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Stärker einmischen!

Margit Glasow
Margit Glasow
Foto: Uwe Klees/thalmannverlag!

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Margit Glasow
Foto: Uwe Klees/thalmannverlag!

ROSTOCK (KOBINET) Menschen mit Behinderung müssen sich stärker einmischen, meint Margit Glasow heute im kobinet-Interview. 13 Tage vor der Bundestagswahl kritisiert die Rostocker Journalistin und Herausgeberin des Gesellschaftsmagazins inklusiv! die Bedingungen für die Wahl in ihrer Heimatstadt und im Land Mecklenburg-Vorpommern. Das betrifft einen noch zu großen Teil nicht barrierefreier Wahllokale wie auch fehlende Barrierefreiheit von Wahlkreisbüros der Abgeordneten.



kobinet: Wie wählst Du am 22. September? Wieder oder erstmals in einem barrierefreien
Wahllokal oder lieber per Briefwahl?

Margit Glasow: Ich habe noch nie per Briefwahl gewählt, sondern gehe immer ins Wahllokal. Ich möchte dabei sein, schauen, wie die Stimmung vor Ort ist, das eine oder andere Gespräch führen. Das ist aber hier in meiner Heimatstadt Rostock nicht für jedermann möglich. Mein Wahllokal, das sich im Innerstädtischen Gymnasium befindet, ist zwar für Rollstuhlfahrer durch einen Treppenlift zugänglich. Aber laut einer Umfrage der Nachrichtenagentur dpa sind in Mecklenburg-Vorpommern viele Wahllokale nicht behindertengerecht. Von den großen Städten des Landes weist der Umfrage zufolge lediglich Schwerin alle Wahlräume als barrierefrei aus: Der Zugang ist dort ohne Treppen, Stufen oder Absätze möglich. In Stralsund hingegen soll ein Drittel der 39 Wahllokale nicht mit Rollstuhl oder Rollator erreichbar sein, in Greifswald 29 Prozent, in Wismar 18 Prozent, in Rostock 16 Prozent und in Neubrandenburg 15 Prozent. Für Blinde und Sehbehinderte werden in der Regel keine Stimmzettel-Schablonen vorgehalten. Betroffene können sie nur vom Landesblindenverein bekommen.

kobinet: Sieht nicht gut aus …

Margit Glasow: Für mich hat dieser Zustand nichts mit gleichberechtigter Teilhabe zu tun. In den letzten über 20 Jahren ist in der Stadtentwicklung viel passiert. Da müssten die Kommunen in der Lage sein, ihre Wahllokale so einzurichten, dass sie barrierefrei sind. Immerhin kann man jetzt auf den Wahlbenachrichtigungen erkennen, ob das entsprechende Wahllokal barrierefrei oder – besser gesagt – Rollstuhl zugänglich ist (barrierefrei würde ja noch viel mehr bedeuten). Sollte das nicht der Fall sein, kann die Stimme in einem anderen Wahllokal abgegeben werden.

kobinet: Wie zugänglich sind die Wahlkreisbüros der Abgeordneten?

Margit Glasow: Ich frage mich immer wieder: Inwieweit werden Menschen mit Behinderung wahrgenommen? Inwieweit sind sie in unserer Gesellschaft tatsächlich willkommen? Auf einer Podiumsdiskussion anlässlich des Europäischen Protesttages zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung im Mai dieses Jahres haben die Vertreter der Parteien in Rostock offen zugegeben, dass nicht eines der Wahlkreisbüros barrierefrei zugänglich sei (weil man ja viel lieber selbst unter das Volk ginge, als die Bürger ins Wahlkreisbüro kommen zu lassen). Dabei wird doch deutlich, dass Menschen mit Behinderung gar nicht als potentielle politische Akteure erkannt werden. Natürlich gibt es sie. Aber ich bin der Meinung, dass es noch lange nicht genug sind. Dass viel mehr Betroffene, die so genannten Experten in eigener Sache, ihre Stimme laut erheben und den Kampf um ihre Rechte selbst vorantreiben müssen. Menschen mit Behinderung müssen sich stärker einmischen.

kobinet: Was möchtest Du mit Deiner Stimmabgabe bewirken für die Zukunft in Deutschland?

