Kassel (kobinet) Einen lauschigen Abend zur Geschichte der Behindertenbewegung erlebten gestern die Teilnehmer*innen des Sommercamps für ein selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen und einige Gäste. Christian Judith von K-Produktion, Jörg Fretter vom Archiv der Behindertenbewegung und Eileen Friesecke von den Kellerkindern berichteten u.a. darüber, wie sie zur Behindertenbewegung kamen, was sie geprägt hat und was sie sich für die Zukunft wünschen.
Nachdem am 9. Juli bereits die sogenannten Großeltern der Behindertenbewegung über die Zeiten des Krüppeltribunals, des Hungerstreiks in Bremen und die große Demo gegen das Reiseurteil in Frankfurt berichtet hatten, waren gestern die sogenannten Eltern der Behindertenbewegung an der Reihe. Für Christian Judith war ein Schlüsselerlebnis ein schlechter Film zum Thema Behinderung und damit verbundene Diskussionen mit einer Dozentin in einem Seminar an der Uni, das beim ihm ein Aha-Erlebnis auslöste und ihn zur Behindertenbewegung brachte. Jörg Fretter erlebte an der Uni, welche Benachteiligungen es dort für behinderte Studierende gibt und machte bei der Übergabe eines Ordens der Ignoranz an das hessische Kultusministerium mit. Eileen Friesecke kam durch engagierte und lange Diskussionen bei den Kellerkindern zur Bewegung. Allen gemeinsam ist, dass damals sehr viel diskutiert wurde und es lange Abende gab. Dass dabei zum Teil auch heftig gestritten und um Positionen gerungen wurde, das bekräftigte Anneliese Meyer, die damals das Forum der Krüppel- und Behinderteninitiativen koordinierte.
So floßen am gestrigen Abend vielfältige Erfahrungen ein, die in der auf eine Stunde begrenzten Zoomkonferenz zwar nur leicht berührt werden konnten, aber dennoch ein Bild von einer spannenden sozialen Bewegung formte, die zum Teil hart für ihre Rechte gekämpft und auch einiges erreicht hat. Uwe Frevert vom Vorstand der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) brachte es zum Ende der Diskussion auf den Punkt, in dem er darauf hinweise, dass es zwischen vielen Aktiven ein starkes Band gibt, das verbindet und dass dies etwas ganz besonderes sei.
Dass es aber nach wie vor viel zu tun gibt, um den massiven Benachteiligungen entgegenzuwirken und Angriffen auf die Selbstbestimmung behinderter Menschen abzuwehren, daran ließen die Redebeiträge auch keinen Zweifel. So darf man gespannt sein, was die sogenannten jungen Wilder der Behindertenbewegung am 29. Juli beim Sommercamp zu erzählen haben. Die leckeren Getränke haben einige Teilnehmer*innen dafür schon einmal kalt gestellt. Und auch die Wünsche für die Zukunft der Teilnehmer*innen der gestrigen Diskussion machen deutlich, dass es noch viel gemeinsam zu erreichen gilt.