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Betreuungsrecht: Echte Reform oder Reförmchen?

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Foto: Bundestag, gemeinfrei

Berlin (kobinet) Zum Aschluss der gestrgen Plenarsitzung des Deutechen Bundestages wurde am 26. Novmeber der Gesetzentwurf der Bundesregiertung über die Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts diskutiert und zur weiteren parlamentarischen Bearbeitung an den zuständigen Ausschuss überwiesen. In der Debatte reichten die Beiträge vom großen Lob für die längst überfällige Reform der gesetzlichen Regelungen, die zum Teil noch aus der Kaiserzeit stammen, bis zur heftigen Kritik, dass die Reform nicht die Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention erfüllt.

Bericht von kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul

Dass die Gesetzesreform, die zu später Stunde im Bundestagsplenum diskutiert wurde, kein Randthema ist, sondern über 1,250.000 Menschen, die Betreuung nutzen, direkt und viele Angehörige indirekt betrifft, wurde bei der Debatte mehrfach betont. Sie reichte aber auch von der fast uneingeschränkten Befürwortung der zuständigen Staatssekretärin des Bundesjustizministeriums bis zur Frontalkritik von Jörg Pellmann von der Linksfraktion und Corinna Rüffer von der Bundestagsfraktion von Bündnis 90 / Die Grünen. Auf jeden Fall lohnt es, sich diese Debatte in der Mediathek des Deutschen Bundestages anzusehen. Denn gerade in Corona-Zeiten ist vielen Menschen bewusst geworden, wie schnell es gehen kann, dass man auf Unterstützung und evtl. auch auf eine gesetzliche Betreuung angewiesen sein kann. Zudem verlässt selten ein Gesetzentwurf den Bundestag so, wie er eingebracht wird, so dass man auf die weiteren Beratungen im Ausschuss, die Sachverständigenanhörung und die abschließende Beschlussfassung im Plenum in den nächsten Wochen gespannt sein darf.

Link zur knapp 40minütigen Debatte zur Ersten Lesung der Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts im Plenum des Deutschen Bundestages und zu weiteren Infos zum Gesetz

Im Vorfeld der Debatte hatten sich bereits eine Reihe von Behindertenverbänden mit Stellungnahmen und Pressemeldungen zu Wort gemeldet. Vonseiten des Sozialverband VdK Deutschland hieß es von der Präsidentin Verena Bentele beispielsweise: „Der Gesetzentwurf des Justizministeriums verbessert endlich die Situation für die Menschen, die rechtlich betreut werden müssen. Das begrüßen wir sehr. Darauf haben die Betroffenen lange gewartet, und wir als VdK sind lange im Sinne unserer Mitglieder für Verbesserungen eingetreten. Die Reform ist ein wichtiger Schritt für mehr Selbstbestimmung von Menschen, für die aufgrund einer Behinderung oder Krankheit eine rechtliche Betreuung angeordnet wurde. Doch da ist noch Luft nach oben.“ Bisher seien Berufsbetreuer oft so überlastet gewesen, dass manche statt zu unterstützen einfach für die rechtlich Betreuten entschieden hätten. Das werde sich durch die Reform ändern. „Erst der persönliche Kontakt und Gespräche sichern ab, dass Berufsbetreuer im Sinne der Betreuten handeln können. Der VdK fordert aber weiter, dass Betreute – anders als bisher – mehr in die Kontrolle der rechtlichen Betreuung einbezogen werden. Der VdK schlägt deshalb vor, dass Berufsbetreuer, etwa in Jahresberichten, dokumentieren, wann sie stellvertretend für den Betreuten gehandelt haben. Diese Informationen müssen auch für die Betreuten zugänglich sein. Wichtige Entscheidungen, etwa über einen Umzug in eine neue Wohnung oder mit wem sich Betreute treffen möchten, dürfen nicht über ihren Kopf hinweg geregelt werden. Der VdK fordert daher, dass die Betreuungsgerichte die Betroffenen vorher anhören müssen. Das würde ihre Selbstbestimmung weiter stärken.“

Vonseiten der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) hatte Thomas Künneke im Vorfeld gefordert, dass die Rechte auf Selbstbestimmung und das Wunsch- und Wahlrecht den Maßstab einer Neuordnung des Betreuungsrechts bestimmen müssen. Rechtliche Betreuungen seiennur einzurichten, wenn keine anderen Unterstützungsleistungen im Sozialrecht möglich sind. Für diese Prüfung seien Clearingstellen einzurichten. „Betreuer*innen und Richter*innen treffen aufgrund der nicht vorhandenen eindeutigen Ausrichtung des Gesetzes und der fehlenden Ressourcen oftmals Entscheidungen, die zu Lasten der so wichtigen unterstützenden Entscheidungsfindung gehen!“, erklärte Thomas Künneke von der ISL, der sowohl die Stellungnahme zum Gesetzentwurf für den Verband verfasst hat, als auch im Aktion Mensch-Projekt „Unterstützte Entscheidungsfindung – leicht und gut gemacht“ aktiv ist. Dieser Umstand stehe ganz klar dem Artikel 12 der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), der Rechts- und Geschäftsfähigkeit der Menschen, entgegen.

Link zum kobinet-Bericht über die Kritik der ISL am Gesetzeentwurf

Auch Ulla Schmidt in ihrer Doppelrolle als Vorsitzende der Bundesvereinigung Lebenshilfe und als Bundestagsabgeordnete der SPD hatte sich im Vorfeld der Debatte für Verbesserungen des Gesetzentwurfs ausgesprochen und betont: „Die Reform ist längst überfällig. Wir sehen in dem Regierungsentwurf einen Fortschritt, doch das Gesetz muss unbedingt noch besser werden.“ Die Lebenshilfe hat deshalb die bundesweite Kampagne „BetreuungsRechtsReform – aber richtig! gestartet

Link zum kobinet-Bericht über die Vorschläge der Lebenshilfe