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Schwarzer Tag für barrierefreies Reisen

Bus Merlin
Bus Merlin von hinten beim Einstieg von Personen mit Rollstuhl auf einer Fahrt nach Mainz
Foto: Andreas Vega

München (kobinet) Heute schließt der VbA-Selbstbestimmt Leben e.V. in München seinen Reisedienst. Mit rollstuhlgerecht ausgestatteten Reisebussen bot er Gruppen und Initiativen die Möglichkeit Tages- und Urlaubsfahrten Inklusiv durchzuführen.

Seit 1995 gab es in München zum ersten Mal einen Busservice, der von Menschen mit Behinderung selbst angeboten wurde. Interessierte konnten hier Reisebusse für größere Gruppen samt Busfahrer*in für Unternehmungen buchen. Bislang war dies nur bei großen Wohlfahrtsverbänden oder wenigen kommerziellen Busunternehmen möglich. Nun wird diese Option um ein Angebot kleiner.

Mit viel ehrenamtlichen Engagement hat sich der Verein in den letzten 24 Jahren eine Schatzkiste voller Erfahrungen angeeignet. Hotels, Unterkünfte und Sehenswürdigkeiten, die mit dem Rollstuhl erlebbar sind, hat der Verein recherchiert und ausgekundschaftet. Überregional war der VbA auf Messen und Vernetzungstreffen zum Thema barrierefreies Reisen unterwegs und sehr präsent. Mehr als 90 Kunden, davon Vereine und Initiativen, haben dieses Service regelmäßig genutzt. Selbst der Bezirk Oberbayern und die Landeshauptstadt München haben auf den VbA-Reisedienst zurückgegriffen. Durch die große Anzahl von Kunden aus der herkömmlichen Behindertenhilfe wurden Ideen des selbstbestimmten Lebens, wie zum Beispiel die „Persönliche Assistenz“ weitergetragen. Immer wieder wurden Neukunden für die Beratungsstelle auf Messen und anderen Events gewonnen.

Höhepunkt war der der Kauf eines Neufahrzeuges im Jahr 2002, das nach den Vorstellungen des VbA-Reisedienstes bei einem Hersteller in Belgien entsprechend ausgebaut wurde. Im Fahrzeug wurden eine rollstuhlgerechte Bustoilette, eine große Hebelift Plattform und entsprechender großer Gepäckraum für Rollstühle passend eingebaut. Hierfür hat der damalige Vorstand drei große Stiftungen als Unterstützer*innen gewinnen können. Auch in der weiteren Zukunft konnte der Verein Stiftungen für Förderungen zum Beispiel für außergewöhnliche Reparaturen gewinnen.

Bei vielen politischen Aktionen konnte der VbA-Reisedienst Menschen mit hohem Assistenzbedarf die Möglichkeit einer Teilnahme anbieten. Beim Freedom Drive in Straßburg konnten deutsche Delegationen mehrmals teilnehmen. Das alle zwei Jahre stattfindende Sommercamp in Duderstadt konnte ebenso auf die Unterstützung des Reisedienstes aufbauen. Es ermöglichte für die Teilnehmer*innen einen unkomplizierten Transferverkehr zwischen dem Göttinger Hauptbahnhof und dem Jugendgästehaus in Duderstadt. Bereits 1995 tauchte in Bonn eine Reisegruppe von Menschen mit Behinderung zu Protesten gegen die Pflegeversicherung auf. Hingebracht und organisiert hatte das der VbA-Reisedienst aus München. Auch die große Sternenfahrt 2016 nach Berlin zur Großdemonstration gegen das Bundesteilhabegesetz wurde vom VbA-Reisedienst organisiert. Die eigenen Reisebusse hatten Menschen mit Behinderung mit ihren Begleitpersonen aus dem Süden Deutschlands nach Berlin zur „5. Mai-Demo“ befördert.

In den letzten Jahren hat selbst die Landeshauptstadt München diesen Dienst als förderungswürdig eingestuft. Für 2018 musste ein bereits zugesagter Zuschuss der Landeshauptstadt abgelehnt werden, weil das Jahresergebnis positiv war.

Innerhalb der letzten drei Jahre hat eine dafür eingestellte Person mit einer Einschränkung ein ansprechendes Reiseprogramm für Menschen mit und ohne Behinderung erarbeitet, das gut angenommen wurde. Diese und drei andere Mitarbeiter*innen wurde zum heutigen Tage gekündigt.

Im vergangenen Jahr gab es im Verein einen Vorstandswechsel nach einer Kampfabstimmung. Wie zu erwarten, hat der neue Vorstand bereits im Sommer 2018 in einer seiner ersten Sitzungen unter Geheimhaltung die Schließung des Reisedienstes beschlossen. Das höchste Gremium des VbA-Selbstbestimmt Leben e.V., die Mitgliederversammlung, wurde dazu nicht befragt. Der Beschluss wurde ohne einem Votum der Mitglieder für oder gegen die Abwicklung des Reisedienstes umgesetzt. Letztlich werden die 2 vereinseigenen Fahrzeuge stillgelegt. Der Vorstand des gemeinnützigen Vereins will die beiden rollstuhlgerecht ausgestatteten Reisebusse trotz zahlreicher Stiftungsförderungen gewinnbringend verkaufen.