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Missbrauch des Ermessens

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ZWICKAU (KOBINET) Beim Sozialamt in Zwickau beantragte eine Frau mit einer schweren Behinderung die Kostenübernahme für ein Persönliches Budget. Die bisherige Assistenz durch die Mutter und deren Lebensgefährten konnte nicht mehr aufrechterhalten werden. Beide Eltern können die erforderliche Assistenz nicht mehr leisten. Die Frau beantragte eine 24-Stunden-Assistenz beim Sozialamt. Dort ging man auf den Antrag gar nicht erst ein.



Diese sechs Stunden setzen sich wie folgt zusammen:
3 Stunden durch eine Pflegefachkraft (mindestens Altenpflegerin) zum Stundensatz von 22,48 €
2 Stunden Eingliederungshilfe durch eine Hilfskraft zum Stundensatz von 13,89 €
1 Stunde Hauswirtschaft durch eine Hilfskraft zum Stundensatz von 13,41 €
Darin wären Arbeitgeberanteile Urlaub, Krankheit, Einarbeitung, Feiertage etc bereits enthalten.

In einem Gespräch eröffnete die Sachbearbeiterin der Antragstellerin:
– Die Antragstellerin soll Essen auf Räder zu sich nehmen
– Das Budget jenseits der sechs Stunden würde lediglich zur Belustigung und Bespaßung dienen.
– Frau Kunstmann würden nur sechs Toilettengänge zu je 5 Minuten zustehen.
– Für den Haushalt müssen eine Stunde reichen
– Die sechs Stunden wären das höchste Budget, das die Behörde genehmigen würde.

kobinet-Redakteur Harald Reutershahn sprach mit der zuständigen ForseA-Beraterin und Vorstandsfrau Anett Feige:

kobinet: Frau Feige, was macht die Antragstellerin nun?
Feige: Die Frau ist der Verzweiflung nahe. Wie wir es zu oft erleben, hat diese Frau viel zu lange gewartet, ehe sie die Übernahme von Assistenzkosten beantragte. Erst als die Eltern wirklich nicht mehr konnten, erfolgte der Antrag. Nun hat sie ihr Assistenzteam weitgehend gefunden und mit viel Glück auch eine passende Wohnung und kann niemand einstellen, da ihr das Geld fehlt. Sie hat bis zur endgültigen Entscheidung einen Vorschuss beantragt.
kobinet: Wurde dieser bezahlt und in welcher Höhe?
Feige: Über diese Vorschusszahlung wurde – was ich noch nie zuvor gesehen habe – ein Bescheid erstellt. Allerdings bemisst sich dieser an eben diesen scheinbar gedeckelten sechs Stunden.
kobinet: Gedeckelt?
Feige: Ja, die Sachbearbeiterin sagte, dass es in Zwickau kein Budget über sechs Stunden geben würde. Damit wird sie der Besonderheit des Einzelfalles in keiner Weise gerecht. Andere Punkte sind ebenso indiskutabel. Niemand kann und muss sich vorschreiben lassen, wann, wie oft und wie lang er auf die Toilette geht. Die einzelnen Verrichtungen stehen auch nicht zur Diskussion. Denn die Frau braucht eine verlässliche Anwesenheit der Assistenz, da sie jederzeit Bedarf hat oder haben kann. Aber auch ganz alltägliche Dinge wie Hausarbeit versucht die Behörde zu reglementieren. Davon ausgehend, dass diese Sachbearbeiterin auch einen Haushalt zu versorgen hat, frage ich mich, wie sie auf die eine Stunde je Tag kommt. Hinzu kommt, dass die sechs Stunden zu drei verschiedenen Stundensätzen aufgeteilt werden. Das ist in der Praxis nicht darstellbar. Jede Assistenz muss alle anfallenden Arbeiten leisten. Auch die Stundenlöhne, die sich aus den Stundensätzen ergeben, erlauben keine Anstellung von Assistenzpersonen. Die Arbeit einer Behindertenassistenz scheint der Behörde fremd zu sein. Sie ist vielseitig und sehr verantwortungsvoll. Beides muss entsprechend bezahlt werden. Die ForseA-Lohnempfehlung Tarifgruppe TvÖD-K EG 4 Stufe 2 wurde vom Landessozialgericht Nordrheinwestfalen schon vor zwei Jahren als angemessen eingestuft. Daraus ergibt sich für die „neuen“ Bundesländer ein Stundenlohn in Höhe von 13,28 €.
kobinet: Und wie geht es nun weiter?
Feige: Wir haben am 30. Juni den Zwickauer Landrat Dr. Christoph Scheurer (CDU) angeschrieben und ihn gebeten, angesichts der Dringlichkeit auf seine Mitarbeiter einzuwirken. Bis heute kam von seiner Seite keine Resonanz. Die Antragstellerin hält sich derzeit geradeso mit Hilfe von Freunden und Bekannten über Wasser. Das geht nicht lange gut und am Ende hat man dann auch noch Freunde und Bekannte gehabt. Dafür gibt es genügend Beispiele. Wir haben seit 2009 die Behindertenrechtskonvention (BRK) in Deutschland als geltendes Gesetz. Dort, wo die Artikel als nicht direkt anwendbar betrachtet werden, sind Sozialgesetze dennoch im Sinne der BRK zu interpretieren. Dies ist in zahlreichen Urteilen bereits nachzulesen. Darüber hinaus haben wir seit 1997 den Artikel 3 GG. Nach diesem haben Gesetze, die behinderte Menschen schlechter stellen als Menschen ohne Behinderung, so keinen Bestand mehr. Dies hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach festgestellt. Das Verhalten des Sozialamtes Zwickau passt nicht mehr in diese Zeit. Die Antragstellerin hat eine rasch fortschreitende Erkrankung. Jeder Tag des Zuwartens raubt ihr einen Tag Lebensqualität. Dies ist dem Amte bekannt. Umso schlimmer, wenn dort dennoch so restriktiv und zögerlich gehandelt wird. An diesem Beispiel ist auch zu erkennen, dass Sozialbehörden Ermessensspielräume in aller Regel zum Nachteil der Antragsteller missbrauchen. Es nutzen die besten Gesetze nichts, wenn es den Behörden überlassen bleibt, wieviel Leben sie uns Menschen mit Behinderung gewährt. Daher muss das Bundesteilhabegesetz hinsichtlich der Einwirkungsmöglichkeiten in unser Leben durch die Kostenträger dringend nachgearbeitet werden. So hat es keinen Bezug zur BRK! Im Falle der Antragstellerin gibt es zur 24-Stunden-Assistenz, verbunden mit einer angemessenen Bezahlung keine Alternative. Und diese muss schnell kommen!
kobinet: Frau Feige, danke für dieses Gespräch.