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Nebelkerzen zur Novellierung des Personenbeförderungsrechts

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Foto: omp

Berlin (kobinet) Kurz vor Weihnachten wurde im Bundeskabinett der Gesetzentwurf zur Modernisierung des Personenbeförderungsrechts verabschiedet. Zentrales Element ist das Personenbeförderungsgesetz (PBefG), durch das bereits seit 2002 die Herstellung von Barrierefreiheit im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) verpflichtend ist. Wesentlicher Anlass für die jetzige Novellierung des Gesetzes ist die Schaffung einer Rechtsgrundlage für die neuen sogenannten Bedarfsverkehre. Doch dabei gibt es für die gleichberechtigte Beförderung behinderter Menschen Probleme.

Diese Bedarfsverkehre, die bereits in vielen Kommunen erprobt werden, fahren ohne feste Linienführung und sind auf Abruf verfügbar. Sie können laut Gesetzentwurf Teil des ÖPNV sein (und unterliegen dann den Anforderungen an die Barrierefreiheit) oder auf privatwirtschaftlicher Basis betrieben werden. Gleiches gilt für die Vermittlungsdienste. Buchung und Bezahlung erfolgt in der Regel elektronisch. Und genau hier liegt das Problem.

Den in § 50 PBefG (Gebündelter Bedarfsverkehr) erfassten privaten Dienstleistern wird an keiner Stelle des Gesetzentwurfs vorgeschrieben, dass die Buchung und Bezahlung barrierefrei sein muss. Abhilfe könnte hier, neben der verpflichtenden Anwendung der BITV 2.0 für private Dienstleister, der European Accessibility Act (EAA – EU-Richtlinie 2019/882) schaffen, der verpflichtende Barrierefreiheitsanforderungen an Produkte und Dienstleistungen stellt. Dessen Umsetzung in nationales Recht soll noch in dieser Legislaturperiode erfolgen.

Die Krux: Für Personenverkehrsdienstleistungen nimmt das Bundesverkehrsministerium für sich in Anspruch, Anforderungen an die Barrierefreiheit selbst zu regeln. Solche Dienstleistungen werden also aller Voraussicht nach nicht Teil des deutschen EAA-Gesetzes sein.

Gleichzeitig schreibt Bundesverkehrsminister Scheuer in seinem Schreiben an die Kabinettsmitglieder zur Kabinettssitzung am 16. Dezember 2020, welches den kobinet-nachrichten vorliegt: „Für eine Regelung mit Vorgaben zu barrierefreien Fahrgastinformations-, Buchungs- und Bezahlsystemen im Linien- und Gelegenheitsverkehr sollte zunächst die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen abgewartet werden.“

„Das nennt man doch wohl eine Nebelkerze“, kritisiert die LIGA Selbstvertretung. Der Bundesminister möchte die nationale Umsetzung des EAA abwarten, während zeitgleich sein Haus für sich reklamiert, Personenverkehrsdienstleistungen selbst zu regeln, und damit eine Regelung im deutschen EAA-Gesetz blockiert.