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Foto: Dr. Harry Fuchs
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Foto: Dr. Harry Fuchs
DüSSELDORF (KOBINET) Dr. Harry Fuchs hat als Dipl. Verwaltungswirt, Abteilungsdirektor a.D., Sachverständiger, Sozialexperte, Rehabilitations-, Organisations- und Verwaltungswissenschaftler und als engagierter Mensch die Diskussionen in der Behindertenpolitik der letzten Jahrzehnte erheblich mitgeprägt. Bei der Entwicklung des SGB IX spielte er eine zentrale Rolle und beim Bundesteilhabegesetz hat er sich häufig und engagiert mit eigenen Vorschlägen zu Wort gemeldet. kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul sprach mit Dr. Harry Fuchs über dessen Einschätzung zum nun vom Bundestag verabschiedeten Bundesteilhabegesetz.
kobinet-nachrichten: Sie haben sich nicht nur in den letzten Jahren für ein gutes Bundesteilhabegesetz stark gemacht, sondern werben schon seit vielen Jahren für die konsequente Umsetzung des Sozialgesetzbuch SGB IX, an dessen Entstehung Sie mitgewirkt haben. Welche Höhen und Tiefen sehen Sie nun mit dem vom Bundestag beschlossenen Bundesteilhabegesetz?
Dr. Harry Fuchs: Die Begründung des Gesetzes erweckt den Anschein, dass das Gesetz die einschlägigen Vorgaben der UN-BRK hinreichend oder gar vollständig umsetzt, Dies ist jedoch nicht der Fall. Die wirkliche Umsetzung der UN-BRK ist unverändert noch anzugehen.
Das SGB IX von 2001 hat die Selbstbestimmung und die Stellung behinderter Menschen gegenüber den Kostenträgern gestärkt und die Lebenssituation behinderter Menschen u.a. dadurch erleichtert, dass für sie die Schnittstellen des gegliederten Sozialleistungssystems überwunden werden konnten. Die zu Letzterem vorgeschriebene Koordination und Kooperation der Träger sowie die Verpflichtung zur Konvergenz der Leistungen wurde von den Trägern weitgehend nicht vollzogen. Anstatt mit dem BTHG darauf mit der Durchsetzung der entsprechenden Regelungen zu reagieren, wurden wesentliche Teile des SGB IX von 2001 wie die Stellung des SGB IX, Teil 1, als Leitgesetz für die besonderen Leistungsgesetze, die Verpflichtung zur trägerübergreifend einheitlichen, an der ICF-orientierten Bedarfsfeststellung, die institutionelle Vernetzung der Trägerzusammenarbeit und des Case-Managements durch gemeinsame Servicestellen, die konsequente Orientierung der Leistungen auf die Förderung der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben u.a. zurückgenommen oder eingeschränkt und damit der Nichtvollzug durch die Träger noch nachträglich legitimiert. Das in diesem Zusammenhang schon im SGB IX von 2001 eingeführte Prinzip der „Leistungsgewährung“ aus einer Hand wurde durch das mit diesem Gesetz eingeführte Antragssplittung sogar ausdrücklich aufgehoben, obwohl der 9. Sozialgerichtstag dazu eindringlich öffentlich und gezielt bei den Parlamentariern interveniert und die Beibehaltung gefordert hat.
