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Inklusion ist nicht zum Nulltarif möglich

Bild von der Fachtagung
Bild von der Fachtagung
Foto: Hochschule Koblenz

KOBLENZ (KOBINET) Im Rahmen einer Fachtagung beschäftigten sich über 100 Personen aus Wissenschaft und Praxis der Sozialen Arbeit an der Hochschule Koblenz mit schulischen, beruflichen und sozialen Aspekten von Ausgrenzung und Inklusion. Während gesellschaftliche Ausgrenzung ein Kernproblem der Adressatinnen und Adressaten Sozialer Arbeit ist, verspricht die Inklusionsstrategie insbesondere im Bildungsbereich, Ausgrenzung und Diskriminierung zu minimieren.



Die Podiumsdiskussion – wie die gesamte Tagung von Kathinka Beckmann aus dem Fachbereich Sozialwissenschaften moderiert – beleuchtete unter reger Beteiligung des Plenums, welche Herausforderungen auftreten, wenn Inklusion umgesetzt wird, heißt es in einer Presseinformation der Hochschule Koblenz. Marion Felder aus dem Fachbereich Sozialwissenschaften hob hervor, dass gerade ein strukturell überstürzt organisierter Inklusionsprozess Gefahr laufe, gerade den zu helfenden Kindern notwendige Förderungen vorzuenthalten. Karin Weiss (Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen des Landes Rheinland-Pfalz, Abteilung Integration und Migration) legte Wert darauf, Inklusion nicht nur auf Kinder mit eingeschränkten Fähigkeiten, sondern grundsätzlich auf alle Kinder jeglicher Herkunft zu beziehen. Stephan Bundschuh aus dem Fachbereich Sozialwissenschaften stellte heraus, dass eine unzureichend vorbereitete Inklusion weniger einer Umsetzung menschenrechtlicher Ansprüche als den Bedarfen einer neoliberalen Marktwirtschaft diene, die staatliche Transferleistungen minimieren wolle. Das Podium war sich darin einig, dass gelingende Inklusion eine grundlegende Bereitschaft der ganzen Gesellschaft erfordere.

Die Workshops der Tagung vertieften zentrale Aspekte von Inklusion und Ausgrenzung. Anja Schüller (Jugendforum Chemnitz) und Ehsan Ghandour (Hochschule Koblenz, Projekt KODEX) stellten mit dem sogenannten Team-Teaching eine Methode vor, die insbesondere für den inklusiven Schul-Unterricht förderlich sei. Bei dieser Methode gestalten im selben Klassenraum zwei Lehrkräfte mit unterschiedlichen Fähigkeiten in enger Absprache gemeinsam den Unterricht mit denselben Schülerinnen und Schülern, um so auf unterschiedliche Weise deren Bedürfnissen gerecht zu werden.

Im zweiten Workshop entwickelte sich bereits während der Präsentationen über den Arbeitslehreunterricht an der Diesterweg-Schule und die Berufseinstiegsbegleitung von Rolf Krewer (Bildungswerk der rheinland-rheinhessischen Wirtschaft) und Sascha Steffes (Diesterweg-Schule Koblenz) eine rege und ausführliche Diskussion über „best practices“. Der Evaluationsworkshop thematisierte den Nutzen wissenschaftlicher Begleitungen von Projekten im Antidiskriminierungsbereich. Die Workshopleitenden Maria Andreacchi und Antje Knieper-Wagner (beide Hochschule Koblenz) zeigten diesen Zweck anhand der Evaluation zum Projekt KODEX und anhand einer Umfrage unter Migrantinnen und Migranten über die Auswirkungen des rechtsextremen Terrors. Der vierte Workshop widmete sich der Feindseligkeit gegenüber Sinti und Roma – Antiziganismus genannt. Esra Herzog und Gina Reinhardt (beide Hochschule Koblenz, Projekt KODEX) stellten an Erfahrungslernen und dialogischem Lernen orientierte Übungen für die Arbeit mit Jugendlichen vor und führten diese mit den Teilnehmenden durch.

Die Tagung schloss mit einem Vortrag von Markus Dederich (Universität Köln) zur sozialen Erzeugung von „Behinderung“. Fast alle Menschen hätten die eine oder andere körperliche, geistige oder seelische Beeinträchtigung, diese werde erst durch das soziale Umfeld als „Behinderung“ zum Stigma. Dederich skizzierte das Dilemma, dass Kinder durch die Kategorisierungen der Sonderpädagogik zwar stigmatisiert würden, sie dadurch aber erst einen Rechtsanspruch auf Förderung besäßen. Ohne diesen Rechtsanspruch würden sie einer gnadenlosen Konkurrenz ausgesetzt, bei der sie nur verlieren könnten.

Bundschuh, der die Tagung mit seinem Projektteam veranstaltete, zeigte sich mit den Ergebnissen sehr zufrieden: „Die Tagung hat gezeigt, dass der schulische Inklusionsprozess eine zentrale Bildungsherausforderung in den kommenden Jahren darstellt. Wenn aber diesem Inklusionsprozess nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt wird, ist eine gesellschaftliche Gegenreaktion zu befürchten, die möglicherweise zu mehr Diskriminierung führt.“