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Etikettenschwindel beim Bundesteilhabegesetz befürchtet

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KARLSRUHE (KOBINET) In einer von Dr. Klaus Mück verbreiteten Presseinformation beschreiben eine Reihe von behinderten Menschen warum sie befürchten müssen, aufgrund eines geplanten Gesetzes, ihre Existenz zu verlieren. Behinderte Menschen machen sich demnach große Sorgen, ob sie ihr Leben in Zukunft noch nach ihren Vorstellungen gestalten können. Grund dafür sind erste konkrete Informationen zum so genannten Bundesteilhabegesetz. Für nächste Woche wird mit der Veröffentlichung des Referentenentwurfs gerechnet.



Anrechnung des Einkommens und der Ersparnisse

„Dieses Gesetz sollte eigentlich die Lebenssituation vieler behinderter Menschen verbessern, jetzt scheint genau das Gegenteil einzutreffen. Behinderte Menschen lassen sich keine Verschlechterungen gefallen. Aus diesem Grund vernetzen sie sich über Generationen und Verbände hinweg. Morgens aufstehen, zur Schule oder arbeiten gehen, abends eine Kneipe, ein Theater oder Kino besuchen, Ausflüge machen oder sich einfach nur beschäftigen, all das sind selbstverständliche Dinge. Viele behinderte Menschen brauchen dabei aber Unterstützung, zum Beispiel Menschen, die für sie die Tätigkeiten übernehmen, die sie aufgrund ihrer eingeschränkten Beweglichkeit nicht selbst ausführen können, Menschen, die ihnen zeigen, wie man sich in bestimmten Situationen verhält oder Software, die auch komplizierte mathematische Formeln in Sprache verwandelt. Diese Unterstützung wird von den Sozialämtern finanziert, vorher muss man aber große Teile seines Einkommens und fast die gesamten Ersparnisse dafür ausgeben. Zudem wird Unterstützung für Aktivitäten, die vielen als selbstverständlich gelten, verweigert, weil sie nach Meinung der Ämter nicht notwendig sind“, heißt es in der Presseerklärung.

Angst vor dem Zwangspoolen

Die Bundesregierung hatte nach Darstellung der Betroffenen 2013 angekündigt, diese und andere Probleme mit einem „modernen Teilhaberecht“ zu beseitigen. Was jetzt bekannt wurde, lasse aber genau das Gegenteil befürchten. „Ich brauche rund um die Uhr Assistenz, um in meiner Wohnung leben zu können. Bisher wurde das finanziert, weil ein Leben im – billigeren – Heim nicht zumutbar, ja lebensgefährlich ist. Künftig sollen
nur noch die Kosten zählen. Ob mein Leben mit Assistenz dann noch möglich ist?“ fragt sich beispielsweise Andreas Vega. „Krass ist auch, was uns droht, wenn wir mit anderen Menschen, die Assistenz brauchen, zum Beispiel wegen zu wenigen barrierefreien Wohnungen in einem Haus wohnen. Künftig kann uns das Sozialamt dazu zwingen, Assistenten gemeinsam anzustellen. Dann könnten wir das Haus nur noch gemeinsam verlassen, obwohl wir völlig unterschiedliche Vorstellungen vom Leben haben“, ergänzt Andreas Vega.

Nur noch qualifizierte Kräfte?

Und der ständig auf Assistenz angewiesene und vielfältig ehrenamtlich aktive Matthias Vernaldi fügt hinzu: „Es ist sehr fraglich, ob ich die Assistenten, die ich selbst angelernt habe, weiter beschäftigen darf und meine Ehrenämter weiter ausfüllen kann. Assistenz soll künftig nämlich entweder von ‚qualifizierten Kräften‘ oder, bei ehrenamtlichen Aktivitäten, unbezahlt von Freunden oder Verwandten geleistet werden.“

Anrechnung des Einkommens bleibt erhalten

Die Anrechnung des Einkommens bleibt erhalten, wird aber grundlegend verändert. Versprochen wurden Erleichterungen. „Wir haben mehrfach nachgerechnet, weil wir es nicht glauben konnten“, berichtet Dr. Klaus Mück vom Netzwerk für Inklusion, Teilhabe, Selbstbestimmung und Assistenz (NITSA). „Was auf den ersten Blick nach einer Entlastung aussieht, entpuppt sich für Menschen mit Assistenzbedarf mitunter als eine existenzielle Bedrohung. Arbeit lohnt sich nicht mehr. Weiterentwicklung, Fortbildung oder gar so etwas wie ein beruflicher Aufstieg werden regelrecht bestraft, obwohl wir bereits Einkommensteuer und die Sozialkassen zahlen. Anreize, sich beruflich einzubringen, schafft das keine. Das neue System berücksichtigt in keiner Weise die individuelle Lebenssituation oder lokale Gegebenheiten.“

PartnerInnen werden mit arm gemacht

Das können auch Antje und Rüdiger Fischer bestätigen: „Ich habe Antje geheiratet, weil wir uns für ein gemeinsames Leben entschieden haben. Als Ehepartner musste ich praktisch meine gesamten Ersparnisse für die absolut notwendige Unterstützung meiner Frau beisteuern. Auch 40 Prozent meines Einkommens werden jeden Monat eingezogen. Was für ein Gegensatz zu den berechtigten steuerlichen Entlastungen bei anderen Paaren!“ Auch wenn beide Ehepartner behindert sind, bleibt dieser Umstand völlig unberücksichtigt. „Wir gehen beide arbeiten. Klar wird da unser Einkommen zusammengerechnet, aber unsere Freibeträge werden es nicht. Unsere doppelten Nachteile bleiben unberücksichtigt“, berichten Aristoula und Christian Papadopoulou. Dazu kommt: Wer – aufgrund der notwendigen Barrierefreiheit – nicht sehr günstig wohnen kann, behinderungsbedingt höhere Mehrausgaben oder auch Kinder hat, muss damit rechnen, in der Privatinsolvenz zu landen. „Wir fordern mindestens ein uneingeschränktes Wahlrecht, wenn es um das Wie, Wo, Wann und Von-Wem bei Unterstützungsleistungen geht. Das schließt die Verpflichtung zum ‚Poolen‘ von Leistungen oder
zum Hoffen auf den guten Willen von Freunden und Verwandten aus. Außerdem darf eine Behinderung nicht mehr dazu führen, dass selbst Menschen mit hohem Brutto-Einkommen am Rande der Armut leben müssen“, fasst Anne Gersdorff wesentliche Forderungen der Aktiven zusammen.