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Foto: Monika Natrup
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Foto: Monika Natrup
EDERTAL (KOBINET) Die Bundesregierung begründet die Verzögerung bei der Vorlage des ersten Gesetzentwurfes für ein Teilhabegesetz damit, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) derzeit mit der Flüchtlingsproblematik überlastet sei. Monika Natrup vom Forum selbstbestimmter Assistenz behinderter Menschen ForseA e.V. bezeichnet dies als fadenscheinig, denn sie ist überzeugt, dass der Entwurf nach über sechs Jahren Vorlauf längst fertig in einer Schublade des Ministeriums liegt.
kobinet: Was macht Sie so sicher?
Natrup: Das Ministerium weiß seit dem Koalitionsvertrag, dass es liefern muss. Die dortige Festlegung, dass durch das Teilhabegesetz keine neue Ausgabedynamik entsteht, war bereits falsch, ehe sie im Papier stand. Wenn die Verletzung unserer Menschenrechte keine „Erträge“ brächten, warum finden die dann sonst statt? Es fanden unzählige Veranstaltungen statt, die zur Meinungsbildung des BMAS dienten. Gleichzeitig weiß man dort auch, dass ein Gesetz, das gegen den Artikel 4 der Behindertenrechtskonvention verstößt, keine Gültigkeit erlangen kann und darf.
kobinet: Die Forderungen an das Teilhabegesetz werden lauter.
Natrup: Ja, endlich! War lange Zeit nur die unsägliche Einkommens- und Vermögensanrechnung Ziel der Angriffe, verbreitert sich die Aufmerksamkeit nun auch auf die strukturelle Gewalt, die durch viele Kostenträger gegenüber Menschen mit Bedarf an Nachteilsausgleichen ausgeübt wird. Alle Menschen werden mit ihren elementaren Menschenrechten geboren. Ab dem Eintritt einer Behinderung gelten wesentliche Teile dieser Rechte plötzlich nicht mehr. Diese müssen wir uns nun zurückerkämpfen.
kobinet: Zum Beispiel?
Natrup: Wir wollen inmitten der Gesellschaft leben. Dies bedeutet, dass uns die Gesellschaft auch entgegen kommen muss. Wir müssen in die Lage versetzt werden, im Rahmen der uns verbliebenen Möglichkeiten in dieser Gesellschaft zu leben. Sachbearbeiter von Kostenträgern, die von uns beispielsweise verlangen, aus Kostengründen auf dem Toilettenstuhl den Vormittag am Küchentisch zuzubringen, sind auf ihrem Arbeitsplatz eine glatte Fehlbesetzung. Sie entziehen uns unsere Freiheit und greifen unsere Würde an.
kobinet: Das sind keine Einzelfälle?
Natrup: Nein, ganz und gar nicht. Wenn Kostenträger sparen wollen, ist kein Argument zu absurd. ForseA stellt dies mit einer Sammlung von Geschichten aus Absurdistan unter Beweis. Man kann getrost davon ausgehen, dass diese nur die Spitze des Eisberges darstellen. Die Dunkelziffer dier Diskriminierungen durch Behörden ist mit Sicherheit sehr, sehr groß. Denn viele Bürger geben angesichts der massiven staatlichen Gewalt einfach auf. Das ist ja auch das Ziel dieser Kostenträger.
kobinet: Anscheinend soll es hinsichtlich der Einkommens- und Vermögensanrechnung ein Entgegenkommen des BMAS geben.
Natrup: Im SPIEGEL dieser Woche ist zu lesen, dass Forderungen nach einer Katzensteuer analog zur Hundesteuer abgelehnt werden, da deren Erhebung teurer sei als die erwarteten Einnahmen. Vor wenigen Tagen hat der Verschwendungszähler auf der ForseA-Homepage, der seit dem 1.12.2011 die verschwendeten Steuergelder durch die Einkommensanrechnung zählt, die Zwei-Milliarden-Grenze durchbrochen. Basis der Berechnung ist, dass der Staat für 12 Millionen Ersparnisse im Jahr 500 Millionen Euro an Verwaltungskosten ausgibt.
kobinet: Wenn nun die Einkommens- und Vermögensfreibeträge angehoben werden …
Natrup: … dann bleibt der Prüfungsaufwand gleich, die Ersparnisse reduzieren sich. Da könnte die Katzensteuer locker mithalten.
kobinet: Angesichts dieser Zahlen stellt sich die Frage, was eine Teillösung in der Abrechnung noch bringen soll.
Natrup: Die Behindertenrechtskonvention regelt unsere Rechte, die an keiner Stelle über die allgemeinen Menschenrechte hinausgehen. Dass der Gesetzgeber von der Anrechnung nicht abrücken will, beweist, dass er nicht beabsichtigt, behinderten Menschen ihre Rechte zurückzugeben. Dabei ist es ihm auch egal, dass er damit fortgesetzt gegen unsere Grundrechte verstößt. Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass es möglich ist, dass bestehende Gesetze gegen den Artikel 3 unseres Grundgesetzes verstoßen. Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
kobinet: ForseA verlangt ein faires Teilhabegesetz. Was ist darunter zu verstehen?
Natrup: Das haben wir in einem Papier zusammengefasst. Wir freuen uns, dass sich eine zunehmende Anzahl von Menschen und Vereinen der Auffassung anschließen, dass das Teilhabegesetz eine Vielzahl von Diskriminierungen beseitigen muss, damit es seinem Namen gerecht wird. In dieser Woche berichtete der Bayerische Rundfunk ausführlich über einige dieser Diskriminierungen. So schilderte unter anderem auch Andreas Vega vom VbA München zahlreiche Schwierigkeiten, denen behinderte Menschen begegnen. Für mich ist es ein Unding, dass man in Bayern noch um KFZ-Förderung gegen einen streitlustigen Bezirk bereits in der zweiten Instanz vor Gericht muss, obgleich im Nachbarland Baden-Württemberg dieses Thema bereits 2012 in der zweiten Instanz entschieden wurde. In der dortigen Entscheidung spielte die BRK eine entscheidende Rolle. Andere Sozialgerichte haben sich dieser Entscheidung bereits angeschlossen. In der kommenden Woche entscheidet das Bayerische Landessozialgericht. Wir hoffen, dass die BRK dort auch die Rolle spielt, die ihr zusteht. Aber das ist ein Beweis dafür, dass wir endlich ein faires Teilhabegesetz bekommen müssen. Denn wenn wir jedes Thema in 16 Bundesländern entscheiden lassen müssen, dann wird die Diskriminierung behinderter Menschen vorerst nicht aufhören.
kobinet: Wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Link zum BR-Radiobeitrag (mp3)