
Foto: Screenshot HT
Berlin (kobinet) Vorweg: Es gibt Ämter (damit meine ich alle bundesstaatlichen, landesstaatlichen und kommunalen Ämter, deren verantwortlichen Stellen und deren Webseiten), die sind vorbildlich. Diese haben ein Gespür und eine Kompetenz für eine ganzheitliche Betrachtung von Barrierefreiheit ihrer Webseiten und meist auch zur ganzheitlichen Barrierefreiheit im Bau, Verkehrswege und anderen Dingen, damit ALLE Menschen an der Gesellschaft teilhaben können, wie es die Gesetze und Verordnungen vorschreiben. Durch Eigeninitiative geschult, erworbene und umgesetzte Kompetenz und immer mit den Menschen, denen damit die Teilhabe möglich wird. Also MIT statt ÜBER.
Diese Ämter sind für mich Vorbilder.
Aber ...
Das ist auch ein Aufruf an alle Bürger, legen Sie Beschwerde ein, melden Sie Barrieren aller Art, bauliche Hindernisse beim Zugang und Nutzung von Gebäuden, Veranstaltungen, Zugang zu Wahlen, und auch von Webseiten (fehlende Alt-Texte, verwendete Captchas, mangelhafte Kontraste, fehlende Leichte Sprache zu allen Webseiten usw.). Melden Sie Hindernisse an der Teilhabe, an Ihrer eigenen Teilhabe in der Kommune, im Land und im Bund.
Wieso gibt es so wenig Meldungen zu Barrieren auf Webseiten?
Auf den Webseiten der Ämter soll den Lesern möglich sein, festgestellte Mängel zur Barrierefreiheit zu melden. Zu einem Eingabeformluar (barrierefrei natürlich) sind die Ämter verpflichtet. Dieser Pflicht wird mehr oder weniger Folge geleistet. Zum Melden soll auf jeder Seite ein Button (Taste/Link) zur Meldeseite existieren (siehe Abbildung).
Für die Menschen, denen die Sinne Sehen, Lesen, Verstehen und mit den Händen Fühlen und Umgehen gegeben ist, erkennen keine Barrieren. Menschen deren Verstehen, Sehen, Lesen usw. fehlt, gehen selten oder gar nicht auf diese Webseiten, denn sie wissen, da sind so viele Barrieren, damit kann ich nichts anfangen, da gehe ich gar nicht erst auf die Webseite.
Vor 20 Jahren wurde die erste BITV (Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung) veröffentlicht. Über 20 Jahre missachtetes Streben nach Barrierefreiheit von Webseiten durch die Ämter, die Menschen abgeschreckt hat. Eine Abneigung ist entstanden. Ein Teil der Menschen, die nicht oder sehr wenig Internet und moderne elektronische Medien nutzen sind auch behinderte und alte Menschen. So haben die Ämter die Zeit verschlafen. Das kann man so nicht aufholen. Das Aufholen kostet Kraft und sehr viel Geld. Hätten die Ämter ihre neuen Websites in den letzten 20 Jahren gleich barrierefrei gestaltet, als sie neu erstellt wurden, wäre alles nicht so das Problem. Seit 2021 sind die Ämter gesetzlich verpflichtet und nun wird alles versucht, den Deckel darauf zu halten, mit wenig Aufwand vermeintliche Barrierefreiheit herzustellen. Billige Agenturen zu beauftragen, die selbst keine oder wenig Ahnung haben. Also auch wieder ohne die betroffenen Menschen – ÜBER und nicht MIT den Menschen.
Halten wir erst einmal fest: Behinderte und Alte meiden das Nutzen von amtlichen Webseiten, weil sie wegen der dort vorhandenen Barrieren diese Seiten nicht verstehen und nutzen können.
Deshalb werden auch wenig Barrieren auf Webseiten gemeldet. Der Irrglaube, es werden wenige/keine Barrieren gemeldet, läge an der Barrierefreiheit der Webseiten, geht um. Es ist ein fataler Irrtum.
