
Foto: Susanne Göbel
Kassel (kobinet) Auch wenn die täglichen Zahlen zur Corona-Pandemie immer frustrierender und erschreckender ausfallen und viele diese gar nicht mehr hören wollen, so stellt die Marke von nunmehr über 100.000 Menschen, die an den Folgen der Corona-Pandemie verstorben sind, für kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul eine Zahl dar, die Erwähnung finden muss. Denn für ihn sind nun einschneidende Maßnahmen nötig, um weitere Opfer der Pandemie zu verhindern, wie er in seinem Kommentar für die kobinet-nachrichten schreibt.
Kommentar von kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul
Wer hätte das geahnt als im Februar 2020 die Corona-Pandemie zunehmend die Schlagzeilen beherrschte. Allein in Deutschland sind mittlerweile über 100.000 Menschen an den Folgen der Pandemie gestorben, weltweit wurde die Marke von fünf Millionen Toten längst überschritten, wobei die Dunkelziffer noch viel höher sein dürfte. Und während anfangs in der Pandemie noch über einzelne mit dem Coronavirus infizierte Menschen in Deutschland berichtet wurden, reden wir nunmehr von über 75.000 Neuinfizierten pro Tag mit über 350 Toten in 24 Stunden. Begleitet wird dieser massive Anstieg der mit dem Virus Infizierten in den letzten Wochen von dringenden Appellen aus der Ärzteschaft und von den Pflegekräften und immer dringender werdenden Meldungen, dass die Kliniken überlastet sind und für die Betroffenen wichtige Operationen verschoben werden müssen. Die Zahl der Menschen, die in andere Kliniken verlegt werden müssen, steigt täglich ebenfalls an. So ist auch der Begriff der Triage wieder mitten in unserem Alltag angekommen, für behinderte und ältere Menschen bei den derzeitigen Empfehlungen eine ganz besondere Gefahr.
Nach den erst kürzlich beschlossenen Maßnahmen im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes will sich die neue Regierungskoalition noch ein paar Tage Zeit lassen, um über weitere Maßnahmen zu entscheiden. Die noch geschäftsführend im Amt befindliche Bundesregierung, die von der CDU/CSU und SPD gestellt wird, hat die Entwicklung, die viele für den Herbst vorausgesagt hatten, weitgehend verschlafen. Selbst bei der anstehenden Boosterimpfung, die ja nicht vom Himmel gefallen ist, lief viel zu schleppend an und gestaltet sich zunehmend schwierig.
Das Problem ist, dass all die Maßnahmen, die man heute ergreifen würde, erst in einigen Wochen richtig Wirkung zeigen. Gerade deshalb tut schnelles Handeln mehr Not denn je. So ist auch die Diskussion über die Impfpflicht eine Diskussion, die nur zeitversetzt greift, aber dennoch nicht zuletzt aufgrund immer wieder neu auftretender Mutationen entscheidend sein kann. So ist heute die Delta-Variante die dominante Bedrohung und nun werden die Nachrichten einer neuen Variante aus Südafrika immer lauter. Weiteres Zögern ist also kein Gebot der Stunde, sondern kann schlichtweg viele weitere Menschenleben kosten.
Und zu den Diskussionen gehört gerade auch die Debatte zu einer Impfpflicht, die in ganz verschiedenen Varianten geführt wird. Soll es eine allgemeine Impfpflicht geben? Soll diese nur für Beschäftigte in körpernahen Bereichen wie der Pflege erfolgen? Wird diese nur auf Einrichtungen der Pflege und/oder der Behindertenhilfe begrenzt oder gilt sie auch für den ambulanten Bereich? Was es meines Erachtens derzeit braucht, sind klare Ansagen der politisch Verantwortlichen, die sich am Schutz von Menschenleben orientieren und sich nicht im Klein-klein verliert. Denn zu Beginn der Pandemie wurden viele Fehler gemacht und vor allem immer wieder die vulnerablen Gruppen vergessen, die nicht im herkömmlichen Aussonderungssystem leben. Es gilt also meines Erachtens nun alle Menschen zu schützen, die im Falle einer Infektion erhöhten Risiken ausgesetzt sind – und das wäre mittelfristig durch eine Impfpflicht für alle mehr als angesagt. Die damit verbundenen Diskussion müssen wir angesichts von mittlerweile über 100.000 Corona-Toten und der täglich steigenden Zahlen schlichtweg aushalten.