Pirmasens (kobinet) Der Integrationsdienst der Heinrich Kimmle Stiftung in Pirmansens bietet eine Reihe von Unterstützungen behinderter Menschen zur Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt an, wie zum Beispiel über das Budget für Arbeit. kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul sprach mit Michael Zobeley, dem Leiter des Integrationsdienstes u.a. über seine Erfahrungen mit dem Budget für Arbeit und dem Budget für Ausbildung.
kobinet-nachrichten: Herr Zobeley, Sie sind bei einem Integrationsfachdienst in Pirmasens beschäftigt. Wo ist dieser angesiedelt und welche Aufgaben haben Sie da genau?
Michael Zobeley: Korrekterweise handelt es sich nicht um einen Integrationsfachdienst nach §192 SGB IX; wir nennen unseren Dienst Integrationsdienst, weil wir uns ganz ursprünglich um die berufliche Integration unserer Werkstattbeschäftigten außerhalb der WfbM kümmern. Das hat sich zwischenzeitlich ganz wesentlich ausgeweitet. Im Grunde agieren wir in diesem Bereich als „virtuelle Werkstatt“, das heißt, wir bieten alle Werkstattleistungen „ambulant“ an. So können Beschäftigte über uns an Werksstatt teilhaben, ohne auch nur einen Tag die Werkstatt zu besuchen.
Aktuell kümmern sich 16 Fachleute um die verschiedenen Aufgaben – zusätzlich aber auch um Arbeitsmarktdienstleistungen wie die „Unterstützte Beschäftigung“, die DIA-AM als Diagnosemaßnahme, ein Intensiv-Coaching für gesundheitlich eingeschränkte Arbeitssuchende und viele weitere Projekte. Wir streben immer die individuell passende Lösung für den einzelnen Menschen in seiner aktuellen Situation an, indem wir versuchen, ein ganzes Portfolio an Möglichkeiten vorzuhalten. Diese Bündelung von Inklusionsbemühungen ist nach meiner Einschätzung schon einzigartig. Dabei sind wir maximal mobil und bestens vernetzt in der Region.
Meine Aufgabe ist die Leitung der Dienststelle, die konzeptionelle Weiterentwicklung unserer Maßnahmen und die Koordinierung der einzelnen Projekte.
kobinet-nachrichten: In Rheinland-Pfalz gibt es ja das Budget für Arbeit schon seit fast 15 Jahren. Spielt dies in Ihrer Arbeit eine wichtige Rolle und wie viele behinderte Menschen konnten bei Ihnen schon durch ein Budget für Arbeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelt werden, die sonst in Werkstätten für behinderte Menschen arbeiten würden?
Michael Zobeley: In der Tat zählen wir uns als Heinrich Kimmle Stiftung zu den Pionieren in Rheinland-Pfalz, was das Budget für Arbeit anbelangt. Unser Ziel im Werkstattbereich ist es immer, den Werkstattstatus zu überwinden und in sozialversicherungspflichtige Arbeit zu gelangen. Das Budget ist hierfür ein probates Mittel. So konnten wir bis dato fast 30 Personen in ein Budgetverhältnis bringen.
kobinet-nachrichten: Welche Vorteile und welche Nachteile sehen Sie im Budget für Arbeit, die auch von den potentiellen Nutzer*innen dieser Unterstützungsform berücksichtigt werden sollten?
Michael Zobeley: Die Vorteile liegen auf der Hand: heraus aus dem Status, bei einem Leistungserbringer der Eingliederungshilfe beschäftigt zu sein. Statt dessen ein regulärer Arbeitsvertrag in einem Betrieb oder einer öffentlichen Einrichtung – also am Arbeitsmarkt. Damit verbunden ein augenscheinlich besserer Verdienst. Das bedingt oft einen Ausstieg aus der Grundsicherung, die ja immer noch oft als „Sozialhilfe“ verstanden wird. Allerdings dünnen sich diese Argumente bei genauerer Betrachtung ein wenig aus. Die Eingliederungshilfe fördert den Verdienst ja weiter wesentlich. Je nach tatsächlicher Lohnhöhe muss die Grundsicherung weiter unterstützen (zum Beispiel bei Teilzeitverhältnissen). Parallel fallen zuweilen finanzielle Teilhabeleistungen weg oder müssen selbst mitfinanziert werden. So haben wir schon erlebt, dass sich Personen nach genauer Prüfung der finanziellen Auswirkungen gegen die Inanspruchnahme eines Budgets entschieden haben und einen gut bezahlten ausgelagerten Arbeitsplatz bevorzugten. Das kann dann schon auch mal frustrieren.
kobinet-nachrichten: Seit 2020 gibt es auch das Budget für Ausbildung. Haben Sie damit schon Erfahrungen gesammelt und welche Möglichkeiten und Grenzen sehen Sie hierbei?
