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Bruno Lüdke war kein Massenmörder

Foto zeigt Stolperstein für Bruno Lüdke
Stolperstein für Bruno Lüdke
Foto: OTFW Berlin

Berlin (kobinet) Am 18. März 1943 wurde Bruno Lüdke verhaftet. Noch bis zum Ende des 20. Jahrhunderts galt er als schlimmster Massenmörder der deutschen Kriminalgeschichte. Doch er hat niemandem etwas angetan. Ein Stolperstein in Berlin erinnert an den behinderten Mann, der im April 1944 in Wien ermordet wurde.

Bruno Lüdke (* 3. April 1908 in Cöpenick, † 8. April 1944 in Wien) hat die ihm zur Last gelegten Morde nicht begangen. Unter dem Titel „Die Erfindung eines Mörders“ schildert das jetzt ein Film von Dominik Wessely und Jens Becker für den rbb.

Der Schauspieler Mario Adorf erinnert sich in diesem Dokumentarfilm an seine erste große Hauptrolle. In Robert Siodmaks Kriminalfilm „Nachts, wenn der Teufel kam“ spielte er 1957 den vermeintlichen Massenmörder.

Bruno Lüdke wurde beschuldigt, 84 Frauen ermordet zu haben. Lange galt er als der größte deutsche Serienmörder, wurde seine Geschichte ungeprüft in deutschen Nachkriegsmedien kolportiert. Jahrzehnte später beweisen die Kulturwissenschaftlerin Susanne Regener und die Historiker Axel Dossmann und Jens Dobler, dass Lüdke nicht einen dieser Morde begangen hat.

Bruno Lüdke war nicht Täter, sondern Opfer des rassistischen Weltbildes der NS-Kriminalpolizei. Der Film erzählt einen frühen Fall von Fake-News (die 44-minutige Dokumentation und Reportage steht noch bis zum 23. März in der ARD-Mediathek).

Die Nazis haben Bruno Lüdke 1940 nach Paragraph 51 für „schwachsinnig“ erklärt und nach dem „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ seine Zwangssterilisation im Krankenhaus Köpenick angeordnet. Als im Stadtwald hinter dem Krankenhaus die Leiche einer vergewaltigten und erwürgten Fau aufgefunden wurde, ist der „doofe Bruno“ verdächtig und wird verhaftet. Nach monatelangen Verhören und immer weiteren „Geständnissen“ wird er im Dezember 1943 in das Kriminalmedizinische Institut der Sicherheitspolizei in Wien verlegt. Im April 1944 bringen die Nazis Bruno Lüdke um.

„Im Kiez gilt Bruno Lüdke als komischer Kauz, doch auch als friedfertiger Mensch, gutmutiger Mensch. Selbst die örtliche Polizei hält ihn für ungefährlich. Er arbeitet in der Wäscherei seiner Mutter als Kutscher. Ab und an lässt er Kinder auf dem Bock mitfahren“, schreibt Katrin Bischof diese Woche in der Berliner Zeitung über den Massenmörder, der keiner war.

Nach 1945 erlebt der Fall Lüdke seine mediale Auferstehung mit Fake-Storys über den „Teufel in Menschengestalt“ im Spiegel und in der Münchener Illustrierten. Die „Fakten“ liefert Bernd Wehner, ein hochrangiger Beamter des NS-Reichskrimininalhauptamtes. Wehner hat die Ermordung Lüdkes vorbereitet und gedeckt. Ende der 1950er-Jahre wurde er zum Leiter der Kriminalpolizei Düsseldorf berufen. Er galt als unbescholtener Kriminalist.

Ende August vergangenen Jahres wurde der Stolperstein für Bruno Lüdke in der Straße Grüne Trift 32A in Köpenick ganz nahe einer Schule verlegt. Er ist einer von mehr als 9.000 in Berlin. Mario Adorf und der Bundespräsident waren dabei.

Frank-Walter Steinmeier dankte der Initiative der Stolpersteine, „weil sie eben auch jüngere Leute, jüngere Generationen über unsere eigene Geschichte stolpern lässt, nachdenken lässt darüber, was an Unrecht geschehen ist und mithelfen lässt, dass solches nie wieder geschieht“.

Auf den Stolpersteinen sind auf einer Messingplatte Namen und Daten von Menschen eingraviert, die während der Nazi-Zeit verfolgt und ermordet wurden, aus Deutschland fliehen mussten oder die Lager überlebten.

Sie werden in die Bürgersteige vor den letzten freiwilligen Wohnorten der Opfer eingelassen. Verlegt werden sie vom Künstler Gunter Demnig, der diese Initiative in den 1990er-Jahren ins Leben gerufen hat.