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Costa Rica – der Beweis

Dr. Sigrid Arnade vor Glaswand mit Grundgesetz
Sigrid Arnade vor der Glaswand mit dem Grundgesetz
Foto: Rolf Barthel

Paris (kobinet) Von einem Zwischenstopp am Pariser Flughafen meldete sich heute Dr. Sigrid Arnade zu Wort, die einige Wochen in Costa Rica weilte. Neben der berauschenden Natur überraschte und faszinierte sie und ihren Mann dort die weit verbreitete Barrierefreiheit. Ihrem Kommentar für die kobinet-nachrichten ist also zu entnehmen, dass sie mit einigen Ideen und Schwung zurück nach Deutschland kommen wird, wenn sie einen Ersatzflug für den ausgefallenen Flug von Paris nach Berlin bekommt.

Kommentar von Dr. Sigrid Arnade

In Bäumen hängende Faultiere, türkis schillernde Göttervögel, knallrote hochgiftige Frösche – unter anderem diese touristischen Highlights Costa Ricas begeisterten auch meinen Mann und mich auf unserer Rundreise durch dieses mittelamerikanische Land in den vergangenen Wochen. Darüber hinaus überraschte und faszinierte uns aber die weit verbreitete Barrierefreiheit: Jedes noch so kleine Hotel verfügt über mindestens ein barrierefreies Zimmer; jede Tankstelle hat barrierefreie Toiletten, die auch genutzt werden können ohne zu tanken; Stufen bei öffentlichen Gebäuden und Anlagen sind durch – teilweise sehr steile – Schrägen ersetzt worden; in Nationalparks gibt es häufig rollstuhlzugängliche Wege, manchmal sogar Pfade „für alle“; Rollstuhlparkplätze sieht man in den Städten an jeder Ecke.

Und das alles, obwohl der Lebensstandard in Costa Rica deutlich unter dem in Deutschland liegt. Auch wenn dieses kleine Land etwa von der Größe Niedersachsens als die Schweiz Mittelamerikas gilt, leben die meisten Menschen nach unserem Eindruck in einfachen Hütten oder Häusern.

Für uns ist dieses Land der Beweis dafür, dass Barrierefreiheit nicht vom Wohlstand abhängig ist, sondern vom politischen Willen. Auf Nachfrage berichtete man uns, dass es entsprechende Gesetze gibt und Beherbergungsbetriebe erst ihre Konzession erhalten, wenn sie auch die Barrierefrei-Auflagen erfüllt haben und dies von der zuständigen Behörde überprüft wurde.

Angesichts solch augenfälliger Erfolge konkreter Vorschriften ist es umso unverständlicher, dass man in Deutschland immer noch auf die seit Jahrzehnten erfolglosen Appelle oder die ebenso erfolglose Selbstregulierung des Marktes setzt. Ja, Abgeordnete und Regierungsmitglieder entblöden sich sogar, entsprechende Verpflichtungen aus der UN-Behindertenrechtskonvention mit dem sogenannten Progressionsvorbehalt vom Tisch zu wischen, heißt: Wir können uns Barrierefreiheit noch nicht leisten.

Da frage ich mich: Wie reich müssen wir noch werden, damit wir es wagen können, auch private Anbieter von Waren und Dienstleistungen ohne Wenn und Aber zur Barrierefreiheit zu verpflichten? Costa Rica beweist es schließlich, dass die Realisierung von Barrierefreiheit keine Frage des gesellschaftlichen Reichtums ist.