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Gute Beispiele für inklusiven Sozialraum

Bild von der Pressekonferenz von li. Torsten Einstmann, Dr. Volker Sieger, Dr. Alexander Wilhelm, Matthias Rösch
Bild von der Pressekonferenz
Foto: kobinet/omp

Mainz (kobinet) "Einen inklusiven Sozialraum zu schaffen, also ein Lebensumfeld, das allen Menschen, ob mit oder ohne Behinderungen offensteht, ist eine zentrale gesellschaftliche Aufgabe und Herausforderung, an der wir fortlaufend arbeiten müssen.“ Darauf wies der Sozialstaatsekretär Dr. Alexander Wilhelm gestern auf der 2. Regionalkonferenz der InitiativeSozialraumInklusiv (ISI) hin, die in Mainz stattfand. Eingeladen zur Regionalkonferenz hatten die Bundesfachstelle Barrierefreiheit gemeinsam mit dem rheinland-pfälzischen Landesbeauftragten für die Belange behinderter Menschen Matthias Rösch und dem Sozialministerium Rheinland-Pfalz.

Die InitiativeSozialraumInklusiv will für mehr Barrierefreiheit und inklusive Angebote in Städten und Gemeinden sensibilisieren, indem sie anhand von guten Beispielen auf kommunaler Ebene aufzeigt, wie inklusive Sozialraumgestaltung gelingen kann. Damit soll die Bedeutung der Landkreise, Städte und Gemeinden für die Gestaltung eines inklusiven Sozialraums herausgestellt werden. Insgesamt finden von 2019 bis 2021 sechs Regionalkonferenzen in verschiedenen Bundesländern statt. Die Themen umfassen dabei Beispiele aus den Bereichen Mobilität, Bauen und Wohnen, bis hin zu Kultur und Freizeit. Nachdem es bei der ersten Regionalkonferenz in Braunschweig um das Thema Mobilität ging, hatte die Konferenz in Mainz den Schwerpunkt „Wohnen im inklusiven Sozialraum“.

Mit Fachleuten aus Bund, Ländern und Kommunen, Wissenschaft und Praxis wurde das Thema in verschiedenen Foren anhand guter Beispiele diskutiert und darüber hinaus weitere Handlungsmöglichkeiten und Perspektiven für ein selbstbestimmtes Wohnen in einem inklusiven Sozialraum aufgezeigt. Dass sich Rheinland-Pfalz als Ausrichter dieser Konferenz besonders eignet, machten Staatssekretär Alexander Wilhelm und der Landesbehindertenbeauftragte Matthias Rösch deutlich. Seien es die persönlichen Budgets, die in Rheinland-Pfalz sehr früh erprobt und eingeführt wurden oder das Budget für Arbeit, das in Rheinland-Pfalz auf eine über zehnjährige Geschichte blicken kann, man habe hier schon einige Erfahrungen, was die Inklusion in den Sozialraum angeht. Die Entwicklung des ersten Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention eines Bundeslandes bereits im Jahr 2010 und dessen erste Fortschreibung habe der rheinland-pfälzischen Behindertenpolitik einen zusätzlichen Push gegeben. 2020 soll die zweite Fortschreibung des Aktionsplanes erfolgen. Eine Reihe von rheinland-pfälzischen Kommunen haben darauf aufbauend eigene Aktionspläne entwickelt, wie Gracia Schade vom Meinzer Zentrum für selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen aus der Verbandsgemeinde Nieder-Olm berichtete. „Im bundesweiten Vergleich gibt es in Rheinland-Pfalz die meisten kommunalen Aktionspläne zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Bei der Konferenz wurde deutlich, dass nur gemeinsam mit den Menschen mit Behinderungen ein inklusiver Sozialraum gestaltet werden kann“, erklärte der Landesbeauftragte Matthias Rösch

„Menschen mit Behinderungen sollen das gleiche Recht haben wie alle anderen auch, ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben möchten. Dies sieht der Artikel 19 der UN-Behindertenrechtskonvention vor“, sagte Dr. Volker Sieger, Leiter der Bundesfachstelle Barrierefreiheit. „Wir brauchen Akteurinnen und Akteure, die die Intention der Initiative aufgreifen. Einige dieser Menschen haben wir heute bei der Konferenz versammelt. Sie können auf lokaler und regionaler Ebene Strukturen schaffen, die es Menschen mit Behinderung ermöglichen, ihren Aufenthaltsort frei zu wählen und zu wohnen, wo und wie sie möchten“, erklärte Volker Sieger.

„Inklusion bedeutet für uns, dass jeder Mensch dazu gehört – von Anfang an. Bezogen auf das Thema Wohnen ist es daher unser erklärtes Ziel, dass alte und junge Menschen, reiche und arme, Menschen mit Unterstützungsbedarf und ohne, gemeinsam und gut in den Quartieren und Dörfern leben können“, so Alexander Wilhelm. „Rheinland-Pfalz unterstützt deswegen mit einer Reihe von Maßnahmen, die am inklusiven Sozialraum ausgerichtet sind, die Verbesserung der Wohnsituation von Menschen mit Unterstützungsbedarf und den Ausbau der Barrierefreiheit. Dazu zählt auch der Aufbau neuer sozialraumorientierter Wohnformen, wie barrierefreie Quartiersmodelle oder gemeinschaftliche Wohnprojekte in denen Menschen mit und ohne Unterstützungsbedarf zusammenleben können.“

Während bei der Tagung gut herausgearbeitet wurde, welche Möglichkeiten kommunale Aktionspläne zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention auch für die Verbesserung des Wohnens im inklusiven Sozialraum bieten können, fehlte an manchen Stellen der Regionalkonferenz das Salz in der Suppe, also ganz praktische Beispiele von Menschen, die beispielsweise den Weg aus dem Leben in einer Sondereinrichtung hin zum Wohnen und Leben im Sozialraum geschafft haben, bzw. dies anstreben. Die nicht zuletzt aufgrund der UN-Behindertenrechtskonvention längst anstehende Veränderung der aussondernden Systeme hin zu inklusiven Angeboten im Sozialraum war zudem nur ein Randthema. Die im Bundesteilhabegesetz vorgeschriebene Schaffung von Arbeitsgruppen zur Strukturentwicklung für inklusive Angebote im Sozialraum soll in Rheinland-Pfalz demnächst auf den Weg gebracht werden. Vielleicht bieten diese eine Möglichkeit, das Wunsch- und Wahlrecht behinderter Menschen durch die Schaffung konkrer Alternativen im inklusiven Sozialraum zu befördern. Interessant dürfte auch sein, ob mit der Durchführung von individuellen Teilhabeplanungen der Weg zum inklusiveren Wohnen befeuert oder die Wünsche der Betroffenen wie bisher viel zu oft im Keim erstickt werden. Die Frage, ob es sich bei den Aktivitäten in Sachen Inklusion und Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention um eine Revolution handelt, wird sich wohl erst in der Zukunft klären, momentan ist dies, wie ein Teilnehmer meinte, eher noch eine Evolution.

Die InitiativeSozialraumInklusiv (kurz: ISI) wurde im Juli 2018 vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) initiiert. Seit 2019 wird sie von der Bundesfachstelle Barrierefreiheit weitergeführt. Die Initiative ist zunächst für drei Jahre angelegt. Mehr dazu gibt’s auf der Internetseite der Bundesfachstelle Barrierefreiheit unter www.inklusiver-sozialraum.de.