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Alles nur harmlos

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Profilbild Andi mit Mütze und Regenschirm im Hintergrund
Foto: Andreas Vega

kobinet, 05.09.2019 Das ZDF, vor allem die Markus Lanz Show, hat deutlich dazu beigetragen, dass die AfD so groß werden konnte wie sie nun ist. Am gestrigen Abend mussten die Fernsehzuschauer gleich zweimal hintereinander Auftritte der AfD Führung über sich ergehen lassen.

Das ZDF, vor allem die Markus Lanz Show, hat deutlich dazu beigetragen, dass die AfD so groß werden konnte wie sie nun ist. Am gestrigen Abend mussten die Fernsehzuschauer gleich zweimal hintereinander Auftritte der AfD Führung über sich ergehen lassen.

Dunja Hayali ermöglichte dem AfD-Chef Jörg Meuthen sich als gestandenen Politiker darzustellen. Wir hätten als Kinder gefragt, ob der gute Mann Kreide gefressen hat. Fast schon staatsmännisch konnte er seine Thesen über den Klimawandel und erneuerbarer Energie auf die Sofas der deutschen Fernsehlandschaft hinaus tragen. Selbst das er Inklusion ablehnt und sich für ein mehrgliedriges Schulsystem und den Erhalt und Ausbau von Förderschulen spricht, konnte er fast ungestört in wohlfeile Politikersprache einbauen. „Kinder mit Behinderung halten andere Kinder auf, sie müssten gezielt gefördert werden“, so sein Fazit. Das ist die gangbare Umschreibung für Ausgrenzung durch die AfD. Von der UN-Behindertenrechtskonvention haben Meuthen und seine Parteifreunde scheinbar noch nie etwas gehört. Vermutlich würde die AfD alles einsetzen, um aus dieser ratifizierten Menschenrechtserklärung auszutreten.

https://web.de/magazine/politik/politische-talkshows/afd-chef-joerg-meuthen-dunja-hayali-integration-ergibt-sinn-33991306

Und im direkten Anschluss durfte sich Alexander Gauland bei Markus Lanz inszenieren.

https://www.stern.de/politik/deutschland/markus-lanz-grillt-alexander-gauland—das-ist-albern–das-ist-albern—8888284.html

https://www.focus.de/politik/deutschland/im-zdf-talk-als-gauland-dem-bohrenden-lanz-antwortet-wird-es-kurz-ganz-still-im-studio_id_11109139.html

Ein netter alter Herr, so seine Masche. Die Versuche von Markus Lanz Gauland zu entblößen waren eher peinlich. Nein, schon wieder ein Forum für die Verharmlosung gesagter Unsagbarkeiten. Das Mahnmal der Schande war schließlich anders gemeint. Und angesprochen auf Rentenkonzepte durfte sich Gauland indes auf übliches Politikergeschwafel zurückziehen. Selbst aus der Causa „Rente nur für Deutsche“ hat er sich herausgewunden. Der Vorwurf Ressentiments zu schüren und Sprache radikal zu verändern prallte an Gauland ebenso ab.

Wir werden uns wohl damit abfinden müssen, dass sich Geschichte wiederholt. Bereits 1929 gab es eine ähnliche Situation. Die NSDAP verdreifachte bei den Landtagswahlen in Sachsen ihren Stimmenanteil, obwohl die Weltwirtschaftskrise von 1929 in Deutschland noch nicht angekommen war. Jetzt droht uns die nächste Rezession und wer weiß, wie dann die Blender und Rechtsradikalen eine Machtergreifung organisieren werden. Dass der Einsatz von Gewalt kein Tabuthema ist, das haben die letzten Monate gezeigt.

Ich empfehle die Kolumne von Mely Kiyak aus Zeit online vom 3. September „Der Faschismus hat keinen moderaten Flügel“.

https://www.zeit.de/kultur/2019-09/landtagswahlen-fernsehberichterstattung-afd-rechtsextremismus-demokratie/komplettansicht?fbclid=IwAR2LYE6n0Ksq_sb4MuESjcfbAuqdXeFFD_2P4MV60uNdOr_6RqsHoIgEvqk

Wir erfahren von Wilhelm Heitmeyer, der vor Jahrzehnten diese Entwicklung vorhergesagt haben soll. Im April schrieb dieser Autor, „dass es sich bei der Ideologie der AfD um einen autoritären Nationalradikalismus handelt, der den Systemwechsel in Institutionen, Theatern, Schulen, Polizei und Parlamenten anstrebt. Das gelinge durch die Normalisierung autoritärer, nationalistischer und menschenfeindlicher Haltungen.“

Diese Strategie geht auf! Man sagt und verbreitet medial „unsagbares“, bis es sagbar ist. Und wir Menschen mit Behinderung werden nach den Flüchtlingen und den Migranten die nächsten sein.

Lesermeinungen

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2 Lesermeinungen
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rgr
06.09.2019 09:11

Damals im kalten Krieg,

gab es west- und ostdeutsches Fernsehen für Berlin und die Zonenrandgebiete und es gab die Landesrundfunkanstalten, welche nur in den ausgestrahlten westlichen Bundesländern empfangen werden konnten. Es kam vor, das der Kabarettist Dieter Hildebrand auf öffentlich rechtlichen Fernsehkanälen des Freistaates Bayern nicht empfangen werden konnte, aber in großen Teilen Deutschlands denn doch schon. Was unter dem Einfluss der Rundfunkräte schief im Raum stand, wurde von Zeitungen und Zeitschriften ergänzt und in Repliken genommen. Die Verteidigung der Pressefreiheit war im Großen und Ganzen eine Erfolgsgeschichte und hat uns vieles gelehrt.

MfG

Arnd Hellinger
05.09.2019 19:48

Hmm, ohne die Herren Meuthen und Gauland jetzt irgendwie in Schutz nehmen zu wollen: Es IST Aufgabe der – zumal öffentlich-rechtlichen – Medien wie dem ZDF, ALLE Meinungen in diesem Lande zu Wort kommen zu lassen, unabhängig davon, ob sie mit unseren Auffassungen harmonieren oder nicht. Ausgrenzen, Unterdrücken und Zensieren führt leider nur zu einer weiteren Solidarisieung innerhalb des rechten Lagers – wollen wir das???

Nötig ist vielmehr, der AfD offensiv publizistisch zu begegnen und sie mir Argumenten sowie Fakten, aber auch mit ehrlich artikulierten Emotionen zu schlagen bzw. zu entzaubern.