Die schlechten Zahlen (Ergebnisse der Erhebungen der Überwachungsstellen liegen nicht bei über Ziel größer 90 % barrierefrei) sind im Irrglauben in den Ämtern zu ergründen.
Digitalisieren der Verwaltung (Ämter, Bürgerservice usw.)
Was ist, wenn etwa jeder 5 Bürger keine Webseiten der Ämter nutzt, nutzen kann, weil es Barrieren gibt, dann ist doch die ganze aufwendige Digitalisierung für die Katz.
Die Digitalisierung kann doch nur gelingen, wenn mit den Bürgern, ich meine alle! Bürger, einbezogen werden. Auch die Mehrheit der Behinderten und alte Menschen, Migranten und Analphabeten, Lernschwache und Bildungsferne sollen Webseiten bekommen, die sie brauchen, um an der digitalen Verwaltung teilzunehmen, die digitale Verwaltung zu nutzen.
Eine große Herausforderung ist dabei die Verständlichkeit. Es ist unbedingt nötig, neben der deutschen Sprache, die Inhalte und Abläufe im Bürgerservice in Deutscher Leichten Sprache dazu anzubieten, durchgängig, auf allen Webseiten. Es genügt keinesfalls, nur eine „billige“ Übersichtsseite vorzuhalten (die Alibiseite).
Dazu sind Regeln, Handreichungen und eine Norm (DIN) erforderlich, die den Webseitenmachern (Inhalte) an die Hand gegeben werden können. Ein Bundeskompetenzzentrum Leichte Sprache (diese Einrichtung soll laut Koalitionsvertrag der jetzigen Regierung gebildet werden) schult, berät und leitet an. Ämter, fordert diese Stelle ein, sie brauchen diese Kompetenz, man kann doch nicht alles alleine machen und können.
Wir brauchen mehr Aufmerksamkeit
Dem Irrglaube, wir haben barrierefreie Webseiten, weil wir keine Meldungen zu Barrieren bekommen, muss etwas wirksames entgegen gesetzt werden:
Meldet Barrieren auf Webseiten der Ämter von Kommunen, Land oder Bund.
Barrieren sind so einfache Dinge wie
- keine Bedienung der Webseite ohne Maus
- mangelnder Kontrast (Farbe Schrift zu Hintergrund)
- fehlende alternative Texte zu Bildern und Grafiken
- Verwendung von Captcha (Sicherheitstool)
- Verwendung von Mediopunkt statt dem Bindestrich in Leichter Sprache Texten
- Informationen nur durch Farbe (keine textlichen Alternativen)
um nur einige wenige aufzuzählen.
Melden Sie die Barrieren. Man muss nicht die technischen Details wissen, meldet, was Sie und Sie oder Sie empfinden und feststellen mit Ihren Worten.

Screenshot https://www.bundesfachstelle-barrierefreiheit.de/ Barriere melden
Wichtig: melden Sie es. Die Ämter sind verpflichtet, einen „Feedbackmechanismus“ (Möglichkeit zum Melden von Barrieren) auf jeder Webseite anzubieten. Ist das nicht vorhanden, dann ist das schon eine Barriere. Bitte shreiben Sie dann an die E-Mail-Adresse, die im jeweiligen Impressum angegeben wird, an den Verantwortlichen oder die Verwantwortliche dieser Website.
Die Überwachungsstellen als Liste finden Sie bei BFIT-Bund Link. Ab diese Adressen können Sie sich auch wenden.
An die Ämter und ihren Websiteverantwortlichen gerichtet: verlangt Schulungen, Weiterbildungen, Praxis-Workshops von den Vorgesetzten und vorgesetzten Stellen. Es gibt dazu die Bundesfachstelle Barrierefreiheit mit der Überwachungsstelle BFIT-Bund und es soll bald ein Bundeskompetenzzentrum Leichte Sprache (Koalitionsvertrag) geben. Deren Hauptaufgabe ist Bildung, Bildung und nochmals Bildung in Sachen Barrierefreiheit. In den Ländern gibt es analoge Einrichtungen bis hin zu Schlichtungsstellen, um mit Kraft Barrierefreiheit durchzusetzen. Adressen hier.