Margit Glasow: Ein konkretes Anliegen, das mir persönlich sehr am Herzen liegt, ist die schulische Inklusion. Sie muss vorangetrieben werden. Es wird in der letzten Zeit viel über dieses Thema geredet. Aber ich habe den Eindruck, dass der politische Wille fehlt, schulische Inklusion tatsächlich mit aller Konsequenz umzusetzen. Für mein Verständnis kann es nicht angehen, dass der Bildungsminister meines Bundeslandes, Mathias Brodkorb, erklärt: „Wir sollten uns davor hüten, uns zu übernehmen. Wir müssen alle zusammen einen Kompromiss finden.“ Ich frage mich, für wen ein Kompromiss gefunden werden soll. Für die Lehrer? Die Politiker? Für die vielen Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf wohl eher weniger. Brodkorb jedenfalls erteilt der Schule für alle eine klare Absage.

kobinet: Aber Bildung ist Ländersache …

Margit Glasow: Was wir meines Erachtens brauchen, ist eine Bundesregierung, die die Initiative ergreift, um das Verbot der Bildungszusammenarbeit zwischen Bund und Ländern ohne Einschränkungen aufzuheben. Sie muss klare Zeichen zur Umsetzung der Inklusion setzen, Handlungsleitfäden geben, notwendige Ressourcen bereitstellen. Nur mit Reden wird sich nichts bewegen. Deutschland hat sich mit der Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention zur Inklusion verpflichtet. Da kann es keine Kompromisse geben.

Wichtig wäre meines Erachtens auch, dass sich die Menschen im Vorfeld der Wahl noch einmal mit den wichtigen Themen der Gegenwart beschäftigen. Zum Beispiel mit der Frage, wie wir als Gesellschaft zusammen leben wollen. Von welchen Werten wir uns bestimmen lassen wollen: von wirtschaftlicher Macht oder kultureller Vielfalt? Und wo liegen eigentlich die Vorteile einer inklusiven Gesellschaft? Wie soll das der Gesellschaft zur Verfügung stehende Geld verteilt werden? Für soziale Gerechtigkeit, für Chancengleichheit? Für die nachhaltige Bewahrung und Wiederherstellung einer lebenswerten Umwelt? Oder dafür, dass Deutschland unrühmlicher Waffenexport-Europameister bleibt? Da muss man sich mal den Anteil der öffentlichen Bildungsausgaben am BIP ansehen, der unter dem OECD-Durchschnitt liegt, und mit den von der Bundesregierung genehmigten Rüstungsexporten vergleichen. 

kobinet: Im Heft 2/2013 von inklusiv! geht es um Behinderung und Medien. Wie steht es aus Deiner Sicht um behindertenpolitische Themen, die von den rivalisierenden Parteien in die Mainstream-Medien gebracht werden?

Margit Glasow: Wenn Du konkret behindertenpolitische Themen meinst, sieht es aus meiner Sicht nicht so gut aus. Wenn das Thema Behinderung in den Medien auftaucht, dann geht es meist um Sport, also um die Darstellung von paralympischen Superhelden. Oder es geht um die Darstellung von Menschen, die auf ihre Behinderung reduziert werden. Der Fürsorgegedanke ist einfach zu sehr in den Köpfen der Menschen verankert. Über politische Themen wie zum Beispiel die schlechten Chancen von Frauen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt liest oder hört man eher selten – von einigen Ausnahmen abgesehen. Allerdings muss ich mich wiederholen: Auch in diesem Bereich brauchen wir mehr Menschen mit Behinderung, die eine gute Ausbildung haben und vor allem den Mut, sich einzumischen. Diese Menschen muss man bestärken.

kobinet: Also eine Behindertenquote in den Medien, mit der ich mich persönlich nicht so recht anfreunden will?

Margit Glasow:  In der letzten Ausgabe von inklusiv! haben wir die Frage aufgeworfen, ob es eine Behindertenquote geben sollte – also eine festgeschriebene Quote, wie viele Menschen mit Behinderung in den Zeitungsredaktionen, in Funk und Fernsehen angestellt sein sollten. Diese Diskussion hat gezeigt, dass die Mainstream-Medien weder ein großes Interesse daran haben, die sozialen Hintergründe eines Lebens mit Behinderung zu beleuchten, noch aktiv Journalistinnen und Journalisten mit Behinderung in ihre Mitte zu holen. Ich kann mich deshalb der Meinung des Berliner Journalisten Dominik Peter nur anschließen, dass wir eine verbindliche Behindertenquote brauchen. Und zwar eine, aus der sich die Unternehmen nicht einfach freikaufen können.