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Foto: Bruno Axhausen
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Foto: Bruno Axhausen
MARBURG (KOBINET) Die älteste Hörbücherei Deutschlands feiert 60-jähriges Jubiläum mit einem speziellen Kochbuch für Blinde und einem neuen Online-Katalog. Seit 60 Jahren besteht die zur Deutschen Blindenstudienanstalt (blista) gehörende Einrichtung – die älteste und größte ihrer Art in Deutschland. Die Hörer können sich knapp 42 000 Krimis, Romane, Fachbücher und Zeitschriften ausleihen. „Damit öffnen wir die Welt für unsere 14000 Nutzer", sagte heute blista-Direktor Claus Duncker während der Jubiläumsfeier.
Marburgs Oberbürgermeister Egon Vaupel schaltete den neuen Online-Katalog der Hörbücherei frei, mit dem zugleich ein neues Kapitel für sehbehinderte Hörer in ganz Deutschland startet. Der sehr ausgereifte, auch für Smartphones geeignete Katalog erfasst die gesamte in Deutschland verfügbare Literatur für Blinde – egal, ob sie in Punktschrift oder als Hörbuch vorliegt. Gesucht werden kann unter anderem nach Titel, Autor oder Schlagworten. Das gewünschte Buch wird dann auf eine Ausleihliste gesetzt und ein Brennroboter produziert automatisch eine Hör-CD für den Postversand. Jedes Werk kann zentral über die Blindenstudienanstalt bestellt werden (www.katalog.blista.de).
Bereits vor 60 Jahren, als die ersten Tonbandgeräte in den Privathaushalten auftauchten, waren die Marburger die ersten, die auf die neue Technik setzten. Besonders für Menschen, die erst im Alter ihre Sehkraft verloren hatten, war dies eine große Veränderung. „Punktschrift lernt man mit 60 oder 70 Jahren nicht mehr so leicht“, erinnerte Duncker.
Seitdem hat sich die Technik massiv verändert. Auf die Tonbänder folgten die Kassetten, von denen allerdings viele gebraucht wurden. Wer Buchheims „Die Festung“ lesen wollte, musste 43 Kassetten einlegen. Heute reicht eine einzige CD. 2004 stellte die blista auf die digitale Produktion um, für begeisterte Leser wie Thorsten Büchner ein „Quantensprung“, weil der begehrte Lesestoff seitdem viel schneller und viel umfangreicher produziert werden kann. Die CDs lassen sich auf normalen MP3-Playern abspielen. Dazu gibt es inzwischen so genannte „Daisy-Player“, mit denen blinde Leser fast wie Sehende in Büchern blättern und von Kapitel zu Kapitel springen können. Auch Bandsalat und lästiges Spulen ist mit den CDs vorbei. „Wer einmal Harry Potter auf 16 Kassetten gelesen und erlebt hat, wie eine runterfällt…“, erinnerte Büchner.
Heute werden jedes Jahr bis zu 130 000 CDs an Kunden aus ganz Deutschland versendet. Etwa zwei Drittel der Hörer sind älter als 65 Jahre. Die Älteste ist 105 Jahre alt, die Jüngste sieben. Ein Teil der 2000 jährlich neu eingestellten Bücher wird in Marburg produziert. Dazu lesen 27 Sprecher Bücher und Zeitschriften auf – nicht nur Belletristik und Krimis, sondern auch sehr viele Sachbücher. Die „Bestseller“ des vergangenen Jahres sind Jonassons „Der Hundertjährige“, Krimis von Andreas Föhr, Donna Leon und Nele Neuhaus sowie Florian Illies „1913″. Schon seit 1980 wird jede Woche das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ aufgenommen. Bereits am Montagabend liegt es als Download vor, mittwochs als CD im Briefkasten.
Eine Premiere konnte bei der Jubiläumsfeier ebenfalls vorgestellt werden: Der preisgekrönte türkische Gourmetkoch Ömür Akkor, der mit Unterstützung des Akademikervereins „Colloquium“ nach Marburg reiste, hat ein Kochbuch für Blinde geschrieben, das nun vom „Main-Donau-Verlag“ in Frankfurt übersetzt, in Punktschrift und als Hör-CD herausgebracht wurde. Alle Rezepte hat er selbst unter der Augenbinde ausprobiert. Wie das „blinde Kochen“ funktioniert, demonstrierte er bei der Zubereitung des Nachtischs für die Jubiläumsgäste: „Paradiesschlamm“, eine von Pistazien dominierte Köstlichkeit aus dem osmanischen Reich.