Die Vorgabe des Koalitionsvertrages, behinderte Menschen aus dem Fürsorgesystem herauszulösen, wurde nicht umgesetzt. Juristisch war klar, dass mit dieser Vorgabe verfassungsrechtlich nur eine Reform im Fürsorgesystem machbar ist. Aber auch innerhalb des Fürsorgesystems wäre eine weitgehende Reform im Sinne eines modernen Teilhaberechts möglich gewesen. Tatsächlich betont die Begründung jedoch durchgängig, dass die Wesensmerkmale des bisherigen Fürsorgerechts beibehalten werden müssen, was ja auch durchweg der Fall ist. Das SGB IX von 2016 stärkt insbesondere die neuen Träger der Eingliederungshilfe und schwächt im Verhältnis dazu die Stellung behinderter Menschen und ihre Selbstbestimmung. Es gibt die mit dem Gesetz von 2001 vorgegebene trägerübergreifende Einheitlichkeit des Teilhaberechts in einem Sozialgesetzbuch auf. Behinderte Menschen sollten unabhängig von der Zuständigkeit oder Leistungsverpflichtung eines Kostenträgers nach Gegenstand, Umfang und Ausführung einheitliche Leistungen erhalten. Stattdessen wird in den Teilen 1 und 2 des SGB IX von 2016 in hohem Maße leistungs- wie verfahrensrechtlich unterschiedliches Teilhaberecht geschaffen. Dies verursacht bei gleichem Bedarf deutlich unterschiedliche Leistungen und im Ergebnis deutlich unterschiedliche Lebensverhältnisse behinderter Menschen, je nachdem, ob ein Träger der Sozialversicherung nach dem Teil 1 oder ein Träger der Eingliederungshilfe nach dem Teil 2 zuständig und leistungsverpflichtet ist.
kobinet-nachrichten: Wie schätzen Sie die Regelungen zur gemeinschaftlichen Leistungserbringung ein?
Dr. Harry Fuchs: Ob Leistungen gemeinschaftlich zu erbringen sind, richtet sich insbesondere nach der Zumutbarkeit einer solchen Anmutung. Maßgeblich für die Beurteilung sind die Ermittlungen und Feststellungen im Rahmen der Gesamtplanung. Die sich aus der Gesamtplanung ergebenden Kriterien, die durch den Träger der Eingliederungshilfe bei seiner Entscheidung über die Zumutbarkeit zu berücksichtigen sind, werden im Gesetz abschließend benannt. An dieser Stelle wurde im parlamentarischen Verfahren die Ergänzung eingefügt, dass zu den zu berücksichtigenden Kriterien auch die „gewünschte Wohnform“ gehört. An dem entscheidenden Faktum, dass diese Kriterien insgesamt nur „angemessen“ zu berücksichtigen sind, hat sich allerdings nichts geändert. Bezogen auf die gewünschte Wohnform ist diese Regelung nicht mit Art. 19 UN-BRK vereinbar, weil das dort hinsichtlich der Selbstbestimmung eingeräumte Recht der individuellen Entscheidung darüber, ob, wo, wie und mit wem man wohnen will, keiner Angemessenheitsprüfung zugänglich ist.
Die im Rahmen der parlamentarischen Beratung eingefügte weitere, auf das Poolen bezogene Ergänzung, wirkt sich nur dann aus, wenn nach der Angemessenheits- und Zumutbarkeitsprüfung/-entscheidung des Trägers dem Wunsch nach selbstbestimmtem Wohnen Rechnung getragen wird. In diesen Fällen findet die Regelung über das Poolen der Assistenzleistungen in der eigenen Wohnung auf Antrag des Berechtigten nicht statt. Ansonsten blieben die Bestimmungen über die gemeinschaftliche Leistungserbringung unverändert.
kobinet-nachrichten: Die gesamte Gesetzessytematik wurde ja immer wieder kritisiert. Wie schätzen Sie die handwerkliche Gestaltung des Gesetzes ein?
Dr Harry Fuchs: Die Weiterentwicklung des Teilhaberechts müsste den allgemeinen Teil des SGB IX stärken und Sonderrecht auf das unbedingt benötigte Maß zurückführen. Stattdessen werden in den Leistungsgesetzen außerhalb des SGB IX keine Sonderregelungen gestrichen, die durch Verweise auf das SGB IX ersetzt werden können. Danach werden die Träger auch in Zukunft in ihrem jeweiligen Aufgabenbereich auf der Basis ihres spezifischen Leistungsrechts von den Zielen, insbesondere aber auch von den Inhalten des SGB IX, Teil 1 abweichende Rechtsauslegung betreiben. Dies gilt insbesondere für das Krankenversicherungsrecht. Was unter medizinischer Rehabilitation zu verstehen ist, ist seit 2001 ausschließlich im SGB IX, Teil 1 und in keinem spezifischen Leistungsgesetz der Träger mehr geregelt. Dennoch gibt es zum Beispiel bei den Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich unverändert in hohem Maße eine von den Bestimmungen des SGB IX, Teil 1 abweichende Rechtspraxis.