Nicht nur die Verordnungen und Gesetze fordern das, wir Menschen fordern das, fordert es auch gegenüber den Regierungen in den Ländern und des Bundes.
Es kann nicht sein, dass ein Teil der Bevölkerung ausgeschlossen wird und damit diskriminiert wird, weil Barrieren die Nutzung von Webseiten nicht möglich machen. Die Ämter (Bund, Länder, Kommunen) machen sich an Diskriminierung schuldig, wenn es ihnen nicht gelingt, Digitalisierung und Barrierefreiheit zu meistern.
Das Problem scheint mir zu sein, dass die Ämter eigentlich kein Interesse daran haben. Es sind ja im Prinzip engagierte Einzelfälle, die Sie da schildern. Den Meisten ist das Thema relativ egal, ich durfte da meine Erfahrungen mit dem LWL in NRW machen, der sich Barrierefreiheit dick auf die Website schreibt, aber im direkten Kontakt kein Interesse an barrierefreier Kommunikation zeigt. Das ist keine Einzelerfahrung, wie man hier nachlesen kann.
Das sehe ich anders. Im öffentlichen Bereich sind technologische Anforderungen nicht mal eben schnell umgesetzt. Das liegt daran, dass solche Aufträge erst einmal einem gesetzlich vorgeschriebenen Ausschreibeverfahren unterliegen. So eine Ausschreibung kann sich schnell mal ein Jahr hinziehen.
Danach muss das technologische Konzept umgesetzt werden und zwar so, dass es zu keiner Unterbrechung der angebotenen Services kommt. Auch so ein Prozess, kann damit schnell mal mehrere Monate dauern.
Dann war da noch das Thema „Cookies“ – Ein Banner das immer den WCAG beeinflusst und zwar negativ.
Die Frage: Wann ist also eine Webseite barrierefrei? Dann wenn der Screenreader diese trotz Werbung fehlerfrei vorlesen kann oder wenn die Webseite Schalter für hohen Kontrast etc… anbietet?
Gerade im öffentlichen Bereich wird es noch viel zu tun geben. Daher ist es eher wesentlich darauf hinzuweisen, nicht immer gleich mit juristischen Maßnahmen zu drohen, sondern durch Hartnäckigkeit und öffentliche Darstellung des Problems. Wichtig ist dabei auch zu kommunizieren, was dann an den Seiten nicht barrierefrei ist und geändert werden müsste, denn sonst wird der/die Empfänger das eher im Bereich der „Nörgelei“ abschieben, als konstruktive Mitarbeit, auch Barrieren im Internet abzubauen.
Richtig ist, Barrierefreiheit ist nicht einfach mal so erledigt.
Falsch ist, dass Ämter unter Druck stehen (tatsächlich schon), der Zustand ist selbst erzeugt.
Die BITV gibt es 20 Jahre. 20 Jahre hätte das alles in Ruhe, mit Sachverstand, Kompetenz und Fachleuten erledigt werden können.
Das kommt einer 20jährigen Missachtung der Rechte Behinderter gleich.
Und das ist das Ungeheuerliche.
Also, jetzt nicht jammern, jetzt einfach einmal klotzen…
Herr Thomasius, Ihnen scheint wohl nicht bekannt zu sein, wie IT wirklich funktioniert. Sie reden von Barrierefreiheit und BITV – soweit so gut. Aber: Wissen Sie eigentlich wie Redaktionssysteme arbeiten und das viele Behörden erst einmal darauf warten müssen, dass die Produkthersteller überhaupt die technische Implementierung für barrierefreie Technologien schaffen? Erst danach folgen komplizierte Prozesse mit Auschreibungsverfahren nach EU-Regeln, die Jahre dauern können.
Mal eben „technisch umgesetzt“ ist dann auch nicht, weil die Fachverfahren zusätzlich angepasst werden müssen.
