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Gutachten über Fahrgastrechte

Foto  zeigt Jürgen Dusel
Jürgen Dusel
Foto: Irina Tischer

Berlin (kobinet) Bahn muss Mobilitätsservice besser ausstatten. Das betonte heute Bundesbehindertenbeaiftragter Jürgen Dusel. Die Schlichtungsstelle BGG - angesiedelt beim Behindertenbeauftragten der Bundesregierung - hat das Gutachten von Rechtsanwalts Oliver Tolmein (Kanzlei Menschen und Rechte Hamburg) veröffentlicht, das sich mit der Barrierefreiheit bei der Deutschen Bahn - aber auch bei privaten Eisenbahnunternehmen - auseinandersetzt.

„Dieses Gutachten ist im wahrsten Sinne des Wortes ‚bahnbrechend‘. Es zeigt mehr als deutlich, dass insbesondere das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur mit dem nachgeordneten Eisenbahn-Bundesamt in puncto Barrierefreiheit in der Pflicht steht und Versäumnisse aufzuholen hat“, so der Beauftragte.

Eine Baustelle ist zum Beispiel der Mobilitätsservice für barrierefreies Reisen, sagt Dusel, „der deutlich besser ausgestattet werden muss. Bislang ist eine Bahnreise im Fernverkehr für Menschen im Rollstuhl nur nach Voranmeldung und in einem bestimmten Zeitfenster möglich – was oftmals wie ein Glücksspiel ist, fernab jeglicher Lebensrealität und damit faktisch eine Beschränkung der Reisefreiheit bedeutet.“

Menschen mit Behinderungen hätten jedoch ein Recht darauf, als gleichberechtigte Fahrgäste behandelt zu werden, so Dusel weiter. „Mobilität ist eine Grundvoraussetzung für echte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben – egal ob jemand zur Arbeit kommen muss oder Urlaub machen will. Hier muss so schnell wie möglich gehandelt werden und nicht erst in einigen Jahren.“ Nach Ansicht des Beauftragten darf es beim Ausbau der Barrierefreiheit nicht mehr zu „Verzögerungen im Betriebsablauf“ kommen.

Menschen mit Behinderungen, ob mit motorischen Einschränkungen, Sinnesbeeinträchtigungen oder kognitiven Einschränkungen, müssen im Bahnreiseverkehr nicht selten massive Einschränkungen hinnehmen: So ist der Mobilitätsservice nur zu bestimmten Uhrzeiten und nach Voranmeldung im Einsatz, es fehlen Blindenleitsysteme, Lautsprecherdurchsagen oder visuelle Informationen für gehörlose Menschen. Auch Informationen in Leichter Sprache gibt es faktisch keine.

Das Gutachten beschreibt die Versäumnisse der letzten Jahre und arbeitet die rechtlichen Grundlagen und Rahmenbedingungen, insbesondere aus Artikel 9 in Verbindung mit Artikel 2 und 4 der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), §§ 1 Absatz 3 und 7 Absatz 1 und 2 des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG), § 8 Absatz 5 BGG in Verbindung mit § 2 Absatz 3 Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) sowie der Artikel 21 bis 24 der Verordnung (EG) 1371/2007 klar heraus: Der Bund – als Eigentümer der Deutschen Bahn AG – muss danach in noch stärkerem Umfang dafür sorgen, dass gesetzliche Vorgaben umgesetzt werden. Das Eisenbahn-Bundesamt als zuständige Aufsichtsbehörde muss seiner Kontrollfunktion – auch in Bezug auf Barrierefreiheit bei privaten Eisenbahn-Anbietern – noch stärker nachkommen. Ein wichtiger Punkt ist außerdem, dass Menschen mit Behinderungen viel stärker und verbindlicher als bisher an der Entwicklung von Programmen zur Barrierefreiheit beteiligt sein müssen.

Lesermeinungen

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Michael Günter
28.07.2020 19:15

Hmm,
kommt es nur mir komisch vor, dass man mittlerweile für jedes Problem, das man mit Händen greifen kann auch noch ein Gutachten braucht? Nichts gegen RA Tolmein, der Mann ist wirklich ein Segen!
Früher – und darüber konnte man hier die letzten Tage viel lesen, wurden Probleme von der Politik angepackt, siehe nur die Artikel zu ADA und auch zum Handeln von H.-J.- Vogel.
Warum müssen behinderte Menschen auch 11 Jahre nach Ratifizierung der UN-BRK belegen, dass sie benachteiligt werden? Warum müssen staatliche Stellen nicht belegen, dass ihre Versorgungsstrukturen niemanden benachteiligen – im Sinne einer Beweislastumkehr?
Was ebenfalls komisch ist: Heute kommt diese Nachricht genau zeitgleich mit der, dass die DB im 1. Halbjahr einen Miliardenverlust gemacht hat – Zufall?