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Erfahrungen mit dem Peer Counseling

Uwe Frevert
Uwe Frevert
Foto: ISL

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Uwe Frevert
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KASSEL (KOBINET) Nicht zuletzt aufgrund der aktuellen Diskussion für eine Förderung einer unabhängigen Beratung inklusive des Peer Counselings im Rahmen des Bundesteilhabegesetzes hat die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) Leistungsanforderungen für öffentlich geförderte Peer Counseling Angebote entwickelt. kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul sprach mit dem langjährigen Peer Counselor Uwe Frevert über seine Erfahrungen.



kobinet-nachrichten: Sie arbeiten als Peer Counselor beim Verein zur Förderung der Autonomie Behinderter (fab) in Kassel. Wer lässt sich bei Ihnen beraten und gibt es Beratungsschwerpunkte?

Uwe Frevert: Wir bekommen von allen Beteiligten aus dem Bereich der Behindertenhilfe Anfragen. Das sind Anfragen am Telefon oder auch persönliche Gespräche in unseren Beratungsräumen. Knapp 15 Prozent der Anfragen kommen von Institutionen wie Pflegestützpunkten, Integrationsfachdiensten, aber auch Sachbearbeiter, Lehrer und vom Amtsgericht bestellte BetreuerInnen melden sich bei uns. Weiter sind es Eltern behinderter Kinder und zu 54 Prozent kommen die Anfragen von behinderten Menschen selbst. Bei vielen Anfragen geht es darum, dass Menschen ihre Behinderung ausgleichen müssen und dafür eine Finanzierung benötigen. Unsere Erfahrung ist, dass die Kostenträger hierfür meist keine konstruktive Beratungsarbeit leisten. So wird zum Beispiel oft behauptet, dass berufstätige behinderte Menschen vom Sozialamt keine Hilfe erhalten können.
Manchmal geht es aber auch darum, dass die ratsuchende Person ihr Leben unabhängig von einem Pflegedienst oder der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) gestalten will. Komplex sind diese Fragen, weil dabei meist eine Lebensplanung gestaltet werden muss. Alternativen eröffnen sich zum Beispiel, wenn eine Beschäftigung in einer WfbM finanziert werden kann, aber eigentlich Alternativen zur WfbM gewünscht werden. Hier geht es oft auch um die Frage: „Wie geht es mit dem Persönlichen Budget?“ Das Sozialamt schickt uns vermehrt Ratsuchende, damit diese behinderten Leistungsberechtigten sich mit ihrer Entscheidung zum Persönlichen Budget nicht überfordern. Empathie und Wissen über behindertes Leben in der Welt der nichtbehinderten Gesellschaft ist hier gefragt.

kobinet-nachrichten: Welche Bedeutung hat das Peer-Counseling-Beratungsangebot des fab e.V. in der Stadt Kassel?

Uwe Frevert: Die Ratsuchenden schätzen, dass hier in unserer Organisation viele Menschen mit Behinderung arbeiten und verantwortliche Positionen einnehmen. Junge, heranwachsende behinderte Menschen wollen zum Beispiel wissen, wie es nach der Schule weiter geht. Das Zentrum für selbstbestimmtes Leben in Kassel, also der fab e.V., ist mit all seinen behinderten Beschäftigten ein größeres, mittelständisches Unternehmen. Sehr beliebt sind wir daher auch als Praktikumsstelle für behinderte Jugendliche aus der Schule und dem Studium. Für diese behinderten Menschen ist es trotz aller Fortschritte in der Gesellschaft sehr erhellend, wenn sie uns als behinderte Berufstätige erleben können. Die Anleitung durch einen erfahrenen Peer Counselor ist dabei sehr hilfreich. Unsere behinderten BeraterInnen wissen oft persönlich, wie schwer es ist, ein Anliegen mit den Behörden und den Leistungsanbietern zu verhandeln.

kobinet-nachrichten: Sie sind seit über 20 Jahren Ausbilder in der Peer-Counseling-Weiterbildung des Bildungs- und Forschungsinstituts zum selbstbestimmten Leben Behinderter (bifos). Was können die Teilnehmenden am Ende der Weiterbildung und welche Einsatzmöglichkeiten bestehen für sie?

Uwe Frevert: Wir erhoffen uns, dass die Teilnehmenden nach der Peer-Counseling-Weiterbildung ihre persönliche Situation in der Gesellschaft richtig einordnen können. Es geht darum, dass es nicht nur „die böse Gesellschaft“ ist, die viele von uns auch behindert, das heißt, es geht auch darum, eine Diskriminierung als solche zu erkennen. Es geht auch darum, dass das behinderte Individuum durchaus Initiative ergreifen kann, um für sich die Situation zu verbessern. Es gibt viele Möglichkeiten, eine Behinderung auszugleichen und beherrschbarer zu machen und mit ihr im Einklang zu leben. Dazu muss ich aber auch klar erkennen können, wer oder was mich behindert, was ist mein eigener Anteil, der mich behindert und was kann mein Beitrag sein, um die Behinderung zu mildern.

kobinet-nachrichten: Was sind Ihre Wünsche für das Peer Counseling?

Uwe Frevert: Ich bin davon überzeugt, dass Peer Counseling gerade in der Behindertenhilfe, also in der Rehabilitation, eingesetzt werden sollte. Wenn man sich vorstellt, dass Peer Counseling in der Förderschule, in der Werkstatt für behinderte Menschen oder dem Berufsbildungswerk usw. eingesetzt werden würde, also behinderte MitarbeiterInnen als Rollenvorbild für das Ziel der jeweiligen Rehabilitationsmaßnahme eingesetzt werden, dann würden diese Einrichtungen auch vermehrt an ihre Zielsetzung der Rehabilitation glauben können und nicht länger dafür plädieren, dass diese Sonderwelten wie Heime, Sonderschule und Werksttätten für behinderte Menschen in diesem hohen Ausmaß gesellschaftlich notwendig sind.

kobinet-nachrichten: Vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg mit dem Peer Counseling.

Link zu den Leistungsanforderungen für öffentlich geförderte Peer Counseling Angebote der ISL