Es gibt Behörden, die sind seit über 20 Jahren dabei das umzusetzen. Personal (gerade in der IT) ist aber eben auch nicht unendlich verfügbar und die Lauffähigkeit der Fachverfahren muss erhalten bleiben. Das ist extrem hoher technischer Aufwand und kostet den Kommunen teils Millionen. Genau da fängt das nächste Problem an: Auch die Kommunen haben nur begrenzte finanzielle Mittel. Das zu ändern, könnte man bspw. über „Steuererhöhungen zur Umsetzung von Barrierefreiheit“ – Setzen Sie sich doch dafür mal ein, dann könnte man das ganze vielleicht beschleunigen..
Und – Ja mit Barrierefreiheit wird Dickes Geld gemacht, denn auch die BIKV Test sind nicht kostenlos. Es gibt zwar einige „kostenlose“ Anbietr die ein „Score“ vergeben, aber auch da: Will man wissen, was geändert werden muss, kostet es Geld.
Jetzt gehen Sie mal los und sagen in einer Behörde „Ich will so ein Test machen“ – Schon beginnt das Auschreibungsverfahren ….
Übrigens – Trotz aller Kritik, man sollte damit immer vorsichtig sein, denn auch Kobinet ist nicht 100% barrierefrei. Das beginnt schon bei der Anmeldung zum kommentieren ….. nach fast 30 Min ging es endlich ….
Wir halten einmal fest:
Eine öffentliche Verwaltung unternimmt über einen Zeitraum von 20 Jahren – so lange gibt es sowohl die BITV als auch das ihr zugrundeliegende BGG – faktisch häufig wenig bis nichts, obwohl es eine gesetzliche Verpflichtung – also nicht ein Antragsersuchen seitens der Betroffenen – gibt.
Man hatte jetzt also 20 Jahre Zeit und wenn man sich die diesbezüglichen Beiträge – nicht nur, aber eben auch – hier zum Thema so durchliest, wird man ja durchaus gewärtig, dass es weniger an den technischen Möglichkeiten mangelt (man muss eine solche Leistung nebenbei auch nicht zwangsläufig ausschreiben; wenn sie kurzfristig zu bewerkstelligen ist, lässt selbst der Bundesrechnungshof in solchen Fällen eine freihändige Vergabe zu), sondern schlichterdings am Umsetzungswillen. So funktioniert aber Barrierefreiheit allenthalben: Wir haben in Deutschland ein weitgehend juristisch duchdekliniertes Recht der Barrierefreiheit, einzig: Es interssant kaum jemanden so richtig. Wenn sich allerdings schon die öffentliche hier regelmäßig einen schlanken Fuß macht, obwohl sie einer – im Grunde sogar relativ präzisen – gesetzlichen Vorgabe unterliegt, weshalb sollten das dann Private tun, die ja nach dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (das Teil heißt in seiner Kurzform tatsächlich so; wenn man es dann durchliest, liegt der Jurist allerdings vor Lachen auf dem Boden).
Sind Sie sich sicher, dass Sie hier nicht eher als agent provocateur agieren? Ihre Beiträge lassen zumindest diesen Schluss zu.
Sehr geehrter Herr Drews,
aus Ihrer Antwort wird mir ersichtlich, dass Ihnen nicht bekannt ist, wie im öffentlichen Dienst agiert wird und welche gesetzlichen Vorschriften es gibt.
Ihre Frage: „Sind Sie sich sicher, dass Sie hier nicht eher als agent provocateur agieren?“ – Da darf ich Sie enttäuschen. Mir geht es eher darum, von „einer Sichtweise“ weg zu einer globalen Sichtweise die in multiperspektiven Blicken eine Gesamtanalyse ermöglicht. Dazu gehört dann auch die Betrachtung, warum es Dinge gibt, die zwar dringend umgesetzt werden müssen, wie Barrierefreiheit, aber bei denen wir an vielen Stellen noch an Grenzen stoßen, dank 16 Jahre Politik bestimmter Parteine.