Michael Zobeley: Ein Magazin für berufliche Teilhabe hat das Budget für Ausbildung kürzlich als „Förderinstrument ohne Zielgruppe“ betitelt. Das deckt sich in ungefähr mit meinen Erfahrungen. Gedacht für Schulabgänger als Alternative zur Werkstatt kommt das für nur sehr wenige Menschen infrage. Denn entweder besteht („aufgrund Art und Schwere der Beeinträchtigung“) der Bedarf an Werkstatt oder nicht. Anders ausgedrückt: entweder liegt eine volle Erwerbsminderung vor oder eben nicht. Der Besuch einer berufsbildenden Schule – wenn auch theoriereduziert – wird dann eher schwierig; der Azubi muss unter Umständen mit anderen Azubis ohne Beeinträchtigung konkurrieren. All das macht es schwierig. Hinzu kommt die fehlende Trennschärfe zu betriebsintegrierter beruflicher Bildung – die wir übrigens intensiv anwenden – und der Unterstützten Beschäftigung, die ja in den ersten 24 Monaten eine ebenfalls reine berufliche Qualifizierung darstellt. Dem gegenüber hatten wir kürzlich den Fall, dass eine junge Frau auf einem ausgelagerten Arbeitsplatz die Möglichkeit hatte, in ein solches Budget für Ausbildung zu münden. Dem stimmte die Agentur für Arbeit aber nicht zu, weil bereits der Berufsbildungsbereich durchlaufen war und eine zweifache Förderung nicht vorgesehen ist. Erst einmal in der Werkstatt, kommt das Budget für Ausbildung also nicht infrage. Das empfinde ich als klaren Fehler im System.
kobinet-nachrichten: Beim Blick auf diese Förderinstrumente als Alternative zu einer Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen gestaltet sich die Nutzung zum Teil recht unterschiedlich, wie zum Beispiel in Integrations- bzw. Inklusionsunternehmen. Was sollte dabei Ihrer Meinung nach beachtet bzw. differenziert betrachtet werden?
Michael Zobeley: Auch das ist für mich ein neuralgischer Punkt. Ein Inklusionsunternehmen hat ein anderes Interesse, Budgetplätze anzubieten, als Regelbetriebe. Eine gemischte Besetzung mit Inklusionsmitarbeitern und Budgetnehmern ergibt oft attraktive finanzielle Effekte. Außerdem sind viele dieser Unternehmen in der Trägerschaft von Werkstattträgern, die ihren Beschäftigten gerne solche Arbeitsplätze anbieten, die vielmehr sogar aus genau diesem Grund solche Inklusionsunternehmen betreiben.
Dem gegenüber haben Regelbetriebe diese Motivation erstmal nicht und müssen von der Einrichtung solcher Budgetplätze erst einmal überzeugt werden. Von daher erachten wir diese Differenzierung als wichtig, wenn es um eine qualitative Bewertung geht.
kobinet-nachrichten: Wenn Sie drei Wünsche für die Weiterentwicklung des Budget für Arbeit bzw. des Budget für Ausbildung hätten, welche wären das?
Michael Zobeley: Zunächst insgesamt – wer hätte das gedacht? – weniger Bürokratie in der Anwendung. Manche Leistungsträger erwarten mittlerweile eine jährliche Neubeantragung, obwohl das Budget für Arbeit ja dauerhaft gilt. Das verunsichert die Budgetnehmer wie Arbeitgeber unnötig.
Dann, dass man mehr Ehrlichkeit bei der Bewertung der Bedeutung walten lässt. So ungern ich das sage: Letzten Endes entscheidet der Markt über die Inklusionschancen und nicht das Instrument. Deshalb müssen Arbeitgeber von den individuellen Leistungen der Beschäftigten überzeugt werden, dann spielt sogar die Höhe der Förderung nicht mehr die größte Rolle.
Und dass man sich vom Schubladendenken verabschiedet, den Zugang zu den Instrumenten – insbesondere dem Budget für Ausbildung – also deutlich einfacher gestaltet. So könnte auch erreicht werden, dass man Werkstatt nicht pauschal als „schlecht“ und Arbeitsmarkt als „gut“ empfände.
kobinet-nachrichten: Vielen Dank für das Interview.
Link zu weiteren Informationen zum Integrationsdienst der Heinrich Kimmle Stiftung