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BODYS: Triage-Gesetz bleibt Selektionsgesetz

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Foto: BODYS

Bochum (kobinet) Das am 10. November vom Bundestag verabschiedete Triage-Gesetz (2. Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes) genügt nach Ansicht des Bochumer Zentrum für Disability Studies (BODYS) weder dem Menschenrechtsmodell der UN-Behindertenrechtskonvention noch unserer deutschen Verfassung, die dem Prinzip der Lebenswertindifferenz verpflichtet ist. Dies teilte das Zentrum in einer Presseinformation im Nachgang zur Abstimmung im Deutschen Bundestag mit.

„Es wird weder den strukturellen Diskriminierungen im Gesundheitswesen (und damit auch der Triage vor der Triage) noch einer individuellen mittelbaren Diskriminierung behinderter Menschen hinreichend vorgebeugt. Jedes Abstellen auf Überlebenswahrscheinlichkeiten benachteiligt behinderte und alte Menschen. Vorurteile über behinderte Patient*innen als leidende, unglückliche Menschen sind insbesondere bei medizinischem Personal verbreitet, das zeigt die Forschung, aber auch unsere Alltagserfahrung als behinderte Menschen. So erfreulich es ist, dass die Parlamentarier*innen in Sachen Ex-Post-Triage standhaft geblieben sind und diese nicht legalisieren, wie insbesondere von Vertreter*innen der Ärzteschaft gefordert, so betrüblich ist, dass es sich weiterhin um ein Selektionsgesetz handelt“, heißt es in der Stellungnahme des BODYS.

Von den 736 Mitgliedern des Bundestags stimmten 366 für das Gesetz, 284 stimmten dagegen und 5 enthielten sich der Stimme. Bei der namentlichen Endabstimmung waren es 7 Abgeordnete bei den Grünen und 2 Abgeordnete der FDP, die aus den Reihen der Regierungskoalition gegen das Gesetz stimmten. Darunter die behindertenpolitische Sprecherin der GRÜNEN Corinna Rüffer, die ihre Ablehnung auch mit dem Hinweis auf die jüngere deutsche Geschichte begründete: „Die Unantastbarkeit der menschlichen Würde ist die oberste Maxime unserer Verfassung. Sie verbietet es, Leben gegen Leben abzuwägen. Unsere Geschichte sollte uns mahnen und verpflichten, den Wert jedes einzelnen menschlichen Lebens niemals zu relativieren. Das ist umso bedeutender, wenn man sich die prekäre Lage unseres neoliberal-ökonomisierten Gesundheitswesen vor Augen führt, das auf Einsparung, Profit und Effizienz getrimmt ist – während es gleichzeitig im Zuge des demographischen Wandels immer mehr hochbetagte, nicht mehr ‚leistungsfähige‘ Menschen geben wird. Angesichts dessen, sollten wir uns davor hüten, das ‚Überleben des Stärkeren‘ in Gesetzesform zu gießen und eine der wesentlichen Grundfesten unserer Demokratie in Frage zu stellen.“

Mit einer Schweigeminute vor dem Reichstag gedachten etwa 30 Aktivist*innen der Behindertenbewegung des historischen Ereignisses. „Jedes Leben ist gleich viel wert!“ lautete der Titel des Aufrufs, dessen Begründung sich BODYS anschließt: „Niemand von den Bundestagsabgeordneten soll am Ende sagen können, dass behinderte Menschen diese vor einer solch weitreichenden und viel zu wenig diskutierten Entscheidung nicht gewarnt hätten. Eine breite Diskussion mit einem Abstimmungsverfahren ohne Fraktionszwang wäre bei einer solch tiefgreifenden ethischen Frage angesagt, statt einer 45minütigen Debatte mit anschließender Abstimmung über ein Thema, das die meisten Abgeordneten in ihrer Tiefe nicht kennen.“

Link zur Presseinformation von BODYS

Link zum kobinet-Kommentar und Infos zur Abstimmung vom 13. November 2022