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Wie geht’s Andreas Lapp-Zens?

Andreas Lapp-Zens
Andreas Lapp-Zens
Foto: privat

Stuttgart (kobinet) Andreas Lapp-Zens arbeitet im Stuttgarter Zentrum für selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen als Berater und engagiert sich ehrenamtlich auch im Hospizbereich. Die massive Reduzierung der Kontakte zu Sterbenden macht ihm derzeit besonders zu schaffen und wirft bei ihm einige Fragen auf, wie er kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul im Interview mitteilte.

kobinet-nachrichten: Wie geht es Ihnen in Zeiten der Corona-Pandemie?

Andreas Lapp-Zens: Mir persönlich geht es körperlich und emotional gut. Und ich nutze die Zeit mit weniger Außenkontakten und –aktivitäten für die Beziehungspflege via Bildtelefon und Online Kommunikation.

kobinet-nachrichten: Was beschäftigt Sie in diesen Zeiten besonders?

Andreas Lapp-Zens: Die dramatischen Entwicklungen und erschütternden Zustände in Ländern wie Italien, Spanien, Großbritannien, Griechenland, den USA usw., aber auch die Auswirkungen der notwendigen Schutzmaßnahmen in Deutschland für Alleinlebende, Alleinerziehende, Menschen in Heimen, in Kliniken, in stationären Hospizen, für Menschen mit hohem Pflege- und/oder Assistenzbedarf usw.

Ich leide manchmal so stark mit, dass ich laufende Nachrichtensendungen ausschalte oder besonders heftige Zeitungsartikel überblättere. Auch keine Lösung, weiß ich….!

kobinet-nachrichten: Sie sind neben Ihrer Tätigkeit als Berater in Beratung des Zentrum für selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen in Stuttgart auch im Hospizbereich aktiv. Wie erleben Sie dort die derzeitige Situation?

Andreas Lapp-Zens: Ich möchte darauf mit der Schilderung meines vorläufig letzten Einsatzes als ehrenamtlicher Hospizbegleiter antworten: am 14. März war ich verabredet mit einem Patienten der Palliativstation im Universitätsklinikum Tübingen (UKT), den ich eine Woche vorher zum ersten Mal besucht hatte (da waren Besuche in Alten- und Pflegeheimen und Klinikstationen noch erwünscht und erlaubt). Eine Woche später gab es ein striktes Besuchsverbot in allen Einrichtungen für kranke, pflegebedürftige, alte und behinderte Menschen für Nichtangehörige mit einer Ausnahme: die besagte Palliativstation in der UKT. Nur wurde trotzdem nichts aus dem Besuch bei dem Herrn mit wenig verbleibender Lebenszeit, weil er sich entscheiden musste zwischen dem Besuch eines nahen Angehörigen und meinem.

Seitdem ist der Besuchsdienst aller Ehrenamtlichen gestoppt (selbst nahe Verwandte dürfen ihren todgeweihten Angehörigen nicht mehr nahe kommen!). Da frage ich mich schon, ob die Trauer über entzogene, persönliche Nähe zum nächsten Angehörigen oder über die Verhinderung, im Moment des Abschieds vom irdischen Leben begleitet zu werden, bzw. dabei zu sein, oder eine Virusinfektion mit schwerem Verlauf das Sterben beschleunigen?

kobinet-nachrichten: Was können wir Ihrer Meinung nach aus dieser Krise lernen?

Andreas Lapp-Zens: Dass das Schöne und Nährende so nah ist: statt Reisen in ferne Länder entdecken viele Menschen die sie umgebende Natur.

Dass räumliches Abstandhalten (ich finde den englischen Ausdruck „social distancing“ dafür unglücklich) zu bewussterem Umgang mit Freunden, Bekannten und Nachbarn führt.

Dass Vier-Augen-Gespräche über den Gartenzaun wieder in Mode kommen und hoffentlich nachhaltig zu mehr gefühlsmäßiger Nähe führen.

Dass Schlagwörter wie Solidarität, Demut, Einfühlungsvermögen, Genießen von Langsamkeit usw. dauerhaft die Beliebtheitsskala von menschlichen Eigenschaften anführen.

kobinete-nachrichten: Vielen Dank für das Interview.