Menu Close

Wie geht’s Isabell Schick?

Isabell Schick vor Logo Rettungs-Ring.de
Isabell Schick
Foto: privat

Ulm (kobinet) Isabell Schick hat entscheidend am Aufbau des Projektes Rettungs-Ring.de mitgewirkt, das von krisenerfahrenen Menschen ins Leben gerufen wurde, um durch eine technische Plattform der drohenden Vereinsamung gerade in Corona-Zeiten entgegen zu wirken. Dieses Projekt wird am heutigen Digitaltag mit dem Preis für digitales Miteinander vom Bundespräsidenten ausgezeichnet. Mit der Leiterin der Selbsthilfegruppe Seelische Gesundheit und dem Mitglied des Inklusionsbeirates der Stadt Ulm führte kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul vor kurzem folgendes Interview zum Umgang mit Herausforderungen in Zeiten von Corona.

kobinet-nachrichten: Wie geht es Ihnen in Corona-Zeiten und wie hat sich Ihr Leben verändert?

Isabell Schick: Mir geht es wie eahrscheinlich sehr vielen Menschen momentan. Ich lebe in einem ständigen Wechselbad der Gefühle. Mal bin ich verzweifelt mal ängstlich, dann schöpfe ich wieder Hoffnung, manchmal bin ich wütend, aber meistens kann ich einfach nicht fassen, was gerade passiert.

Mein Leben hat sich grundlegend verändert. Vor Corona Zeiten war mein Leben eine Balance zwischen Arbeit, Ehrenamt, Gremienarbeit, Familie, Feunden und Zeit für mich selbst. Ich hetzte von einem Termin zum anderen. Das schlechte Gewissen, dass ich für meine Familie zu wenig Zeit habe, war immer im Gepäck. Mit dem Lock Down kam die Veränderung.

kobinet-nachrichten: Sie engagieren sich u.a. für die Belange von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen. Wie läuft das nun?

Isabell Schick: Das Ehrenamt als Leiterin einer Selbsthilfegruppe hat sich komplett verändert. Unsere Treffen dürfen gegenwärtig nicht stattfinden. Daher habe ich zu Beginn immer wieder mutmachende Nachrichten an die Mitglieder versandt. Gespräche, die wir sonst in der Gruppe geführt haben (wir sind über 30 Mitglieder) wurden nun häufig über Telefon geführt. Mittlerweile treffen wir uns regelmößig zum virtuellen Austausch. Natürlich ist das kein vollwertiger Ersatz aber eine ganz tolle Ergänzung, von der alle profitieren.

Sämtliche Gremienarbeit ist zu meinem tiefsten Bedauern zum Erliegen gekommen und bis jetzt noch nicht richtig angelaufen. Viele Vorhaben, die wir planten, wurden mit sofortiger Wirkung auf Eis gelegt. Dafür hat mein Familienleben mich vereinnahmt. Das sogenannte Homeschooling hat mich jeden Tag über die Grenzen meiner Belastbarkeit gebracht. Plötzlich mussten wir Eltern einen Job übernehmen, für den andere jahrelang studieren. Eltern sind nun mal keine Lehrer.

kobinet-nachrichten: Wenn Sie zwei Wünsche frei hätten, welche wären das derzeit?

Isabell Schick: Der Lockdown in der Corona-Zeit hat in sämtlichen Bereichen Defizite aufgedeckt oder zum Teil immens verstärkt. Da niemand auf die Situation vorbereitet war, musste schnell reagiert werden. Durch den plötzlich fehlenden Austausch gab es unzählige Missverständnisse und einiges was getan wurde, ging am tatsächlichen Bedarf vorbei. Es kommt die Zeit, in denen wir diese Fehler verzeihen müssen und auch werden. Daher wäre mein erster Wunsch, dass wir ALLE unsere Lehren daraus ziehen. Dass wir zukünftig nicht mehr vergessen, uns auszutauschen und andere um Rat fragen. „Zusammen reden – zusammen handeln“ wäre ein gutes Stichwort.

Überall war der Slogan zu lesen „Zusammen zu Hause“. Für viele, vor allem hilfsbedürftige Menschen fühlte es sich an wie „Allein gelassen zu Hause“. Ich hatte das Glück durch den Rettungs-Ring tatsächlich mit anderen zusammen zu Hause zu sein und viele neue spannende Erfahrungen machen zu dürfen. Menschen, die sich bisher nicht kannten sprachen selbstverständlich miteinander, halfen sich gegenseitig. Wir Moderatoren und die Teilnehmer durften gemeinsam erleben, wie es ist, wenn man seine Angst vor neuen Wegen, in dem Fall der Virtualität, überwindet und somit der Einsamkeit für eine Zeit entkommt. Gemeinsamkeiten schweißen zusammen und können eine tragende Basis sein. Wir durften durch Erfahrungen der Einzelnen voneinander lernen und daran wachsen.

Ich wünsche mir, dass wir es weiterhin schaffen, das Angebot des Rettungs-Rings aufrecht zu erhalten und bedarfsgerecht auszubauen. Es soll kein Ersatz für bestehende Angebote oder tatsächliche Kontakte sein. Mein Wunsch wäre es, ihn als festes ergänzendes Angebot in der Hilfelandschaft zu etablieren. Bisher finanzieren wir die Infrastruktur, die monatlichen Ausgaben für die Bereitstellung der Plattform etc. alles aus eigenen privaten Mitteln. Daher hoffe wir, Kooperationspartener zu finden, die uns helfen, den Einsatz unserer tollen Moderatoren zu entlohnen und uns bei den laufenden Kosten zu unterstützen.

kobinet-nachrichten: Vielen Dank für das Interview.

Link zum Projekt Rettungs-Ring

Link zu Infos zur Preisverleihung durch den Bundespräsidenten, die am 19.6.2020 ab 10:00 Uhr im Livestream übertragen wird