Halle (kobinet) Sind behinderte Menschen Expert*innen zweiter Klasse? Dieser Frage geht die Journalistin und Inklusionsbotschafterin Jennifer Sonntag angesichts einiger Erfahrungen nach, wonach es als selbstverständlich betrachtet wird, dass behinderte Menschen kostenlos an Veranstaltungen mitwirken, während für nichtbehinderte "Expert*innen" Honorare gezahlt werden. Auf ihrer Facebook-Seite hat sich dazu eine rege Diskussion entwickelt.
„Wertschätzung und Augenhöhe sind auch uns Menschen mit Behinderung wichtig. Aktuell wurde ich als Podiumsteilnehmerin auf eine Tagung mit dem Titel ‚Wie geht es weiter auf dem Weg zur Inklusion?‘ eingeladen. Kostenvoranschläge für Honorare konnten eingereicht werden. Ich freute mich über diesen Sinneswandel, denn bei uns Expert*innen mit Behinderung erwartet man leider nach wie vor ehrenamtliche Expertisen, obwohl wir mit gleichrangigen Qualifikationen antreten. Die Verträge unterschreiben jedoch andere. So werden wir die Über-uns-ohne-uns-Kultur nie verlassen. Und auch diesmal hatte ich mich zu früh gefreut. Ich erhielt eine irritierte Antwort. Die Honorare seien nicht auf mich bezogen gewesen und die anderen behinderten Podiumsteilnehmenden seien auch ehrenamtlich da“, berichtet Jennifer Sonntag auf ihrer Facebook-Seite und stellt klar: „Geschätzte Veranstaltende: Inklusion und Teilhabe heißt auch, dass Expert*innen mit Behinderung in Panels und an Podien nicht immer kostenlos sitzen können. An Ehrenämtern mangelt es vielen von uns nun wirklich nicht. Ich habe einen überquellenden Sack voll davon und engagierte mich all zu oft über meine Kräfte hinaus kostenlos. Aber gerade bei solchen Tagungen, bei denen es um unsere Belange geht, finde ich es ein wichtiges Zeichen, eben nicht wieder in der Ehrenamtsfalle zu landen.“
Zudem betont Jennifer Sonntag: „Viele von uns sind Freiberufler und wenn wir unsere Mitwirkung nicht als Funktionär*in eines Verbandes oder dienstlich verbuchen können, müssen wir ganz regulär Angebote schreiben und Rechnungen stellen. Ausgerechnet die, die sich über einen Kostenvoranschlag eines behinderten Menschen empören, sind ganz gewiss nicht ehrenamtlich zugegen. Und natürlich habe ich befreundete Organisationen im Blick, die Selbsthilfe, die wenig Geld hat und für die ich immer kostenlos arbeite. Aber es gibt geförderte Inklusion, oft an unseren Bedürfnissen vorbei, in die Taschen derer hinein, die unser Teilhaben an der Teilhabe eher behindern.“
„Nicht unter Wert verkaufen!!! Als Experte in eigener Sache hat man sein Fachwissen zwar nicht studiert, aber oft ein umfassenderes Wissen als die so genannten Fachleute“, so einer der bisher 33 Kommentare von Ina Fischer. Und Sascha Lang betont an die Adresse der Betroffenen gewandt: „Solange es noch Betroffene gibt, die für umme solche Dinge machen. Wird es für die, die davon leben müssen extrem schwer zu überleben.“ Beri Becker von den Netzwerkfrauen schrieb: „Leider kann man einen Beitrag ja nur einmal liken. Am liebsten hätte ich dir mindestens ein Dutzend Likes gegeben! Mich ärgert diese Haltung schon seit langem.“ Und Dirk Rotzsch bringt es auf den Punkt: „Es wäre überhaupt schön, wenn die Betroffenen selbst mehr Referate zum Thema halten und zu solchen Konferenzen sich nicht immer die selben Nasen über die Betroffenen hinweg gegenseitig einladen. Das wäre ja auch wie eine Frauenkonferenz, die nur von Männern gestaltet wird.“
Jennifer Sonntag hat mit ihrem Einwurf anscheinend eine Diskussion auf ihrer Facebook-Seite gestartet, die längst überfällig war und schon seit längerem zumindest bei vielen Betroffenen rumort.
Ich habe für diese Art der Selbstdarstellung leider kein Verständnis. Ich selbst bin auch blind und engagiere mich privat voller Enthusiasmus neben meinem Beruf (Vollzeit) für die Sache und andere Geschädigte. Geld nehme ich nicht dafür. Ich zahle sogar noch Freiwillig Beiträge, dass ich mich im Blindenverband einbringen darf. Eigentlich dachte ich, sie halten ihre Vorträge und Seminare aus Überzeugung, aber scheinbar täusche ich mich und am Ende geht es wieder nur ums Geld. Es wäre mal Interessant, die Meinung der Stadt zu dem Thema zu hören. Sie schreiben irgendwie doch sehr einseitig um ihre Werbetrommel zu rühren.