie der DFB-Fußballer Antonio Rüdiger einen Fan als „Spasti, Spasti, Spast“ beleidigt. Er entschuldigte sich bei dem Fan zwar öffentlich für die unangemessene Beleidigung. Sowohl er als auch der DFB-Sportdirektor Rudi Völler finden, dass die Angelegenheit damit erledigt sein und nicht überbewertet werden solle. Das sieht Imke Bartels allerdings ganz anders.
„Antonio Rüdiger hat nicht ‚Arsch‘ oder Ähnliches gesagt. Er hat das Wort ‚Spast‘ als Schimpfwort benutzt. Bei einer Spastik handelt es sich um eine körperliche Behinderung. Die häufigste Ursache ist ein Schlaganfall. Sauerstoffmangel bei der Geburt kann auch eine Ursache sein. Ich habe eine Spastik und finde die Berichterstattung, die Entschuldigung von Antonio Rüdiger und die Reaktion von Rudi Völler sehr oberflächlich“, betont Imke Bartels und erklärt dies so: „Um Missverständnissen vorzubeugen, mir geht es nicht darum, ob die Entschuldigung von Antonio Rüdiger gegenüber dem Fan angemessen war oder nicht. Es kann auch sein, dass der Fan aufdringlich war und Antonio Rüdiger sich bedrängt gefühlt hat. Mir geht es um etwas ganz anderes. Ich möchte, dass Menschen mit Behinderung nicht diskreditiert werden, indem eine Behinderung als Schimpfwort benutzt wird.“‚
Außerdem stört Imke Bartels, dass solche Vorkommnisse in der Öffentlichkeit bagatellisiert werden. „Angeblich setzt sich der DFB doch gegen Diskriminierung ein und möchte Vorbild sein. Ich würde mir wünschen, dass bei ‚behindertenfeindlichen‘ Beleidigungen genauso konsequent reagiert wird, wie wenn jemand aufgrund seiner Religion, Hautfarbe oder sexuellen Orientierung beleidigt wird. Meine zwei Kinder, die übrigens selbst begeisterte Fußballspieler sind, erleben leider sehr häufig, dass auf Schulhöfen, dem Sportplatz, bei Punktspielen, Fußballvideos auf YouTube usw. die Bezeichnung „Spast“ als Beleidigung geäußert wird. Darauf wird erschreckender Weise meist nicht reagiert. Bei einer Reichweite, die Antonio Rüdiger aufgrund seines Bekanntheitsgrades hat, finde ich das besonders erschreckend“, betont Imke Bartels und fragt: „Wieso reagiert der DFB und die öffentliche Berichterstattung auf behindertenfeindliche Begriffe so ‚unaufgetegt‘? Wie Kassandra Ruhm es 2020 bereits ausdrückte: Ich bin kein Schimpfwort. Dem kann ich mich nur anschließen!“
Link zum kobinet-Bericht vom 28. November 2020:
https://kobinet-nachrichten.org/2020/11/28/poster-der-woche-ich-bin-kein-schimpfwort
Informationen zum Hintergrund
Link zum Video von Sport Bild vom 9. Juni 2023 mit den Beleidigungen von Antonio Rüdiger:
DFB-Star Antonio Rüdiger beleidigt Fan als „Spast“! | Fußball | Sportbild.de
Link zum Bericht von FOCUS-Online:
DFB-Star Rüdiger beleidigt Fan als „Spast“, als er um Autogramm gebeten wird – FOCUS online
Einen Tag später hat Bild die Pressekonferenz veröffentlicht, wo Antonio Rüdiger sich entschuldigt:
Am 13. Juni forderte die Behindertenbeauftrage von NRW, dass der DFB sich klar gegen behindertenfeindliche Schimpfworte positionieren sollte. Das fand keinen Widerhall in der Presse, soweit Imke Bartels das verfolgt hat:
Claudia Middendorf: DFB muss sich von diskriminierender Beleidigung distanzieren | Land.NRW