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Erinnerung an „Euthanasiemorde“ im gesellschaftlichen Bewusstsein verankern

Bild zum Gedenken mit Kränzen von Corinna Rüffer
Bild zum Gedenken mit Kränzen von Corinna Rüffer
Foto: Corinna Rüffer

Berlin (kobinet) Anlässlich des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar wurde von vielen politisch Aktiven auch der Opfer der "Euthanasiemorde" gedacht. So besuchten beispielsweise Stephanie Aeffner und Corinna Rüffer, Berichterstatterinnen für Behindertenpolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, den Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen "Euthanasiemorde“ in der Tiergartenstraße 4 und betonten die Verantwortung der Gesellschaft für die Achtung der Würde aller Menschen und für die volle Garantie aller Menschenrechte.

„Mit der Ermordung von Menschen mit Behinderung aus den ‚Heil- und Pflegeanstalten‘ hat die systematische Massenvernichtung durch das nationalsozialistische Regime seinen Lauf genommen. Ihnen, die als Erste der menschenverachtenden NS-Ideologie zum Opfer fielen, möchten wir heute besonders gedenken“, teilten die beiden Grünen-Politiker*innen mit. Stephanie Aeffner betonte dabei die Verantwortung der Gesellschaft für die Achtung der Würde aller Menschen und für die volle Garantie aller Menschenrechte: „Nichts bleibt mehr, wenn wir Leben werten, außer Kälte, Dunkelheit und Schmerz. Mit der Unterscheidung in ‚die‘ und ‚wir‘ wurde der Grundstein für eine Wertung gelegt, wer lebenswert ist. Was würden wir als Gesellschaft gewinnen, wenn wir unser aller Fähigkeiten und Wert gegenseitig anerkennen und uns mit Achtung begegnen.“

Die Regierungskoalition aus SPD, Grüne und FDP hat sich vorgenommen, die Opfer der „Euthanasiemorde“ und Zwangssterilisation offiziell als Opfer des Nationalsozialismus anzuerkennen. Corinna Rüffer erklärte dazu: „Dass erst 2014, fast 70 Jahre nach Kriegsende, ein eher unscheinbarer Gedenkort für die Opfer der ’Euthanasie‘-Morde eingerichtet wurde, zeigt, dass diese Ereignisse noch immer ein Schattendasein in unserer Erinnerungskultur führen. Die NS-Verbrechen an Menschen mit Behinderungen und die Folgen müssen umfassend aufgearbeitet und im gesellschaftlichen Bewusstsein verankert werden. Aus unserer historischen Verantwortung resultiert auch die Verpflichtung, heute inklusive Strukturen zu schaffen, die gegen Abwertung, Diskriminierung und Ausgrenzung von Menschen mit Behinderungen wirken.“

Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen gehörten zu den ersten Opfern der Nationalsozialisten. An ihnen erprobten sie den staatlich koordinierten Massenmord an Jüdinnen und Juden. Bereits ab 1934 wurden schätzungsweise 400.000 Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen aufgrund der Rassengesetze zwangssterilisiert, viele Tausend starben an den Folgen des Eingriffs. Unter dem Decknamen „Aktion T4“ töteten die Nationalsozialisten ab 1940 planmäßig etwa 300.000 Menschen mit Behinderung und psychischen Erkrankungen.

Die grünen Bundestagsabgeordneten Stephanie Aeffner und Corinna Rüffer ergänzen: „Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass die Abwertung von und die gravierenden Menschenrechtsverletzung an Menschen mit Behinderungen nicht mit der NS-Herrschaft endeten. Bis in die 1980er Jahre haben Kinder und Jugendliche in Behindertenheimen und Psychiatrien schlimmste Grausamkeiten erlebt. Hunderte, eventuell sogar Tausende von ihnen wurden dort offenbar auch für Medikamententests missbraucht. Die Vorwürfe müssen dringend systematisch und umfassend aufgeklärt werden. Die Opfer haben ein Recht darauf, dass das Unrecht, das sie erleiden mussten, benannt, anerkannt und entschädigt wird.“

Neben den Grünen-Politiker*innen haben auch andere Akteur*innen den Gedenkort besucht und an die „Euthanasiemorde“ erinnert, so zum Beispiel Takis Mehmet Ali und Angelika Glöclner von der SPD-Bundestagsfraktion, Hubert Hüppe und Wilfried Oellers von der CDU/CSU Bundestagsfraktion. Auch auf Landesebene gab es verschiedene Gedenkveranstaltungen, wie beispielsweise in Sachsen. Gemeinsam mit Ministerpräsident Michael Kretschmer hat der Landesinklusionsbeauftragte des Freistaats Michael Welsch mit einem Besuch der Gedenkstätte Großschweidnitz der „Euthanasie“-Opfer des Naziregimes gedacht.