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Was hat die Corona-Krise mit Inklusion zu tun?

Uwe Wypior
Uwe Wypior
Foto: privat

Wallenhorst (kobinet) Der Inklusionsbotschafter Uwe Wypior beschäftigt sich schon lange damit, warum für Inklusion und die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention angeblich kein bzw. nur wenig Geld da sein soll. Nun hat er angesichts der Corona-Krise und der plötzlich verfügbaren Milliarden von Euros einige Fragen aufgeworfen, die sich mit dem zu schützenden "System" befassen und denen er in folgendem Kommentar für die kobinet-nachrichten nachgeht.

Kommentar von Uwe Wypior

Was hat die Corona-Krise mit Inklusion in Deutschland zu tun?

Nichts – könnte man sagen aber langsam. Da war doch was mit den Billionen Euro, die von der Bundesregierung in wenigen Tagen zur Verfügung gestellt wurden, damit das „System“ weiter läuft – und zwar so wie nach der letzten Banken- und Finanzkrise 2008.

Ich hatte vor zwei Jahren beim Sommercamp für ein selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen in Duderstadt die Gelegenheit, einen Beitrag vorzutragen, zu dem Märchen „es sei ja in Deutschland kein Geld da für eine umfassende Inklusion im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention“. Schon damals versuchte ich, anschaulich zu machen, wieviel Nullen eine Milliarde hat und wieviel Milliarden-Euro Überschuss im Bundeshaushalt sind. Ich hatte erst recherchiert und von 22 Milliarden Euro Überschuss berichtet, aus der Zeit als der Finanzminister Schäuble hieß. Dieser gigantische Überschuss hatte sich mit dem jetzigen Finanzminister Scholz beim letzten Kassensturz auf ca. 55 Milliarden Euro im Bundeshaushalt angehäuft. Die damalige Forderung, davon mit „nur“ einer Milliarde Euro jährlich, ein Investionsprogramm zur Beseitigung von Barrieren und der Verwirklichung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland von der Bundesregierung aufzulegen und damit auch Arbeitsplätze zu schaffen bzw. zu sichern, wurde und wird weiterhin von den maßgebenden Politikern der Regierung sowie der Opposition erfolgreich ignoriert.

Wir hatten dazu in Duderstadt eine entsprechende Resolution verfasst und einstimmig verabschiedet. Wir wissen natürlich auch, dass wahrscheinlich von Duderstadt keine Revolution ausgeht oder ausgehen wird, was aber nicht bedeutet, dass unsere berechtigten Forderungen deshalb unrealistisch sind, wie sich damit erwiesen hat.

Jetzt in der Corona-Krise scheint alles möglich. Alles, was mit dem Begriff „systemrelevant“ bezeichnet worden ist, wird finanziell gestützt. Dabei spielen Menschenrechte und Klimaschutz keine oder nur eine untergeordnete Rolle.

Aber was bedeutet „systemrelevant“ genau und welches „System“ wird dabei geschützt? Ist es das selbe „System“, was uns Menschen mit Behinderungen jetzt in der Corona-Krise an den Abgrund gebracht hat? Ist es das selbe „System“, was uns immer wieder über Jahre hinweg einredete „ihr habt ja recht mit eurer Inklusion, aber es ist ja nicht genug Geld dafür da“? Ist es das selbe „System“, was immer den Markt betont hat, der alles richten würde? Ist es das selbe „System“, das großen Unternehmen in Deutschland und Europa, denen es nicht um das Allgemeinwohl, sondern um Profit geht, Steuervergünstigungen bis hin zu Steuerverzicht ermöglichen?

Der Markt regelt es eben nicht. Die Bevorratung von Atemmasken und Geräten kosten eben Geld; ebenso die Ausbildung und gerechte Bezahlung von Pflegepersonal sowie die Forschung nach Medikamenten. Das ist seit Jahren den Bundesregierungen bekannt und geschehen ist nichts – sie haben es aus Kostengründen drauf ankommen lassen und das fordert jetzt Tote.

Was ist das für ein System und wollen wir jetzt nicht endlich anfangen es beim Namen zu nennen?

Es ist der Kapitalismus, der die Krise verursacht hat, und er kann sie nicht lösen. Kapitalismus tötet. Das sollte jetzt jeder und jedem klar sein!

Pandemien zeigen perfekt, die Art von Krisen, für die der globale Kapitalismus mit seiner ständigen Personen- und Waren-Mobilität sehr anfällig ist. Aber auch, dass die kapitalistische Weltsicht in ihrer Unfähigkeit, über Profite hinaus zu denken, nicht mit diesen Krisen umgehen kann. In einer rationalen Welt würden wir die Herstellung grundlegender Güter wie Atemmasken, Beatmungsgeräte Tests usw. bevorraten und zwar nicht nur für „systemrelevante Teile“ der Gesellschaft, sondern ebenso für ärmere Länder, denn es ist ja ein und der selbe Kampf.

Aber was erleben wir gerade ???