Insgesamt wird der Umfang der Normen mit zahlreichen – zum Teil vom Teil 1 abweichenden – Doppelungen im Teil 2 ausgeweitet, die mit Blick auf den Teil 1 überflüssig sind. Die Doppelregelungen bergen, insbesondere auch wegen dieser Abweichungen, Anlass zu neuem Konfliktstoff und ebenfalls zu einer unterschiedlichen Rechtspraxis der Träger.
Bemerkenswert ist auch, dass wesentliche Ziele und darauf basierende Regelungen des SGB IX von 2001 bei der Entwicklung des vorliegenden Gesetzes erkennbar nicht bekannt oder bewusst waren und wesentliche Elemente, auf denen das gesamte SGB IX von 2001 basiert, wie zum Beispiel die ICF, offensichtlich hinsichtlich ihrer Methodik und Wirkungsweise bis heute nicht verstanden wurden.
kobinet-nachrichten: Was bringen die neuen Regelungen konkret für behinderte Menschen mit hohem Assistenzbedarf? Müssen diese sich Sorgen machen, unter Druck gesetzt zu werden, in ein Heim ziehen zu müssen?
Dr. Harry Fuchs: Die abzusehenden Konflikte sind nicht gering zu schätzen. Schon aus einer vorherigen Frage war zu erkennen, dass auch bei den Assistenzleistungen das Poolen außerhalb der eigenen Wohnung
weiterhin angestrebt wird und von der Zumutbarkeits-/Angemessenheitsentscheidung des Trägers, nicht jedoch von der Zustimmung des Berechtigten abhängt. Nimmt man das Poolen bei Leistungen zur Verständigung und Mobilität hinzu, erschließt sich erst der gesamte Umfang der Beschränkung der Selbstbestimmung je nach Umfang und Ausprägung der Teilhabebeeinträchtigung.
Bei den Assistenzleistungen wurde schon durch den Kabinettsentwurf klargestellt, dass die Assistenzleistungen die Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben, die Freizeitgestaltung einschließlich sportlicher Aktivitäten sowie die Sicherstellung der Wirksamkeit der ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen beinhalten. Bisher wurden diese Bedarfe durch einzelne Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft durch die Eingliederungshilfe gedeckt. Dies ist künftig nicht mehr möglich, es sei denn, es gelingt, die Assistenzleistung auch begrenz auf dies Leistungstatbestände zu realisieren. Die Assistenzleistungen umfassen auch Leistungen für die allgemeine Erledigung des Alltags wie die Haushalsführung und die Gestaltung sozialer Beziehungen. Das sind Sachverhalte, die in ähnlicher Form auch Gegenstand der Leistungen sind, die die Pflegeversicherung bei Bedarf an Pflegesachleistungen bezuschusst (Betreuungsleistungen). An dieser Stelle setzt die Diskussion über die Abgrenzung der Leistungen der Pflegeversicherung von denen der Eingliederungshilfe an.
