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Pechspiel

Titelbild INFORUM 1 2016 zeigt Antragsteller und Kostenträger am Würfeltisch
Titelbild INFORUM 1 2016 zeigt Antragsteller und Kostenträger am Würfeltisch
Foto: Goletz, Gitta

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Titelbild INFORUM 1 2016 zeigt Antragsteller und Kostenträger am Würfeltisch
Foto: Goletz, Gitta

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Titelbild INFORUM 1 2016 zeigt Antragsteller und Kostenträger am Würfeltisch
Foto: Goletz, Gitta

HOLLENBACH (KOBINET) Seit Januar sind verschiedene Varianten eines Entwurfes für ein Teilhabegesetz im Umlauf. Alle aus unterschiedlichen Quellen, alle unter dem Titel des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS). In der kommenden Woche nun soll die erste autorisierte Fassung veröffentlicht werden.



Es wurde höchste Zeit!

Ein Kommentar von kobinet-Redakteur Gerhard Bartz

Hatten die unautorisierten Vorabveröffentlichungen einen Sinn, dann doch sicherlich den, die Reaktion der vom Gesetz betroffenen Menschen zu testen. War das so und hat man aus den Reaktionen gelernt, dann hat die Aktion einen Sinn gehabt. War es nicht so, dann war wohl der Zweck, die behinderten Menschen darauf vorzubereiten, dass sie froh sein können, dass auch Auffanglinien in Form von Besitzsstandsregelungen eingezogen wurden. Schon ist zu lesen, dass sich Aktivitäten formieren, die eine Verschlechterung abwehren wollen.

Sollte alle Arbeit der letzten sechs Jahre vergeblich gewesen sein? Hat sich das Ministerium hinter den Gardinen an unseren Aktivitäten erfreut, wissend, dass dies alles ohnehin nicht relevant ist? Allein schon die mutwillig um ein halbes Jahr verkürzte Diskussionszeit spricht dafür, dass man diese in den Augen des BMAS „unproduktive“ Zeit reduzieren wollte.

Greift man die bisher bekannten Regelungen zur Befreiung der Einkommens- und Vermögensanrechnung bei Menschen mit Assistenzbedarf heraus, wird deutlich, dass Einlassungen der Verbände kaum eine Rolle spielen. Vielmehr hält man an einem Mechanismus fest, der noch nie funktioniert hat. Nur Menschen, die keine Hilfe zur Pflege erhalten, sollen geringfügig entlastet werden. Alle anderen sollen außen vor bleiben. Nur: diese Einordnung bedeutet, dass der Willkür Tür und Tor geöffnet wird. Im Prinzip wird jeder Mensch mit Behinderung mehr oder weniger große oder kleine Anteile von Pflege in seinem Assistenzbedarf haben. In der Praxis gibt es Menschen, die keinen Finger bewegen können, aber zur Gänze der Eingliederungshilfe zugeordnet wurden. Andere Menschen, die keine Pflege an sich benötigen, erhalten dafür Hilfe zur Pflege. Dies hat der Bundesverband Forum selbstbestimmter Assistenz in einer Zeichnung für seine neue Mitgliederzeitung treffend dargestellt. Es ist kein Glückspiel, denn der Würfel bestimmt, wer enteignet wird. Es gibt auch keine Gewinner, dem Verlierer entzieht unser Staat zum Teil große Summen.

Es bedarf jedoch keiner Umwege, Kriterium für die Anwendung der Behindertenrechtskonvention ist das Vorliegen einer Behinderteneigenschaft. Nicht mehr und nicht weniger.

Hinzu kommt, dass der Staat heute schon ca. 500 Millionen im Jahr an Verwaltungskosten ausgibt, um 12 Millionen an Einkommens- und Vermögenswegnahmen zu erzielen. Reduzieren sich diese Wegnahmen auch noch etwas durch das neue Gesetz, muss dennoch der gesamte Verwaltungsaufwand investiert werden. Dies alles, um Bürgerinnen und Bürger davor abzuschrecken, gesetzlich verbürgte Rechte in Anspruch zu nehmen. Eine Petition, die nahezu 300.000 Unterschriften erbracht hat, führte bis heute noch zu keinem Ergebnis. Briefe an über 200 Bundestagsabgeordnete blieben in Gänze unbeantwortet. Die Sprachlosigkeit des Parlamentes lässt bei behinderten Menschen Zweifel aufkommen, ob das Parlament die Chance nutzen will, die jahrzehntelange Bewegungslosigkeit in der Politik für behinderte Menschen zu beenden. Es droht, dass die Wegnahme der Menschenrechte behinderter Menschen bis zum St.-Nimmerleinstag verlängert wird. Und es geht um reale Menschenrechte, wie ForseA in seinem Brief an die Abgeordneten belegt.

Die Dimension des Verwaltungsaufwandes lässt sich an einem kleinen Beispiel erkennen. Dieses zeigt, dass der von ForseA belegte Verwaltungsaufwand durchaus realistisch ist: Ein Antragsteller reicht eine Haftpflichtversicherung für seinen Elektrorollstuhl im Wert von 25 Euro im Jahr ein, um damit sein Einkommen zu vermindern. Das Sozialamt fragt bei der Krankenkasse und beim Hilfsmittellieferant nach, warum der Antragsteller einen 10-km/h-Rollstuhl fährt. Dieselbe Sachbearbeiterin bemüht sich derzeit herauszufinden, wie hoch der Haftpflichtanteil an der 30-Cent-Kilometerpauschale ist, weil dieser Anteil bei Dienstreisen in ehrenamtlicher Tätigkeit ja die einkommensmindernde KFZ-Haftpflichtversicherung reduzieren würde. In diesem Stil hat der Antragsteller unzählige Diskussionen in den letzten Jahrzehnten geführt. Ihm ist nicht zu erklären, dass er den permanenten Druck durch die Behörde nicht losbekommen soll, da auch er Hilfe zur Pflege erhält. Als wäre es nicht genug, musste er seinen Assistenzbedarf auch noch gerichtlich erstreiten, da die Behörde versuchte, diesen in Einzelbedarfe zu zerlegen und jeden dieser Bedarfe auszudiskutieren. Weitere Beispiele in den Geschichten aus Absurdistan

Noch bleibt die Hoffnung, dass der tatsächliche Entwurf sich weit von den Vorabveröffentlichungen unterscheidet. Ist das nicht der Fall, dann hat sich die Regierung sehr lange Zeit gelassen, um uns nun zu verstehen zu geben, dass sie sich einen Teufel darum schert, dass sie den Menschen mit Behinderungen die sozialpolitischen Fortschritte versprochen hat, die sie in der Behindertenrechtskonvention unterschrieb. Hinzu kommt, dass die Schere zwischen Rechtsprechung und Gesetzgebung weiter offen bleibt. Die Rechtsprechung wendet die Konvention an, die Regierung … warten wir es ab.