
Foto: Hans-Willi Weis
Staufen (kobinet) Der reale Krieg auf dem Schlachtfeld und ein Krieg der Worte in den Medien. Zwei sich gegenseitig beeinflussende Prozesse mit wechselweise aufeinanderfolgenden Eskalationsschüben. Sie unterliegen mithin einer charakteristischen Dialektik oder Wechselwirkung, dem realen Krieg ist einer der Worte vorausgegangen und seitdem jener tatsächlich begonnen hat, führt die mediale Verstärkung des Kriegs der Worte dem realen Kriegsgeschehen neue Energien zu, politische und militärische, motivationale und materielle auf Seiten beider Kriegsparteien. Anscheinend ausweglos, denn die Panzer, die „wir jetzt liefern“, sind noch nicht auf dem Gefechtsfeld angekommen, da hat die Debatte um eine Lieferung von Kampfflugzeugen „bereits Fahrt aufgenommen“.
Erneut „eifert-geifert“ dieser „stramme Medientenor … der nächsten Waffengattung entgegen“, wie Friedrich Küppersbusch schon Ende Januar unter dem Titel „Tanz am Kraterrand“ in der taz schrieb und tags darauf mit der Lieferentscheidung für die Panzer die vorletzte Drehung an der Eskalationsschraube „mission accomplished“ melden konnte.
Wie es bei Tabuthemen eine Schweigespirale gibt, so bei Streitthemen die Spirale verbaler Aggression und Gewalt. Zurzeit lässt das Streitthema Krieg eine medial inszenierte Verbalschlacht eskalieren und ein Ende der Wortgefechte ist nicht absehbar. Man müsste sich schon Augen und Ohren zuhalten – was nicht geht und politisch unverantwortlich wäre –, um nicht in die rhetorische Eskalation des Für und Wider, einer sich zur Freund-Feind-Polarisierung zuspitzenden Gegnerschaft hineingezogen zu werden. Als innerer Monolog verfolgt einen der Krieg der Worte stattdessen bis in den Schlaf. Nicht einmal nächtens schweigen die Waffen vorübergehend und kehrt für kurze Zeit Friede in den Köpfen und Herzen ein.
Die Waffen schweigen lassen im eigenen Kopf
Dennoch besteht die Möglichkeit des gedanklichen Waffenstillstands, eines einseitigen zunächst, da sich nicht alle oder sogar nur die wenigsten daran beteiligen werden. Zwei Wege lassen sich einschlagen zu diesem einseitigen Waffenstillstand im Kopf: Zum einen der behelfsmäßige Weg der Zerstreuung, der Unterhaltung im Sinne einer Ablenkung, den Sender oder das Programm wechseln, umschalten von den breaking news zu den top twenty in Pop oder Klassik. Und ein gutes Buch vor dem Einschlafen oder zum Einschlafen, Stifters Nachsommer beispielsweise für jemanden wie mich, einen Zweiundsiebzigjährigen, das entsprechende Pendant für die plus oder minus Dreißig-jährigen, Millennials oder Generation Z, werden diese am besten selbst wissen. – Außer dem Weg der Zerstreuung gibt es den der Sammlung, der Konzentration, der Kontemplation oder Meditation. Diesen Weg zum gedanklichen Stillstand praktiziere ich und favorisiere ihn deshalb, weil sich auf ihm – verfolgt man ihn hinlänglich diszipliniert – ein innerer Friede einstellt, wie meines Wissens und meiner Erfahrung nach auf keinem anderen Weg.
Friedlich schiedlich die Waffen niederlegen im eigenen Oberstübchen – klingt so gut, dass man sich sogleich fragt, warum die friedliebende Mehrheit das nicht einfach macht. Worauf meine Antwort wäre, weil dieser innere Friede gerade nicht im Kampfmodus „erstritten“ werden kann. Für etwas streiten, kämpfen, damit die gute Sache siegt, ist ja so schön und es unterlassen, sobald der Modus oder Gestus des Kämpfens und Streitens problematisch wird, fällt daher entsprechend schwer. Für gedanklichen Waffenstillstand und inneren Frieden kann man nichts „machen“, sondern das andere, das Gewohnte, lediglich sein lassen, unterlassen. Und es sich vornehmen, dieses Lassen täglich zu versuchen, stundenweise. Durch die Übung der Sammlung, der Konzentration, der Kontemplation oder Meditation (den zwar leichteren, aber auch weniger tiefgehenden und nachhaltigen Weg der Zerstreuung oder Ablenkung jetzt beiseitegelassen).