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Berlin (kobinet) Die Corona-Pandemie trifft den traditionsreichen Begegnungsort und Lebensmittelpunkt für Gehörlose schwer, erfuhr kobinet heute vom ausschließlich aus tauben Mitgliedern bestehenden Vorstand der “Gesellschaft zur Förderung der Gehörlosen in Berlin (GFGB e.V.). Droht nun das Aus für Sozialberatung, Jugendclub, Freizeitangebote und Gebärdensprachkultur?
Das Gehörlosenzentrum in der Kreuzberger Friedrichstraße 12 ist seit 1993 Anlaufstelle für gehörlose Menschen in Berlin und für solche, die den Kontakt zur Gebärdensprachgemeinschaft suchen. Historisch sind persönliche Treffen für Gehörlose von besonderer Bedeutung, um als versprengte Gemeinde den persönlichen Kontakt zu pflegen und die Community zu stärken. Unterstützung von Politik und Gesellschaft ist gefragt, um das Zentrum und die Sozialberatung zu erhalten.
Im August 2019 fand eine Neuwahl des Vorstands statt. „Er setzt sich nun erstmalig rein aus tauben Mitgliedern zusammen. Diese hatten große Pläne: Dem Gehörlosenzentrum zu neuem Glanz verhelfen, Veranstaltungen anzukurbeln, sich politisch mehr zu engagieren, eine Senior*inneneinrichtung für Gehörlose zu planen. Da kam dann aber die Corona-Krise in die Quere. Das Tückische: Da der Verein durch die desolate Lage vorher keine Umsatzeinbrüche im eigentlichen Sinne hatte, bestand auch kein Anspruch auf Corona-Hilfen“, heißt es in einer Presseinformation.
Jetzt steht der Verein vor der Herausforderung, die Eigenmittel aktuell um rund 40.000 Euro zu steigern, sonst werden die Fördermittel aus dem “Integrierten Sozialprogramm” gestrichen. Die für Gehörlose existenzielle Sozialberatung müsste eingestellt und das Haus langfristig geschlossen werden. Dabei handelt es sich für viele der rund 6.000 in Berlin lebenden gehörlosen Menschen um die einzige barrierefreie Beratungsstelle.
Eines der vielen Angebote ist der berlinweit einzige Jugendclub für taube Jugendliche, der Ort und Anlaufstelle für und mit Gleichaltrigen bietet. Zudem würden weitere Vereine und Einrichtungen ihr Zuhause verlieren.
Das Gehörlosenzentrum in der Schönhauser Allee, betrieben durch den Ost-Berliner Verein der Gehörlosen der neuen Bundesländer, musste vor einigen Jahren bereits schließen. Ursache war hier die Gentrifizierung des Stadtteils Prenzlauer Berg.
Der GFGB-Vorstand fordert die Politik auf, die Budgets für Behindertenhilfe sofort zu erhöhen, sodass die Zuwendungen sich realistisch an den aktuellen Sachkosten orientieren. Die Eigenbeträge müssten reduziert und die Förderung erhöht werden. Sonst würde im Juni das Zentrum seine Pforten schließen.