Im parlamentarischen Verfahren konnte eine Klarstellung erreicht werden, dass die Leistungen der
Pflegeversicherung wegen unterschiedlicher Leistungsziele auch weiterhin neben den Leistungen der Eingliederungshilfe beansprucht werden können. Künftig werden die Pflegekassen bei Bedarf an pflegerischer Versorgung den Bedarf durch das neue Begutachtungsassessment der Pflegeversicherung klären und ihre Zuschüsse durch Bescheid festsetzen. Besteht darüber hinaus ein Bedarf an Leistungen der Eingliederungshilfe, wird der Träger der Eingliederungshilfe bei behinderten Menschen, bei denen dieser Bedarf vor der Regellebensaltersgrenze entsteht, aus einer Hand sowohl die Leistungen der Eingliederungshilfe, wie auch die (ergänzende) Hilfe zur Pflege des Sozialhilfeträgers „aus einer Hand“ festsetzen. Die Träger der Eingliederungshilfe haben nach dem SGB XII in der Fassung des PSG III ausdrücklich den „notwendigen pflegerischen Bedarf“ festzustellen. In diesem Zusammenhang werden sie prüfen, ob und welche Leistungen für die Erledigung des Alltags bereits durch die Zuschüsse und Leistungen der Pflegeversicherung (zum Beispiel auch den Entlastungsbetrag in Höhe von 125 Euro oder die Nutzung von Teilen der Pflegesachleistung für Betreuungsleistungen) gedeckt sind und ob bzw. in welchem Umfang daneben noch ergänzende Hilfe zur Pflege und Eingliederungshilfe, insbesondere Assistenzleistungen, erforderlich sind. Es ist abzusehen, dass dazu in vielen Einzelfällen während der Gesamtplanverfahren in erheblichem Maße sehr unterschiedliche Auffassungen bestehen und im Weiteren Streitverfahren entstehen werden.
Dieser Zusammenhang erhellt auch, warum in der Bestimmung über die Assistenzleistungen nur
der Anspruch dem Grunde nach, aber keine Maßstäbe für den Anspruch der Höhe nach geregelt werden. Assistenzleistungen unterliegen somit weitgehend einem individuellen Aushandlungsprozess, der in der Regel durch eine Ermessensentscheidung des Trägers abgeschlossen wird. Erkennbar ist, dass – mit Zustimmung der Berechtigten – die Erbringung der Assistenzleistung als pauschale Geldleistung ausgeführt werden soll. Das Nähere zur Höhe und Ausgestaltung der pauschalen Geldleistungen regeln dazu dann die Träger der Eingliederungshilfe. Bei gleichzeitigem Bedarf an Leistungen der Eingliederungshilfe und Leistungen der Pflegeversicherung ist zu bedenken, dass bei pauschalen Geldleistungen in beiden Bereichen (Zuschüsse der Pflegekassen, Pauschale der Eingliederungshilfe) die individuelle, bedarfsgerechte Leistungsbemessung schwierig werden kann.
Auf diesem Hintergrund wird vom Träger der Eingliederungshilfe mit Blick auf die Frage der Angemessenheit der Wünsche auch die Frage der alternativen Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung gestellt werden. Mit den im parlamentarischen Verfahren in der Zumutbarkeitsregelung vorgenommenen Veränderungen wird – wie bereits oben zur Frage 2 erläutert – der Versuch, behinderte Menschen aus Kostengründen zur Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung zu drängen, auch künftig nicht ausgeschlossen. Ob dies stattfindet oder nicht, hängt auch nach der Ergänzung durch das Parlament allein davon ab, ob der Träger der Eingliederungshilfe die gewünschte Wohnform für angemessen hält oder nicht. Der Versuch, behinderte Menschen in Pflegeeinrichtungen unterzubringen, wäre nur dann ausgeschlossen gewesen, wenn durch eine entsprechend klare Regelung sichergestellt worden wäre, dass dem Wunsch im Sinne von Artikel 19 UN-BRK Rechnung zu tragen ist.
kobinet-nachrichten: Sie haben immer wieder Punkte im Gesetzentwurf gefunden, die niemand im Blick hatte. Sind diese Gefahrenstellen nun mit den Änderungsanträgen der Koalition beseitigt worden?
