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Rahmenverträge mitgestalten

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Foto: Liga Selbstvertretung

Erfurt (kobinet) Vertreter*innen von Selbstvertretungsorganistionen, die an Verhandlungen zu Landesrahmenverträgen beteiligt sind, trafen sich gestern auf Einladung des NETZWERK ARTIKEL 3 und der LIGA Selbstvertretung in Thüringen zu einer Schulung zur Mitgestaltung von Landesrahmenverträgen, die das Bundesteilhabegesetz vorsieht. Klar wurde dabei, wie wichtig es ist, die Rahmenverträge so zu gestalten, dass Aussonderung überwunden und Inklusion ermöglicht wird.

Ralf Bremauer engaigert sich schon seit über 30 Jahren in verschiedenen Rollen in der Behindertenarbeit und -politik. Während er anfangs eine Werkstatt und Behinderteneinrichtungen geleitet hat, setzt er sich nun u.a. dafür ein, dass Alternativen zu diesen aussondernden Systemen geschaffen werden. „Dabei spielt das Geld eine zentrale Rolle zur Verändreung dieser schon fast 200 Jahre alten Systematik von Sondereinrichtungen“, betonte er bei der gestrigen Schulung in den Räumen der LIGA Selbstvertretung in Thüringen in Erfurt. Die Landesrahmenverträge zu Leistungen der Eingliederungshilfe, die laut den Regelungen im Bundesteilhabegesetz nun von den Kostenträgern mit den Leistungserbringern unter Beteiligung der maßgeblichen Interessenvertretungen behinderter Menschen entwickelt werden müssen, bieten seiner Meinung nach eine gute Möglichkeit, Stellschrauben von der Aussonderung auf die Inklusion umzustellen. Dabei ist Ralf Bremauer besonders wichtig, dass die Selbstvertretungsorganisationen geschult und gestärkt werden, sich in diese Verhandlungen entsprechend im Sinne der Inklusion einbringen zu können. 

Der Tagungsort Erfurt wurde u.a. auch deshalb aus dem Partizipationsfonds des Bundes gefördrten Projekt zur Förderung der Partizipation behinderter Menschen bei der Umsetzung und Weiterentwicklung des Bundesteilhabegesetzes des NETZWERK ARTIKEL 3 gewählt, weil in Thüringen Ende Mai ein solcher Landesrahmenvertrag unterzeichnet wurde. Interessant daran ist beispielsweise die im Landesrahmenvertrag verankerte Personenzentrierte Komplexleistung. Und darüber wurde bei der Schulungsveranstaltung auch viel diskutiert. 

Neben der Möglichkeit der Nutzung des Persönlichen Budgets bzw. des Arbeitgebermodells zur Organisation von Assistenz, die nicht im Rahmenvertrag behandelt werden, da es hierfür entsprechende gesetzliche Regelungen gibt, könnte die Personenzentrierte Komplexleistung nach Ansicht des Referenten Ralf Bremauer und Roger Schmidtchen von der LIGA Selbstvertretung in Thüringen eine Vielzahl von Türen für ein Leben im Sozialraum statt in Sonderwelten öffnen. Beispiele dafür gibt es in Thüringen bereits einige, wo Einrichtungen zugunsten flexibler ambulanter Unterstützungsangebote überflüssig gemacht werden konnten. 

Verbunden mit der Möglichkeit, sich gezielter an den im Teilhabeplan verankerten Zielen der behinderten Menschen zu orientieren, sieht die Personenzentrierte Komplexleistung eine flexible Dienstleistungserbringung vor, für die es keine komplizierte Nachweispflicht gibt. Meßlatte sei, ob die Betroffenen ihre Ziele verwirklichen können und hierbei gut unterstützt werden. Vertraglich verankert ist zudem die Verpflichtung, entsprechende Angebote zur Erbringung einer solchen Leistung im Sozialraum aufzubauen und anzubieten, so dass behinderte Menschen die Unterstützung bekommen, die sie brauchen und nicht lediglich auf Sondereinrichtungen verwiesen werden. 

Auch wenn es bei dieser Möglichkeit der Leistungsform noch einiges zu tun und vor allem in der Abgrenzung zur Nutzung Persönlicher Assistenz zu diskutieren gibt, wurde bei der Veranstaltung deutlich, wie wichtig es ist, dass sich die Interessenvertretungen behinderter Menschen auch vor Ort dafür einsetzen müssen, dass Alternativen zu den herkömmlichen meist stationären Angebotssystemen geschaffen werden. Im Landesrahmenvertrag wurde darüber hinaus auch die Möglichkeit für eine Unterstützung durch Peers, also behinderte Menschen mit ähnlichen Erfahrungen, verankert. Nach Ansicht von Roger Schmidtchen von der LIGA Selbstvertretung in Thüringen haben die vom NETZWERK ARTIKEL 3 und der LIGA Selbstvertretung entwickelten 10 Kernpunkte für Rahmenvertragsverhandlungen aus der Sicht der Selbstvertretung behinderter Menschen einen guten Rahmen für das Agieren der Selbstvertretungsverbände in den Verhandlungen geboten. Vieles davon sei nun im Landesrahmenvertrag verankert. 

Behinderte Menschen sollen dort leben können, wo sie wollen und auch dort die Unterstützung bekommen können, die sie brauchen, so der gemeinsame Nenner der Teilnehmer*innen der Veranstaltung in Erfurt. 

Link zum Landesrahmenvertrag von Thüringen

Link zu den 10 Kernpunkten für Rahmenvertragsverhandlungen aus der Sicht der Selbstvertretung behinderter Menschen