Dr. Harry Fuchs: Die im Zuge der parlamentarischen Beratungen erreichten Veränderungen bewirken nur scheinbar Verbesserungen. So ist die mit der UN-BRK nicht vereinbare „5 aus 9-Regelung“ nur vertagt. Die dazu beschlossenen stringenten, einengenden Vorgaben für die Forschung zielen zweifelsfrei auf gleiche oder vergleichbare Zugangsvoraussetzungen ab 2023 ab, anstatt zu klären, ob und dass eine icf-orientierte Begutachtung der Beeinträchtigung der Teilhabe als Instrument zur Klärung der Zugangsvoraussetzungen geeigneter ist und vor Allem den Anforderungen der UN-BRK entspricht. Die Auseinandersetzung über die Abgrenzung von Eingliederungshilfe und Pflege hinsichtlich der behaupteten Leistungsüberschneidungen (insbesondere Betreuung/Assistenz) wird weiterhin in jedem Einzelfall stattfinden, allerdings auf der Verwaltungsebene im Rahmen der Entscheidung des Trägers der Eingliederungshilfe über den Umfang und die Höhe der neben den Zuschüssen der Pflegekassen zu gewährenden Leistungen der Eingliederungshilfe, die für Menschen unterhalb der Regellebensaltersgrenze künftig die Hilfe zur Pflege des Sozialhilfeträgers einschließt.
Ob Bewohner von Wohneinrichtungen künftig von der Pflegeversicherung nicht mehr die vollen Zuschüsse, sondern lediglich die Pauschale von 266 EUR erhalten, hängt weiterhin von ihrem Versorgungsumfang in der Wohneinrichtung, der Art ihres Mietvertrages und von der Frage ab, inwieweit sie in der Einrichtung selbstbestimmt handeln können. Wie hoch die Zuschüsse der Pflegekasse künftig sind, ergibt sich nicht mehr unmittelbar aus dem Gesetz, sondern hängt im Einzelfall von Bewertung der Wohneinrichtung und Entscheidung des Trägers ab, usw., usw., usw.
kobinet-nachrichten: Wie geht es nach dem Inkrafttreten des Gesetzes weiter? Wo sehen Sie großen Handlungsbedarf?
Dr. Harry Fuchs: Nach dem Gesetz ist vor dem Gesetz. Während der Debatte zur 2. Lesung des Gesetzes im Deutschen Bundestag haben Abgeordnete aller Parteien darauf verwiesen, dass man erst am Anfang eines Prozesses stehe, der fortgeführt werden müsse. Die vom Deutschen Bundestag mit dem beschlossenen Entschließungsantrag geäußerte Erwartung, dass die Verwaltungen von Bund, Ländern und Kommunen das geschaffene neue Recht in der konkreten Rechtsanwendung stets im Lichte der UN-BRK umsetzen werden, dürfte genauso trügerisch sein, wie das Selbstverständnis des Gesetzgebers von 2001, dass die Gebietskörperschaften geltendes Recht so umsetzen, wie es vom Gesetzgeber beschlossen wurde. Gerade die Erfahrung mit den Vollzugsdefiziten des SGB IX von 2001 hätte – auch mit Blick auf den enorm ausgeweiteten Ermessensspielraum der Träger – Veranlassung sein müssen, die genannten Akteure nunmehr verbindlich in die Pflicht zu nehmen und nicht erneut auf das Prinzip Hoffnung zu setzen.
Die behinderten Menschen und ihre Organisationen haben es in der Hand, ob die weiterhin bestehenden Lücken und Defizite des Teilhaberechts – ebenso wie die in der künftigen Rechtspraxis hinzutretenden Probleme aus dem BTHG gesellschaftlich wahrgenommen und diskutiert werden. Es sollte keinesfalls hingenommen werden, dass wie beim SGB IX von 2001 erst nach 15 Jahren im Zusammenhang mit dem BTHG eine eher randständige politische Diskussion zu den Vollzugsdefiziten geführt wird, die dann noch in die falsche Richtung geht und ohne wirklichen Erfolg bleibt.
Dazu ist auf den Beschluss der 90. Arbeits- und Sozialministerkonferenz vom November 2013 hinzuweisen, der – losgelöst von der Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe – fordert, die bestehenden Regelungen des SGB IX auf ihre Wirkung hin zu evaluieren und Handlungsempfehlungen für ihre Weiterentwicklung zu erarbeiten. Die Umsetzung dieses Beschlusses steht hinsichtlich der umfassenden Umsetzung der UN-BRK aus und wird durch das BTHG nicht erledigt.
kobinet-nachrichten: Vielen Dank für das Interview.